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Die Bantu-Neger Balubas wurden in verschiedene Gästehäuser eingewiesen. Michel, Ojo und Tscham wohnten mit Ugawambi im Schloß Aradmans.
Ochsen und Ziegen wurden geschlachtet, und die Festlichkeiten wollten kein Ende nehmen. Als der Rausch über die Ankunft des »guten Geistes« in der Stadt etwas verebbt war, warf Michel die verschiedenen Fragen auf, die es zu klären gab.
»Meine schwarzen Begleiter, o König, möchten gern in deinem Land bleiben. Wir drei, der Dolmetscher und die Träger, müssen aber leider bald wieder von dannen ziehen, wir können nicht bleiben.«
Aradman war ehrlich betrübt.
»Es ehrt mich, die tapferen schwarzen Krieger, die dich begleitet haben, bei mir zu behalten. Sie sollen sich der höchsten Ehren erfreuen. Sie können hier wohnen oder sich eine eigene Stadt bauen. Aber daß du, Licht meiner alten Augen, schon so bald wieder von dannen ziehen willst, macht mich traurig.«
»Es ist der Weg, den alle gehen müssen: Freundschaft und Liebe und auf der anderen Seite Trennung und Schmerz«, erwiderte der Pfeifer ernst.
»Aber zuvor willst du sicher noch auf den Kilimandscharo, um die Steine zu holen?« fragte er.
»Ja, ich muß so viele davon mitnehmen, wie meine Begleiter und ich tragen können. Aber willst du mir nicht sagen, woher du wußtest, daß wir kommen würden, um sie mitzunehmen?«
»Seit vielen, vielen Jahren — man kann ihre Zahl nicht nennen — geht die Sage in meinem Volk, daß hier vor Zeiten ein anderes Volk gelebt hat. Diese Menschen brauchten die Steine, um sie gegen Nahrungsmittel einzutauschen. Warum ihr König ein so umständliches Verfahren des Tausches für gut hielt, weiß ich nicht. Ich kann auch nicht sagen, ob es mein Volk war, das gegen das mit den Steinen Krieg führte. Aber wie dem auch sei. Der König mit dem sonderbaren Tauschmittel soll, bevor ihn eine Lanze durchbohrte, gerufen haben, daß einst ein Gott wiederkommen würde, um die Steine heimzuholen. Und daß jeden, der sie sich vorher aneigne, der Todesstrahl dieses Gottes treffen würde. Ich hielt das ganze immer für eine Sage, bis mein bester Läufer — sein Name ist Maradsche — einmal die Steinkammer entdeckte, in der die Steine lagen.«
Michel bekam einen gewaltigen Schreck. Daß man den Ort des Schatzes kannte, hatte er nicht erwartet. Tscham mußte sich ebenfalls beherrschen, um nicht aus der Rolle zu fallen, während Ugawambi weiter übersetzte :
»Von uns hat niemand von den Steinen genommen; denn niemand wollte deswegen vom Strahl des Gottes getroffen werden. Und es wußte ja auch keiner, was man damit beginnen sollte. Ja, wenn sie spitz und größer gewesen wären, hätte man sie als Speerspitzen verwenden können; aber so ...«
»Und ist der Weg hinauf beschwerlich?« fragte Michel.
Der König schwieg zuerst auf diese Frage. Lange sah er Michel an. Endlich rang er sich eine Frage von den Lippen:
»Schenkst du mir dein volles Vertrauen?«
»Ja.«
»Und du versprichst, daß du Knall und Blitz nicht gegen einen von uns schleudern wirst?«
Michel erbleichte bis unter die Haarwurzeln. Tschams Finger spielten nervös mit einem Stück Band. Ugawambi war unbeteiligt; denn ihn interessierten die Steine nicht. Und Ojo verstand nichts von Ugawambis englischem Kauderwelsch.
»Ich verspreche es«, ließ Michel sagen.
Des Königs Gesicht lächelte gelöst. Er erhob sich und sagte:
»Begleitet mich. — Du brauchst nicht mitzugehen«, sagte er zu Ugawambi. Der blieb zufrieden sitzen.
Michel, Tscham und Ojo erhoben sich ebenfalls. Jetzt mußte eine gräßliche Eröffnung kommen.
Würde sich herausstellen, daß sie den beschwerlichen Weg umsonst gemacht hatten?
Durch mehrere Räume ging es tiefer in die Felsen. Der König trug eine Fackel. Und dann waren sie in einem Raum, in dem es blitzte und funkelte vom Widerschein der zuckenden Fackel.
Ojo stieß eine Schrei aus und vergrub seine Hände in blitzendem Edelgestein.
Sie standen vor dem Schatz des Lai-Fai-Pe.
»Wir wollten dir einen Gefallen tun«, sagte der König in ganz langsamen Worten, so daß der Pfeifer einiges verstehen konnte. »Meine Krieger haben während der Festtage den Weg für euch gemacht und unter Maradsches Führung die Steine und Kugeln heruntergebracht. Ihr braucht also nicht auf die Spitze des Schnees zu steigen.«
Michel stammelte einige Worte des Dankes und bewahrte mannhaft seine Würde. Tscham war unsagbar glücklich, als sie die Kammer wieder verließen.
