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Die aufeinander zulaufenden Schlachtlinien schienen sich rasch zu bewegen, obwohl Joberts Geschwader noch rund drei Meilen entfernt war.
Keen starrte hinüber.»Er hat die Segel noch nicht gekürzt, Sir.»
Bolitho wäre gern in die Wanten geklettert, um nachzusehen, was beim Geleitzug vorging. Das Feuer dort war heftiger geworden, und Benbow, die mit je einem Zweidecker an Backbord und Steuerbord im Gefecht lag, hatte sich in Rauch gehüllt. Keine angenehme Lage, da die Geschützbedienungen wie die Teufel schuften mußten und nur wenige Männer für Reparaturen und den Abtransport der Verwundeten übrigblieben.
Das schärfere Knallen kleinerer Geschütze verriet ihm, daß Adams Firefly alle Vorsicht in den Wind geschlagen und sich dicht an die beiden großen Franzosen herangewagt hatte. Adam wußte, daß die Benbow Herricks Flagge führte.
Bolitho fiel wieder Keens Bemerkung ein. Jobert hatte auch noch keine Signale gesetzt; seine Mannschaften waren offenbar auf diesen Augenblick gründlich vorbereitet worden.
Ohne das Fernrohr abzusetzen, fragte Keen:»Soll ich Segel kürzen, Sir?»
«Ja, nehmen Sie die Untersegel weg. Andernfalls überholen wir Jobert, ehe wir einige seiner Schiffe kampfunfähig schießen können.»
«Barracouta greift die Fregatten an!«rief Paget erregt.»Mein Gott, bei einer kreuzt sie gerade das Heck!»
Lapish hatte seine Tarnung geschickt eingesetzt. Während die beiden Französinnen in Kiellinie geblieben waren, hatte er vorm Wind schnell auf sie zugehalten. Seine Steuerbordbatterie beharkte den Feind, als er so dicht das Heck des ersten Schiffes kreuzte, daß es aussah, als wären sie kollidiert. Rauch und Feuer quollen aus dem Achterschiff des Franzosen, und jemand auf Argonaute jubelte wild, als seine Großbramstenge mit einem Wirrwarr aus Tauwerk und gebrochenen Spieren über Bord ging. Lapish erhielt so die seltene Chance zu einer zweiten Breitseite. Dann drehte Barracouta ab und wendete, um auf die französische Schlachtlinie zuzuhalten.
Selbst einige von Keens Matrosen, die mit dem Aufgeien von Breitfock und Großsegel beschäftigt waren, hielten bei der Arbeit inne, um ihrer einzigen Fregatte nachzusehen, wie sie einen Haken schlug, ehe das zweite feindliche Schiff ihr folgen konnte. Ihre beiden Breitseiten hatten die erste Fregatte ausgeschaltet.
Bolitho zwang sich, Joberts Flaggschiff im Auge zu behalten. Wie seine Begleiter war es schwarz-weiß gestrichen; seine Stückpforten bildeten mit der Bordwand ein Karomuster.
«Er hat vor, uns zu überholen, Sir«, sagte Keen.
Bolitho schwieg. Leopards Bugspriet schien direkt auf ihren zu weisen.
«Ah, nun kürzen sie Segel. «Keen schien erleichtert, denn falls Jobert ihre Schlachtlinie durchbrach, konnte er über den Geleitzug herfallen, während Keen beim Wenden wertvolle Zeit verlor. Das Kürzen der Segel bedeutete, daß es doch noch zu einem Treffen der beiden Rivalen kommen mußte.
Die Distanz betrug nur noch knapp zwei Meilen.
«Achtung, Steuerbordbatterien!«Keen, der vor Konzentration schmale Augen machte, hob seinen Degen.
Bolitho hörte, wie der Befehl an das untere Batteriedeck weitergegeben wurde, und dachte an die Männer dort, deren Gesichter er inzwischen kannte.
«Wir müssen versuchen, seine Linie zu durchbrechen«, sagte er.»Passieren Sie achteraus von Jobert und lassen Sie Montresor und Houston es mit den anderen aufnehmen. Wir kämpfen Schiff gegen Schiff, Breitseite für Breitseite.»
Er sah die Mündungsblitze wie Dolche vorzucken, als Joberts Dreidecker seine erste langsame Breitseite abgab. Die See kochte unterm Einschlag der schweren Kugeln, von denen einige kreischend ihre Takelage zerfetzten und ein halbes Dutzend Segel durchlöcherten. Vom Bootsmann dirigiert, enterten Männer auf, um die ärgsten Schäden zu beheben.
Nur noch knapp eine Meile. Weitere Geschosse fegten krachend durchs Rigg, und zwei davon trafen den Rumpf wie Rammböcke. Bolitho wischte sich die Augen, denn eine Fallbö ließ Rauch übers Achterdeck wirbeln.
