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»Imi Bej geht uns nichts an. Er hat uns nichts getan.«
»Ich sehe schon, wir wandeln auf verschiedenen Wegen. Imi Bej ist für euch kaum der Erwähnung wert, und doch hinterläßt eure Erzählung den Eindruck, als sei er der Hauptakteur in dem kommenden großen Sklavenzug.«
»Sklaven wird es wohl immer geben«, warf Abd el Ata ein.
Auf Michels Stirn bildete sich eine steile Falte.
»Sklaven wird es nur dann geben, wenn die Menschen nichts gegen den Sklavenhandel unternehmen. Eure Gleichgültigkeit gegen die armen unschuldigen Menschen, die da um des Profites willen gefangen werden, könnte mich rasend machen vor Zorn.«
»Ich verstehe deinen Eifer nicht.« Abd el Ata schüttelte den Kopf. »Wenn du mit uns ziehst, so hast du doch Gelegenheit, auch gegen Imi Bej vorzugehen. Unser Weg ist der gleiche. Nur die Ziele sind andere.«
»Du redest Torheit«, sagte Michel. »Du weißt so gut wie ich, daß es mir und meinen beiden Freunden allein unmöglich ist, etwas gegen die — nun, sagen wir — Jagdgesellschaft Imi Bejs auszurichten.«
Abd el Ata horchte auf.
»Das heißt also, daß du mit uns gehen würdest, wenn wir dir unsere Hilfe bei der Vernichtung des Sklavenjägers Imi Bej angedeihen lassen würden.«
»Vielleicht.«
»Ein Vielleicht kann uns nichts nützen. Wir brauchen eine ganze Zusage.«
Der Pfeifer war bis zur Tür gegangen und hatte sie geöffnet.
»Ich muß diese Angelegenheit erst mit meinen Freunden besprechen.«
»Gut«, sagte Abd el Ata, »bis wann können wir mit deiner Antwort rechnen?«
»Einen genauen Termin kann und will ich euch nicht nennen; denn wir haben hier in der Stadt noch verschiedene Dinge zu regeln, bevor wir aufbrechen können.«
Hassan und Abd el Ata kreuzten die Hände über der Brust und verbeugten sich höflich. Dann gingen sie.
58
»Santa Maria, Madre de Dios«, sagte Ojo zu Tscham. »Die Hitze dörrt einem den Verstand aus.«
Die beiden stapften gemeinsam die Treppe des Hotels empor. Als ihnen zwei Araber entgegenkamen, verhielten sie den Schritt.
»Maldito, der Teufel soll mich frikassieren, wenn ich diese beiden Kerle nicht schon einmal gesehen habe«, sagte Ojo.
»Du hast recht«, entgegnete Tscham in seinem gebrochenen Spanisch. »Die beiden Männer gehörten zu den Sklavenjägern Abu Sefs.«
»Demonio, Diablo! — Sie werden doch nicht etwa ...«
Ohne seinen Satz zu vollenden, stürzte er die Treppe empor und riß die Tür ihres Appartements auf. Tief Atem holend blieb er stehen, und als er Michels ansichtig wurde, stieß er hervor :
»Gracias de Dios, ich dachte schon, die beiden Araber, denen wir soeben auf der Treppe begegneten, hätten Euch überfallen und die Schätze mitgenommen!«
»Die Schätze scheinen dir wichtiger zu sein als ich«, lächelte Michel.
Ojo winkte ab.
»Ihr wißt genau, daß das nicht so ist, Señor Doktor. Aber ich wäre nicht ehrlich und kein guter Freund, wenn ich abstreiten wollte, daß mir auch eine ganze Menge an den vielen Steinen und Perlen liegt.«
Als Tscham ins Zimmer trat, meinte der Pfeifer:
»Es ist gut, daß ihr beide da seid. Ich habe etwas Wichtiges mit euch zu besprechen.«Ojo und Tscham nahmen die Plätze ein, die soeben noch die beiden Araber innegehabt hatten.