»Santa Maria, Madre de Dios«, murmelte Ojo dauernd vor sich hin. —
In den nächsten Tagen flochten die Frauen in der Stadt emsig Bastsäcke, die man über die Pferde hängen konnte.
Nach einem Abschiedsfest ohnegleichen machten sich die drei Freunde und die Träger auf den Rückweg, der sich ohne Schwierigkeiten vollzog, da sowohl Ugawambi als auch die Träger keine Vorstellung vom Wert der ungeschliffenen Diamanten hatten, die auf die Rücken der Pferde drückten. Den ganzen Schatz hatten sie nicht mitnehmen können. So sprachen sie in Sansibar nicht genauer über die Reise, gaben keine Kunde vom Kilimandscharo, weil sie befürchten mußten, daß Abenteurer die Ruhe im Dschaggalande stören würden, um den Rest der Diamanten in ihren Besitz zu bringen.
Der Berg schlummerte noch über hundert Jahre unentdeckt, bis die Deutschen diesen Teil Ostafrikas zu ihrem Schutzgebiet erklärten und aus ihm die Kolonie Deutsch-Ostafrika wurde.
Ugawambi erhielt fast hundert Gulden zusätzlich zu seinem Lohn. Und er versprach, keinen Sklavenhändler zum »Berg der bösen Geister« zu führen. Ob er sein Versprechen halten würde?
52
Ugawambi saß in Madagaskartown vor seiner Hütte, ließ den wildbewachsenen Krauskopf von der Sonne bescheinen und pflegte mit einer Reliquie von Kamm, die er von Gott weiß wem erhalten haben mochte, seine Perücke. Er war sichtlich zufrieden mit sich und der Welt.
Nachdem er die Perücke lange genug bearbeitet hatte, zog er einen wohlgefüllten Beutel mit Goldgulden aus seiner Schärpe. Mit funkelnden Augen zählte er Goldstück für Goldstück noch einmal durch. Es war ihm ein beträchtlicher Rest von dem, was der Pfeifer ihm für seine Führung zum Kilimandscharo gezahlt hatte, geblieben.
Aber des Geschickes Mächte zwangen ihn, die angenehme Arbeit des Goldzählens zu unterbrechen, denn seine Frau tauchte an der Ecke der Gasse auf und kam eilig näher.
»Geld brauche ich«, schrie sie, »Geld!«
»Ich habe kein Geld«, antwortete Ugawambi und rückte sich die Schärpe zurecht, damit man nicht sah, wohin er den Beutel gesteckt hatte.
»Ich weiß genau, daß du Geld hast«, entgegnete seine Frau heftig und hob drohend die geballten Fäuste gegen ihn.
»Ich sage dir doch, ich habe kein Geld!«
»So, und woher nimmst du dann den Schnaps, den du unentwegt trinkst?«
»Da — da sind noch ein paar Flaschen, die ich von dem Massa bekommen habe, als Belohnung, daß ich ihn zum Kilimandscharo führte.«
Sie lachte schrill auf.»Das soll ich glauben? Ich weiß genau, daß du viel mehr Geld besitzt, als du zugibst. Ich möchte gern wissen, wieviel von den schönen blanken Goldstücken du schon in dem verfluchten Schnaps angelegt hast!«
»Du — du irrst dich«, sagte Ugawambi und blickte zu Boden. »Du und deine Mutter, ihr macht mir das Leben langsam zur Hölle !«
»Du hast gut reden! Wer kümmert sich um meine Mutter und mich? Wer sorgt dafür, daß wir wenigstens alle paar Wochen einmal ein Stück Fleisch im Topf haben? Die bösen Geister haben uns gestraft, daß wir mit einem solchen Mann, wie du einer bist, zusammenleben müssen!«
Ugawambi warf empört die Perücke neben sich auf den Boden. Zorn stieg in ihm auf. Er, der sonst wie weiches Wachs in den Händen seiner Frau war, wurde plötzlich zum Ebenbild eines um seine Gleichberechtigung kämpfenden Geschöpfes.
»Was hast du gesagt? Du fühlst dich gestraft, von den bösen Geistern geschlagen, weil du mich geheiratet hast? Ha, nicht du bist gestraft, sondern ich! Was habe ich schon ausgestanden in meinem Leben! Nie hätte ich es für möglich gehalten, einmal ein Weib zu bekommen, das mir vorschreiben will, wieviel Schnaps ich trinken darf! Ihr seid wie die Aasgeier hinter meinen wenigen, schwerverdienten Gulden her! Ich habe meine Haut dafür zu Markte getragen, daß ich sie überhaupt verdienen konnte! Und ihr, ihr habt nichts anderes vor, als sie mir aus der Tasche zu ziehen!«
Die Frau Ugawambis schlug die Hände jammernd vors Gesicht und zeterte und weinte.
Ugawambi ließ sich schließlich erweichen und warf ihr einige Gulden zu, die er neben dem Beutel lose in einer Falte seiner Schärpe stecken hatte.