«Signal an Rapid: Sie soll Benbow unterstützen. «An Quar-rells Chancen dabei wollte Bolitho gar nicht erst denken, doch das Manöver würde Herrick und Adam Mut machen. Er hoffte zu Gott, daß er noch unversehrt war.
«Der Kerl setzt wieder die Bramsegel!«schrie Paget.
Bolitho sah die Toppgasten der Leopard auf den Rahen ausschwärmen, als Ruder gelegt wurde und Joberts Schiff wendete, als wolle es die Konfrontation doch noch meiden.
Sowie Leopard dabei ihre Breitseite präsentierte, feuerte sie. Es klang wie eine einzige gewaltige Salve, und viele Kugeln fanden ihr Ziel. Bolitho mußte sich an der Reling festhalten, als Argonaute unter den Einschlägen erbebte. Holzsplitter wirbelten durch die Luft, und die Besatzung der Steuerbordkarronade wurde in blutige Fetzen gerissen.
Keen senkte die blitzende Klinge.»Feuer!»
Die Stückführer rissen an ihren Abzugsleinen; jetzt holte Argonaute unter dem Rückstoß ihrer doppelten Breitseite über. Das untere Geschützdeck, ihre Hauptbatterie, reagierte allerdings nur lückenhaft; dort mußten einige Besatzungen von der Wucht der feindlichen Breitseite ausgeschaltet worden sein.
Einige Segel der Leopard plusterten sich getroffen auf, der Wind griff in ihr durchlöchertes Vorbramsegel und zerriß es. Doch der Dreidecker verlor nicht an Fahrt.
Dispatch griff den zweiten Franzosen an, und Bolitho konnte Icarus aus Maximalreichweite auf den letzten Zweidecker feuern hören. Als er an die Netze eilte, starrten ihn die Crews der Neunpfünder wild an; sie atmeten so schwer, als hätten sie einen harten Lauf hinter sich.
Bolitho beobachtete, wie seine beiden Schiffe an den Feind herangingen. Icarus lag fast ganz hinter rollendem Pulverdampf verborgen. Er schrie Keen zu:»Verfolgen Sie Jobert!«Schmerzlich verzog er das Gesicht, als weitere Kanonenkugeln in den Rumpf schlugen und ein Mann umge — rissen wurde.
«Ruder in Luv!«rief Keen.»Los, ran an Leopard!»
Fallowfield funkelte ihn wütend an, aber er gab seinen Rudergängern, die am großen Rad hingen wie an einer letzten Zuflucht, das entsprechende Zeichen.
Kleine Blitze zuckten in den Marsen der Leopard auf, und mehrere Musketenkugeln klatschten kraftlos in die Hängematten, ohne Schaden anzurichten. Die Seesoldaten hockten hinter dieser schwachen Deckung und warteten auf die richtige Distanz; manche starrten Hauptmann Bouteiller an, als wollten sie ihn durch Willenskraft dazu bewegen, den Schießbefehl zu geben.
«Breitfock setzen!«rief Keen.
Die Männer hatten schon bereitgestanden. Das mächtige Segel blähte sich an seiner Rah und versperrte ihnen den Blick auf den Gegner wie ein riesiger Vorhang.
Weitere Schüsse jaulten über Achterdeck und Poop.»Bleib in meiner Nähe, Junge«, flüsterte Allday.»Sie sind zwar noch nicht ganz in Reichweite aber…»
Stayt zog seine Pistole und starrte sie an, als sähe er sie zum ersten Mal. Die Luft war voller Lärm; Stückmeister brüllten und gestikulierten mit ihren Besatzungen, die mit Handspaken die rauchenden Rohre auf den Feind ausrichteten. Oben in der Takelage gellten die Rufe der Seeleute, die sich vergeblich bemühten, zerfetzte Segel und gebrochenes Tauwerk zu bändigen. Hin und wieder wippten die über den Seitendecks ausgespannten Schutznetze, wenn Riggteile von oben kamen. Ein Wunder, dachte Bolitho, daß nicht noch mehr Schaden entstanden ist.
Er hörte es zweimal laut und hallend krachen und wußte, daß Rapid die ausgeborgten Zweiunddreißigpfünder einsetzte. Sie würden den französischen Schiffen zu schaffen machen, mochten sogar eines von Herrick weglocken, der von zwei Seiten beschossen wurde.
Er sah eine Fregatte zurückfallen. Ihr Fockmast hing über Bord, zwischen den Trümmern wimmelten Männer umher, um ihn zu kappen. Der Jubel auf Argonaute brach abrupt und wie auf Kommando hin ab: Es war Barracouta.
Bolitho sah sie krängen, als wieder eine Breitseite in sie einschlug und erneut Spieren und Tauwerk auf ihr Deck stürzen ließ.
