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»Delphin«, um ihn zu bitten, unsere Habe so schnell wie möglich an Bord zu nehmen.«
59
Imi Bej sollte auch heute keine Gelegenheit finden, mit seinen Siamkatzen zu spielen. Er saß, in weiche Kissen gebettet, in dem feudal eingerichteten mittleren Saal seines Palastes. Neben ihm hatte ein anderer Araber Platz genommen, der fürstlich gekleidet war. Diener und Sklaven des Hauses huschten lautlos hin und her und servierten ihrem Herrn und seinem Gast auf niedrigen Tischchen die lukullischen Genüsse des Orients.
Von irgendwoher erklang leise Flötenmusik. Und im Hintergrund des Saales wiegten sich ausgesucht schöne Sklavinnen im Rhythmus der Musik. Sie mußten tanzen bis zur Erschöpfung.
Jedesmal, wenn eines der Mädchen ermattet umsank, klatschte der Gast des Bej s entzückt in die Hände. Die letzte der Tänzerinnen, die die Strapaze überstand, durfte am Mahl der beiden Männer teilnehmen.
»Du hast schöne Frauen«, sagte der Besucher.
»Ich würde mich glücklich schätzen«, erwiderte Imi Bej geschmeichelt, »wenn du eine meiner Sklavinnen als Geschenk annehmen würdest.«
Der Fremde nickte wohlgefällig.
»Der Ruf deiner Großzügigkeit ist bereits bis zum Imam von Maskat gedrungen«, erwiderte er verbindlich.
Imi Bej beugte servil den Kopf. Seine Augen blinzelten listig.
»Vielleicht kann ich unserem Herrn und Fürsten auch noch auf andere Weise gefällig sein«, sagte er.
»Ich werde mich freuen, ihm deine Worte zu übermitteln«, antwortete der andere.
Sie schwiegen und kauten mit Andacht gezuckerte Datteln.
Als sie sich an den köstlichen Speisen gütlich getan hatten und gesättigt waren, verließ die Tänzerin auf einen Wink Imi Bejs den Saal. Der Bej klatschte zweimal in die Hände, worauf Diener erschienen, die die leeren Schüsseln abräumten und kleine Fingerschalen brachten.
»Ziehen wir uns in einen gemütlicheren Raum zurück«, lächelte Imi Bej seinem Gast zu.
Als sie in einem kleinen, aber ebenso prächtig eingerichteten Saal saßen und die Wasserpfeifen dampften, sagte der Besucher:
»Ich hörte, daß du in der nächsten Zeit einen großen Sklavenzug in das Innere Ostafrikas unternehmen willst.«
Imi Bej zögerte ein wenig mit der Antwort. Tücke und Verschlagenheit standen in seinem Gesicht, als er erwiderte:
»Man glaubt im allgemeinen, daß ich tatsächlich beabsichtige, einen Sklavenzug zu unternehmen.«
»Ach, ich verstehe, du hast etwas anderes vor!«
»Ich habe Vertrauen zu dir, Harun ál Walan; denn derFürst von Maskat hat dich als Gesandten zu mir geschickt. So berichte ihm denn folgendes : Ich werde auf eine Expedition in das Innere Ostafrikas gehen; aber diesmal nicht nur um Sklaven zu fangen, sondern um den Reichtum unseres allerhöchsten Fürsten zu mehren.«
Harun ál Walan nickte beifällig und meinte:
»Jeder Sklave, vor allem aber jede Sklavin, mehrt den Reichtum eines Fürsten.«
»Es liegt mir fern, dir widersprechen zu wollen, Harun ál Walan; aber ich weiß doch Besseres, um den Reichtum unseres erhabenen Imam zu vergrößern.«
Harun ál Walans Züge nahmen einen gespannten Ausdruck an.
»Ich wittere ein Geheimnis«, sagte er.
»Es ist ein Geheimnis, von dem auch ich allerdings nur erst einen einzigen Schleier lüften konnte von den sieben, die es bergen. Auch du wirst schon von dem »Berg der bösen Geister« gehört haben.«
»Das sind doch Märchen«, erwiderte Harun ál Walan geringschätzig.
»Ich möchte das nicht sagen. Hier in der Stadt lebt ein Fremder, ein Weißer aus Frankistan, der diesen sagenhaften Berg aller Wahrscheinlichkeit nach entdeckt hat.«
»Nicht möglich.«
»Und er hat nicht weniger als fünf Packpferde mit Säcken beladen von der Reise zu diesem Berg mitgebracht«, fuhr Imi Bej unbeirrt fort.
»Und was enthielten diese Säcke?«
»Soweit mir meine Späher berichteten« — hier machte Imi Bej eine Kunstpause — »Perlen und Edelsteine, und kein Edelstein soll kleiner sein als ein Taubenei!«
»Das wäre immerhin ein ungeheurer Reichtum«, sagte
Harun ál Walan nachdenklich. »Befindet sich der Schatz dieses Weißen noch in der Stadt?«
»Soviel ich weiß, ja.«
»Wäre es dann nicht einfacher, hm ...«
Harun ließ den Gedanken unausgesprochen; aber er war auch so unmißverständlich.
Imi Bej lächelte hintergründig.
»Ich habe schon ähnliches gedacht; aber leider sind wir noch nicht die Herren des Landes. Und noch herrschen die Gesetze der Portugiesen. Es käme fast einem Verbrechen gleich, den Fremden mit dem Schatz aus Sansibar entkommen zu lassen; aber — hm — die Enteignung würde nicht ohne Aufsehen vor sich gehen. Und, wie die Lage zur Zeit steht, kann ich es mir nicht leisten, Aufsehen zu erregen.«
»Du hast recht. Dem Imam würde damit ein schlechter Dienst erwiesen werden.«
»Ich werde es natürlich trotzdem versuchen, wenn auch sehr — sehr vorsichtig.«
»Und du meinst«, fuhr Harun ál Walan fort, »daß du am »Berg der bösen Geister« noch weitere Schätze dieser Art finden würdest?«
»Ich bin davon überzeugt; denn ich glaube nicht, daß der Fremde die Möglichkeit hatte, alles wegzuschleppen.«
»Hm — du solltest es wirklich versuchen. Unser Herr, der heilige Imam, wird für den Zeitpunkt, da Sansibar endgültig in unseren Besitz gelangt ist, einen tüchtigen Statthalter brauchen. Ich werde nicht vergessen, ihn auf dich aufmerksam zu machen.«
»Ich danke dir, Harun ál Walan, und ich werde nicht versäumen, dich zu gegebener Zeit an dein Versprechen zu erinnern.«
60
Paulus Krämer war Vollmatrose auf der »Delphin«. Er stammte aus Neukölln, hatte aber nicht viel von der Pfiffigkeit eines Berliners an sich. Trotz seiner Größe und Körperkraft war er kein Held. Seine Kameraden machten sich oft einen Spaß daraus, ihn durch Gruselgeschichten zum Fürchten zu bringen. Er war an Bord derjenige, auf den sich aller Spott entlud. Und weil Menschen, besonders wenn sie lange auf See sind, also eine zwangsläufige Gemeinschaft bilden, immer jemanden brauchen, an dem sie ihr Mütchen kühlen können, so war ihnen Paulus Krämer nicht unwillkommen.
Der starke Matrose war damit beschäftigt, die Planken des Decks zu schrubben. Eigentlich war er heute gar nicht an der Reihe; aber einer seiner Kameraden hatte es verstanden, ihn zur Übernahme dieser wenig beliebten Arbeit zu überreden.