»Die Araber, denen ihr begegnet seid, sind wirklich bei mir gewesen«, begann Michel. »Es hat sich eine interessante Situation ergeben. Abd el Ata und Hassan waren da, um mir über neue Vorhaben des Sklavenhändlers Abu Sef zu berichten. Übrigens spielt auch unser guter Freund Ugawambi dabei eine gewisse Rolle.«
»Er will die Burschen doch nicht etwa zum Kilimandscharo führen?« fuhr Ojo auf.
»Ich bin nicht allwissend, amigo. Aber ich könnte mir denken, daß die ganze Sklavenkarawane, die man zusammengestellt hat, nur darauf hinausläuft, einem bestimmten Ziel nachzujagen. Und meine Ansicht wird noch dadurch bestätigt, daß das Haupt der ganzen Angelegenheit ausgerechnet Ugawambi als Führer für den Expeditionszug verpflichtete. Ich glaube nicht einmal, daß Ugawambi bereits die Wahrheit weiß. Man wird ihm vorgegaukelt haben, daß es wirklich auf Sklavenjagd gehe. Ich halte den schwarzen Mann mit der zerzausten Perücke nicht unbedingt für einen Lumpen. Man wird ihn geködert haben, mit Geld oder mit Schnaps, was weiß ich. Es ist unterwegs immer noch Zeit genug, ihn zu zwingen, die Route zum Kilimandscharo einzuschlagen.«
»Und was werdet Ihr tun?«
»Warte ab, bis ich dir alles erzählt habe«, sagte Michel.
Dann gab er das soeben von Hassan und Abd el Ata Gehörte wieder. Als er geendet hatte, fragte er:
»Nun, amigos, was haltet ihr von der Sache? Habt ihr Lust, diesen verdammten Sklavenjägern die Hölle heiß zu machen?«
»Durchaus«, stimmte Ojo zu, und Tscham nickte bestätigend. »Die Frage ist nur, ob wir uns auf die sogenannten »Dreizehn Verlassenen« verlassen können.«
»Hört meinen Vorschlag«, nahm Michel wieder das Wort. »Wir werden heute noch Kapitän Weber bitten, unsere Säcke mit den Kostbarkeiten an Bord zu nehmen. Wenn wir diesen Ballast los sind, können wir weiter sehen. Ob wir mit den »Dreizehn Verlassenen« gemeinsame Sache machen oder nicht, hängt von dem ab, was ich in Erfahrung bringen kann. Es würde mich jedenfalls freuen, wenn wir unsere jahrelange Reise damit beschließen könnten, daß wir noch ein paar Sklavenjäger auf unserer Strecke lassen.«
»Höre, mein Freund«, meinte Tscham. »Gehen wir dann nach Hamburg?«
»Ich hoffe es«, meinte Michel.
»Und von dort direkt nach Amerika?«
»Das bleibt euch beiden unbenommen. Ihr könnt direkt in Hamburg ein Schiff nehmen, um von dort aus nach Boston auszulaufen. Ich habe allerdings noch in Deutschland, meinem Heimatland« — ein wehmütiger Ausdruck lag über seinen Zügen, als er die letzten Worte sprach
— »einiges zu erledigen, das nun nicht mehr länger Aufschub duldet.«
»Ich dachte, es würde dich, genauso wie mich, mit allen Fasern deines Herzens zum Land der Freiheit ziehen«, sagte Tscham, und seine Stimme klang etwas enttäuscht.
»Ich werde euch folgen, sobald es mir möglich ist.«
»Was heißt hier euch?« fragte Ojo. »Ich gehe auch mit Euch nach Deutschland, Señor Doktor.
Wir werden schon noch früh genug ins gelobte Land gelangen.«
Zwischen ihnen war eine Weile Schweigen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Ojo holte aus irgendeiner Eckedes Appartements eine Flasche Wein hervor, zog mit den Zähnen den Korken heraus und rieb diesen am gläsernen Hals, daß es einen Quietschton gab.
Nach geraumer Zeit erhob sich der Pfeifer und rüstete sich zum Gehen.