«Pech«, murmelte Keen.»Aber er hat wenigstens einen außer Gefecht gesetzt. «Er rannte an die Reling, als Joberts Schiff wieder feuerte. Mehrere Kugeln heulten knapp über die Masten hinweg.
Stayt murmelte:»Wir können ihn einfach nicht stellen. «Die Worte kamen von seinen Lippen, als spüre er jeden einzelnen Treffer.»Wir müssen näher ran!»
«Kapitän Keen!«rief Bolitho.»Halten Sie auf den Geleitzug zu!«Plötzlich hatte er begriffen, daß Jobert beabsichtigte, die Handelsschiffe wie geplant zu kapern und die Ausschaltung von Bolithos Geschwader seinen Kommandanten zu überlassen.
Aus dem Hauptdeck der Dispatch sprühte ein gewaltiger Funkenregen; längsseits klatschten Trümmer ins Meer. Erst glaubte Bolitho, ihr Pulvermagazin sei in die Luft geflogen, doch es mußte eine Pulverladung gewesen sein, die detoniert war, bevor sie fertiggestopft werden konnte. Als Dis-patchs Gegner von ihr abtrieb, stellte Bolitho fest, daß auch er übel zugerichtet war; Dispatch wendete bereits langsam und feuerte immer wieder aus dem unteren Batteriedeck. Auf dem oberen Batteriedeck waren offenbar viele Crews von der Explosion niedergemäht worden. Auch Icarus' Segel wiesen Löcher auf, einige ihrer Geschütze schienen unbemannt oder umgestürzt zu sein.
Mit hart gelegtem Ruder folgte Argonautes Bugspriet Joberts Schiff, als wolle er es aufspießen. Die keilförmige Wasserfläche zwischen ihnen wurde immer wieder von Gischtfontänen aufgewühlt, viele gefolgt von dem schrecklich dumpfen Krachen eines Rumpftreffers.
«Wir sind allein!«stellte Stayt fest.
Bolitho schaute ihn an, denn das klang so ruhig, so gelassen. Ein Mann ohne Nerven oder einer, der sich bereits mit dem Unvermeidlichen abgefunden hatte.
«Backbordbatterie!«Keens Degen blitzte in der Sonne.»Feuer!»
Wilde Hochrufe erklangen, als Leopards Segel sich aufbäumten und rissen, als Rauchwolken an ihrer hohen Bordwand von Treffern kündeten. Keens harter Geschützdrill machte sich nun bezahlt.
Stayt duckte sich, als Musketenkugeln über die Netze pfiffen und zwei Seeleute an Deck schleuderten. Der Tote wurde über Bord geworfen, den anderen schleppte man zum nächsten Niedergang und hinunter zu Tuson.
Bolitho schauderte. Dort unten spielten sich die schlimmsten Szenen des Gefechts ab. Stayt hustete. Als Bolitho zu ihm hinsah, brach er sehr langsam in die Knie. Sein dunkles Gesicht sah äußerst konzentriert aus.
Midshipman Sheaffe eilte zu Hilfe und legte Stayt den Arm um die Schultern.
«Schaffen Sie ihn nach unten«, befahl Bolitho.
Stayt schaute zu ihm auf, schien aber nicht klar zu sehen. Er hatte eine Hand auf den Magen gepreßt, und zwischen den Fingern quoll bereits Blut hervor.
«Nein!«Verzweifelt starrte er Bolitho an. »Hören Sie mich an!»
Bolitho kniete sich neben ihn. Seine Ohren dröhnten vom Krachen der Kanonen. Die Masten der Leopard waren nun nicht mehr weit entfernt; sie ragten riesig und bedrohlich über ihnen auf, als die beiden Schiffe sich einander unaufhaltsam näherten.
«Ja?«Er wußte, daß Stayt im Sterben lag. Überall fielen Männer; einer der Rudergänger schleppte sich in den Schatten der Poop und ließ eine große Blutlache am Rad zurück.
«Es war mein Vater. Ich wollte sagen. «Er hustete, Blut rann ihm aus dem Mund.»Ich schrieb ihm von dem Mädchen. Hätte nie geahnt, daß er. «Er verdrehte die Augen und stieß hervor:»Guter Gott, hilf mir!»
«Ich halte ihn, Sir«, sagte Sheaffe.
Sheaffes Stimme schien Stayt übermenschliche Kräfte zu verleihen. Er wandte den Blick dem Midshipman zu und begann verzerrt zu grinsen. Es sah entsetzlich aus.»Admiral Sheaffe war's. Er ist nämlich mit meinem Vater befreundet.»
Er kniff die Augen zu, als erneut Kugeln übers Deck pflügten. Dann fuhr er, zu Bolitho gewandt, fort:»Er hat Sie schon immer gehaßt, Sir. Ich dachte, Sie wüßten das.
Unsere Väter alle zusammen…«Er bemühte sich, deutlich zu artikulieren, hatte aber zuviel Blut im Mund. Es drohte ihn zu ersticken.»Ihrer, meiner und der des Jungen hier. «Wieder hustete er, und diesmal floß das Blut in Strömen.
Sheaffe legte ihn an Deck. Als er aufblickte, war sein Gesicht steinern. Dann hob er die mit Silber beschlagene Pistole auf und schob sie sich unter den Gürtel.
Keen hastete herbei und schrie:»Wir sind fast dran!»
Das Deck bäumte sich auf, Splitter sirrten wie Hornissen, schleuderten Männer beiseite oder verletzten sie so schwer, daß sie hilflos liegenblieben. Keen sah auf Stayts Leiche nieder und fluchte.»Verdammt!»
Bolitho erhob sich, stützte sich auf die Schulter eines Seesoldaten und kletterte auf die Finknetze, um das gegnerische Schiff besser zu sehen. Überall tobte die Schlacht, Trümmer und zerbrochene Spieren trieben querab, und hier und dort schwamm eine einsame Leiche.
Er sah Joberts Admiralsflagge über dem schwarz-weißen Schiff auswehen, das Funkeln des Musketenfeuers, wenn Scharfschützen ihre Ziele gefunden hatten. Der Schuß, der Stayt getötet hatte, war vermutlich für ihn bestimmt gewesen.
Er wandte dem schwarz-weißen Schiff den Rücken und sprang hinab. Was er hier trieb, war Wahnsinn, und er rechnete jeden Augenblick mit einem Einschlag zwischen den Schulterblättern. Mit seinen Epauletten gab er ein vorzügliches Ziel ab.
«Ziele gut, mein Junge, aber heb den Admiral für mich auf, klar?«Er klopfte dem Seesoldaten auf die verkrampfte Schulter.
Der Mann grinste breit.»Zwei hab' ich schon erwischt, Sir!«rief er.
Der Rumpf zitterte, als weitere Kugeln ihn trafen wie gigantische Hammerschläge. Ein Achtzehnpfünder wurde angehoben und auf seine Bedienungsmannschaft geworfen. Der Lauf mußte glühend heiß gewesen sein, doch die Männer, deren Schreie vom Bombardement übertönt wurden, starben rasch. Das Vorbramsegel flatterte in einzelnen Fetzen davon; die Großbramstenge wankte plötzlich, neigte sich und stürzte dann an Deck wie ein Baumriese.
Bolitho starrte mit brennenden Augen in den Rauch. Sie mußten längsseits gehen! Durch eine jähe Lücke im Rauch erkannte er, wie nahe sie schon dem Geleitzug waren. Er sah Benbow, deren Flagge noch wehte, die aber ihren Besanmast verloren hatte, pausenlos auf das ihr nächstliegende Schiff feuern.
Sein Fuß berührte Stayts ausgestreckten Arm. Er schaute auf den toten Leutnant hinab, der ihm in seinen letzten Minuten so viele Fragen beantwortet hatte. Doch Neid und Haß kamen ihm nun kleinlich und bedeutungslos vor.
Er sah Keen an.»Wir haben den Windvorteil. Nutzen Sie ihn. «Sein Ton wurde härter.»Rammen Sie den Gegner!«Dann zog er den Degen und hörte Allday sein Entermesser ziehen.
«Jetzt! Hartruder!»
Keen wandte sich ab. Es war sinnlos, noch Einspruch zu erheben. Die Besatzung des Dreideckers würde sie übermannen, sie hatten keine Chance. Aber ihre Lage war von Anfang an aussichtslos gewesen.
«An die Brassen!«schrie er.»Ruder in Luv, Mr. Fallowfield!»
Doch der Gehilfe des Sailing Masters hatte das Kommando übernommen. Fallowfield lag mit einem Ohr an Deck tot neben dem Ruderrad, als lausche er den Schiffsgeräuschen.
«Mr. Paget! Klar zum Rammstoß!»
Paget schaute ihn kurz an und rannte dann mit gezogenem Degen nach vorn zur Back. Die Argonaute wandte sich schwerfällig ihrer Gegnerin zu. Ihr Klüverbaum stach zu wie eine Lanze, doch ihre Segel waren so zerrissen und durchlö — chert, daß der triumphierende Wind, ein grausamer Zuschauer, ihr kaum noch Fahrt verlieh.
Dispatch war an einem anderen Schiff längsseits gegangen und feuerte noch immer, obwohl ihre Kanonen bereits knirschend gegen die des Feindes mahlten.
Jobert hatte Bolithos Absicht erkannt, konnte ihn aber nicht mehr an seinem Vorhaben hindern. Da er in Richtung Geleitzug gewendet hatte, hatte er den Wind querein. Weder konnte er sich der Argonaute zuwenden noch vor dem Wind ablaufen, ohne sein Heck einer mörderischen Breitseite auszusetzen.
Joberts Geschützmannschaften versuchten bereits, die Rohre auf das langsame Schiff mit der großen Gefechtsflagge am Fockmast zu richten. Französische Seeleute hasteten zum Schanzkleid und schossen auf Argonaute; einige fielen oder stürzten über Bord, als Bouteillers Scharfschützen sie unter Feuer nahmen. Irgendwo krachte eine Drehbasse, und Bolitho sah einen seiner Rotröcke fallen. Es war Leutnant Orde, der mit dem Säbel in der Hand auf dem Rücken liegenblieb und blicklos gen Himmel starrte.
Keen packte die Reling, als der einst so fern und unnahbare Dreidecker hoch über ihm aufragte. Von oben wurde geschossen, daß die Planken unter seinen Füßen vibrierten. Eine Kugel traf Stayts Leiche und ließ sie zusammenzucken, als hätte der Mann sich nur totgestellt. Die Franzosen eilten auf die Stelle des Zusammenpralls zu, und ihre Schreie und Verwünschungen klangen wie ein gewaltiger Chor, der selbst den Schlachtenlärm übertönte.
Keen wandte sich um, als Bolitho ihn am Ärmel berührte.»Sind die Backbordgeschütze feuerbereit?»
Keen bejahte. Der Klüverbaum schob sich langsam durch die Fockwanten der Leopard. Die Bewegung wirkte sanft, doch Keen wußte, daß die ganze Masse seines Schiffes dahintersteckte. Er gab dem Leutnant an der Backbordbatterie mit dem Degen ein Zeichen. Die Sekunden dehnten sich wie Stunden, Keen hörte noch einmal den vielstimmigen Chor, und dann verschwand der Wasserkeil zwischen den Rümpfen unter einem Chaos aus Feuer und Rauch. Brennende Pfropfen flogen auf die zerrissenen Segel zu, und der Einschlag des Eisens in den Rumpf des Gegners klang wie ein Donnerschlag.
Die meisten französischen Matrosen und Seesoldaten waren vom Schanzkleid verschwunden. Die Bordwand der Leopard schimmerte unter den Speigatten hellrot, als sei das Schiff selbst am Verbluten.
Wie in einem letzten Aufbäumen stießen die beiden Schiffe knirschend zusammen, Wanten und Spieren verhakten sich ineinander, und Kanonen, Männer und Wind verstummten so plötzlich, als sei das Ende der Welt gekommen.
Bolitho wurde von den Seesoldaten, die mit blitzenden Bajonetten zur Back stürmten, beinahe umgeworfen. Die Schiffe prallten noch einmal heftig gegeneinander, und durch das baumelnde Gewirr von Tauwerk und angekohlten Segelfetzen sah Bolitho das Mündungsfeuer der Musketen und blitzenden Stahl.
Von hoch oben überm Rauch feuerten die Scharfschützen weiter. Phipps, der Fünfte Offizier, griff sich ins Gesicht, als eine Kugel ihm die Stirn zertrümmerte. Er war Midshipman auf der Achates gewesen. Nur ein Lidschlag, und es gab ihn nicht mehr.
Die beiden Schiffe trieben langsam und schwerfällig vom Geleitzug weg. Nun hatte Herrick eine Chance, die aber nicht besonders groß war, es sei denn… Bolitho sah, wie mehrere Matrosen von einer Drehbasse niedergemäht wurden.
«Nehmen Sie das Schiff, Val! Geben Sie's nicht mehr frei!»
schrie Bolitho. Er merkte, daß Keen die Konsequenzen begriff, und fügte hinzu:»Ohne Rücksicht auf Verluste!«Dann hastete er mit dem Säbel in der Hand das SteuerbordSeitendeck entlang, gefolgt von Allday und Bankart. Er fand noch Zeit, sich zu fragen, warum Bankart sich nicht unter Deck verkrochen hatte.
«Mein Gott, sie sind schon an Bord!«rief Allday heiser.
Bolitho rief Page am Fockmast zu:»Räumen Sie das untere Batteriedeck! Alle Mann an Deck!»
Dann fand er sich am Steuerbord-Kranbalken wieder und sah diese Stelle bereits mit Leichen übersät. Matrosen und Seesoldaten, Freunde und Feinde, suchten auf dem Bugspriet nach Halt oder rutschten an Stagen und Leinen herunter, um aufeinander loszugehen. Sie stießen mit Bajonetten zu; andere hieben mit allem, was sie finden konnten, mit Pieken, Äxten und Entermessern, auf die Franzosen ein; ein Kanonier schwang gar einen Ladestock wie eine Keule, bis er von einer Musketenkugel getroffen wurde und zwischen die knirschenden Rümpfe stürzte.
Vom Achterdeck aus sah Keen verzagt immer mehr feindliche Uniformen aus dem Rauch auftauchen, einige sogar schon auf dem Backbord-Seitendeck. Er fuhr herum, als Hogg, sein Bootsführer, an Deck stürzte und hilfesuchend eine Hand ausstreckte, ehe das Licht in seinen Augen verlosch.
Sie starben alle, und nur wegen zweier Schiffe voll verdammtem Gold.
Er brüllte:»Eröffnen Sie das Feuer mit den Neunpfün-dern, Mr. Valancey! Zielen Sie auf die Poop!»
Da — schwache Hochrufe! Mehr Männer schwärmten vom unteren Batteriedeck aus, angeführt von Leutnant Chaytor mit gezücktem Degen.
Die Neunpfünder ruckten an ihren Taljen binnenbords und feuerten Kartätschen in den Bauch. Keen sah einen Matrosen auf sich zurennen und stellte verdutzt fest, daß es sich um einen Feind handelte, einen einsamen Seemann, der vom Rest der Entermannschaft abgeschnitten worden war.
Keen sprang auf ihn los, obwohl er den Fremden nur wie durch einen Schleier von Schmerz und Wut sah. Hogg war tot, und Bolitho würde bei der Führung des Gegenangriffs bald fallen oder gefangen werden.
Der französische Matrose zielte mit einer Pistole auf Keen, aber der Hammer klickte leer. Er starrte die nutzlose Waffe wild an, warf sie weg und hob dann das Entermesser.
Er war jung und leichtfüßig, rechnete aber nicht mit Keens Geschick. Dieser parierte die schwere Klinge, während die Wucht des eigenen Schlages den Angreifer an ihm vorbeitaumeln ließ. So konnte Keen ihm ins Genick hacken, und als er schreiend stürzte, hieb er noch einmal zu.
Als er sich abwandte, fiel sein Blick aufs Vorschiff. Dort spielte sich die gräßlichste Szene von allen ab.
Der verwundete Kapitän Inch, nackt bis auf die Breches, eilte zum Backbord-Schanzkleid, und sein blutiger Armstumpf zuckte, als er mit der anderen Hand den Degen schwang und schrie:»Haltet stand, Männer der Helicon!«Mühsam rang er sich die Worte ab, der Wundschmerz ließ sie gepreßt klingen. Doch seine Stimme hob sich über das Klirren der Waffen und die Schreie der Sterbenden:»Zu mir, Jungs! Verjagt die Enterer von unserer Helicon!»
Keen wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen.
«Mein Gott, er glaubt, wieder auf seinem eigenen Schiff zu sein!»
Lange konnte es nicht mehr dauern. Die dichtgedrängte, trampelnde Masse der Verteidiger wurde zurückgedrängt, französische Enterer kämpfen schon zwischen den Leichen auf dem Hauptdeck.
Ein unbewaffneter Midshipman hielt sich die Ohren zu und rannte wie von Sinnen auf einen Niedergang zu.
Das war Hext, sah Keen, einer der Jüngsten an Bord. Als er das Luk erreichte, glitt er in einer Blutlache aus und fiel platt hin. Ein großer Franzose sprang mit langen Sätzen auf ihn los und schwang schon das Entermesser. Der Junge drehte sich auf den Rücken und starrte ihn an. Er wehrte sich weder, noch flehte er um Gnade; er lag einfach da und wartete auf den Tod.
Doch Inch war zur Stelle, stieß dem Matrosen die Klinge in die Rippen und riß ihn herum, wobei das Gewicht des Mannes ihm den Degen entwand. Der Seemann fiel neben Hext hin, und seine nackten Füße trommelten auf die Planken.
Keen sah eine Pike aus dem Rauch vorstoßen. Sie traf Inch im Rücken. Als er in die Knie brach, wurde die Pike herausgezogen und noch einmal in ihn hineingetrieben.
Auch Bolitho wurde Zeuge, wie Inch fiel. Über die wankenden, erschöpften Gestalten hob er den Blick zu Keen, der ihn anschaute. Einen Augenblick schien die Schlacht zu verstummen. Dann drängte sich das Gebrüll wieder dazwischen. Bolitho fuhr herum und fand sich einem französischen Leutnant gegenüber.
Grimmig hieb er die Klinge des jungen Offiziers beiseite, packte ihn dann am Rockaufschlag und rammte ihm den Handschutz gegen den Unterkiefer. Der Leutnant torkelte zur Seite und schrie vor Entsetzen auf, als Alldays breites Entermesser herabzuckte wie ein Schatten vor der Sonne.
Allday riß die Klinge aus dem Sterbenden und keuchte:»Wir können sie nicht aufhalten!»
Bolitho sah seine Männer zurückweichen; sie selbst waren hier vorn abgeschnitten, denn auf beiden Seitendecks kämpften schon Franzosen.
«Haltet aus, Leute!«schrie Bolitho. Ein Matrose fiel auf die Knie und versuchte, eine blitzende Klinge von sich abzuwehren. Dann sah er seine abgehackte Hand neben sich an Deck fallen und schrie auf. Bolitho machte einen Ausfall über den Verwundeten hinweg und spürte zunächst Widerstand, doch dann glitt die Spitze seiner Waffe an dem Kreuz-bandelier des Franzosen ab und in seine Brust.
Er drehte sich um, wollte Matrosen und Seesoldaten um sich sammeln, sah dann aber einen riesigen Schatten über die Rauchwolken ragen.
«Es geht längsseits!«krächzte Allday.»Noch so ein verdammtes Schiff!»
Einer der französischen Zweidecker mußte sich freigekämpft haben und seinem Admiral zu Hilfe gekommen sein.
Wilder Jubel klang auf. Bolitho sah, daß der Neuankömmling den Besanmast verloren hatte. In seiner Bordwand brüllten die Geschütze auf, und die Wucht ihres Rückstoßes übertrug sich bis aufs Deck der Argonaute.
Es war unglaublich, ein Traum! Aber die strenge Galions-figur mit Brustpanzer und vorgerecktem Schwert ließ keinen Zweifel mehr zu: Das war die Admiral Benbow!
Unter Hochrufen und Geschrei stürmten Herricks Seesoldaten und Matrosen, die den Kampf um den Geleitzug offenbar gewonnen hatten, herüber wie eine Flutwelle.
Jäh wurde Bolitho von der neugewonnenen Kraft der Argonauten vorangetragen und fiel beinahe ins strudelnde Wasser, als zwei Seeleute ihn grob packten und über die Reling auf den Bugspriet hoben. Die Franzosen, von Ben-bows Männern und Keens Besatzung in die Zange genommen, zogen sich bereits auf ihr eigenes Schiff zurück, waren aber dem Feind gegenüber, der tiefer als sie stand, noch im Vorteil.
Bolitho hörte Bouteiller brüllen:»Seesoldaten, legt an!«Die Männer in den roten Röcken mochten benommen und wie von Sinnen sein, aber die vertraute Disziplin war stärker als alles. Sie standen oder knieten auf dem gegenüberliegenden Seitendeck und hoben die Musketen wie ein Mann. Einer sank tot aus dem Glied, doch niemand zuckte mit der Wimper. Die Vergeltung kam später. »Feuer!«brüllte Bouteiller.
Die Salve fegte in die dichtgedrängten Enterer. Ehe sich die Überlebenden von den Toten befreit hatten, griffen die Seesoldaten schon kreischend wie Dämonen mit aufgepflanzten Bajonetten an.
Bolitho suchte auf dem breiten Bugspriet mit den Beinen Halt und starrte ungläubig auf das Deck unter sich, die Back der Leopard. Den Degen mit einer Schlinge am Handgelenk, ließ er sich hinunter.
Jenseits des Rauchvorhangs wurde weiter gefeuert. Ob da Schiffe noch im Nahkampflagen oder schon auf das Flaggschiff des französischen Konteradmirals zuhielten, konnte Bolitho nicht beurteilen. Ein Flaggschiff sollte führen. Nun aber war es zu einem Leuchtfeuer geworden, das in ein Schlachthaus lockte. Um ihn herum fochten und starben Männer; er hatte Zeitgefühl und Orientierung verloren. Manchmal drängten sich Leiber an ihn, dann erkannte er vertraute Gesichter. Jemand rief sogar:»Da ist der Admiral, Jungs!«Ein anderer brüllte:»Bleib bei uns, Dick!»
Es war wild, furchteinflößend, doch auch berauschend wie schwerer Wein. Bolitho kreuzte die Klingen mit einem französischen Leutnant und entwaffnete ihn zu seinem Erstaunen mit Leichtigkeit. Er hätte es dabei bewenden lassen, doch ein Seesoldat blieb stehen und starrte den furchtsam zurückweichenden Offizier finster an.»Das ist für Kapitän Inch!«rief er. Sein Stoß warf den Leutnant gegen die Reling, und aus seinem Rücken ragte rot die Spitze des Bajonetts.
Bolitho fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Es war unerträglich heiß, und der Schweiß blendete ihn.
Dann stand er auf den vernarbten Planken des breiten Achterdecks, die Keens Kartätschen zerfurcht hatten. Am unbemannten Ruder lagen Leichen. Doch andere Franzosen stellten sich noch der Welle der Enterer entgegen.
Ein Matrose unterlief ein Bajonett und sprang auf Allday zu. Der starrte den Franzosen an und holte weit mit dem Entermesser aus. Dabei hätte er fast gelacht, denn sein Angreifer schien es ihm so leicht zu machen.
Doch als er die Klinge hob, schrie er plötzlich auf. Der Schmerz der alten Wunde brannte wieder in seiner Brust, machte ihn hilflos und bewegungsunfähig.
Bolitho war durch eine Kanone von Allday getrennt, stürzte aber mit ausgestreckter Klinge auf ihn zu.
Doch Bankart, nur mit einem Belegnagel bewaffnet, sprang zwischen die Kämpfer.
«Weg!«kreischte er.»Rühr ihn bloß nicht an!«Er warf sich schützend vor seinen Vater und schluchzte vor Zorn und Angst auf, als der Franzose vorsprang, um sie beide zu töten.
Bolitho spürte den Luftzug einer Kugel im Gesicht. Den Schuß hatte er nicht gehört. Er sah den Franzosen rücklings aufs Deck stürzen. Sein Entermesser landete klirrend zwischen den Füßen der Menge.
Dann fiel Bolithos Blick auf Midshipman Sheaffe, der blaß dastand, in einer Hand Stayts rauchende Pistole und in der anderen seinen zierlichen Seitendolch.
Doch dann vergaß er ihn und die Tatsache, daß Alldays Sohn in dem Augenblick, als sein Vater in Gefahr schwebte, zu sich selbst und einen Mut gefunden hatte, den er sich nie zugetraut hätte.
Denn Bolitho hatte Jobert an der Leiter zum Poopdeck entdeckt. Er brüllte seinen Offizieren Befehle zu, die in dem Getöse unverständlich blieben.
Leutnant Paget, dessen Rock von der Schulter bis zur Taille aufgeschlitzt war und der aus Splitterwunden im Gesicht blutete, winkte seine Männer mit dem triefenden Degen heran.
«Los, auf ihn! Stecht den Kerl nieder!«schrie Paget.
Bolitho taumelte auf Jobert zu und schlug mit der flachen Klinge die angelegte Muskete eines Seesoldaten beiseite. Hinter ihm atmete Allday schwer.
«Streichen Sie endlich die Flagge, verdammt noch mal!«schrie Bolitho.
Jobert starrte ihn entsetzt an. Dann schaute er an Bolitho vorbei und begriff, daß er nur wegen dieses Mannes noch am Leben war. Wilde Hochrufe erklangen, und jemand rief:»Sie streichen die Flagge, Kameraden! Wir haben sie geschlagen!»
Überall begannen die eingekreisten Franzosen ihre Waffen von sich zu werfen. Aber nicht so Jobert. Fast verächtlich zog er den Degen, riß sich den Hut vom Kopf und warf ihn auf die Planken.
«Überlassen Sie ihn mir, Sir Richard!«keuchte Paget.
Bolitho warf ihm einen raschen Blick zu. Paget, der Mann, der bei Camperdown gegen eine Übermacht gekämpft und dabei kühlen Kopf bewahrt hatte, war nun kein überlegener Erster Offizier mehr. Er hatte nur eins im Sinn: Jobert zu töten.
«Zurück!«befahl Bolitho. Er hob seinen Degen und spürte die Anspannung in Handgelenk und Unterarm.
Es kam also doch zu einem Zweikampf.
Bis auf das Stöhnen und Schreien der Verwundeten herrschte Stille. Selbst der Wind hatte sich gelegt. Joberts Flagge hob sich nur schlaff im Takt mit der britischen Natio — nale auf Argonaute, deren Klüverbaum noch immer Leo-pards Fockwanten durchbohrte.
Die Klingen umzüngelten einander wie argwöhnische Schlangen.
Bolitho sah in Joberts Gesicht, dunkelhäutig wie das Stayts, und verstand. Er war schon einmal in Kriegsgefangenschaft geraten und hatte dabei sein Flaggschiff verloren — das nun zurückgekehrt war, um diese Schande zu wiederholen. Das Unvorstellbare war eingetroffen, und der Mann, der ihm nun gegenüberstand, war für die Katastrophe verantwortlich. Es war seine einzige Chance, sich zu revanchieren, nach Bolithos Fall einen letzten kurzen Triumph auszukosten, ehe man ihn niederschlug.
Jobert wich zurück, und selbst die englischen Matrosen machten ihm Platz.
«Bitte überlassen Sie ihn mir!«bat Paget verzweifelt. Als er Bolitho über ein Wrackteil stolpern und taumeln sah, flüsterte:»Um Gottes willen, holt Kapitän Keen!«Ein Mann huschte hinüber, doch Paget wußte, daß es zu spät war.
Jobert schlug zu und machte einen Ausfall nach dem anderen. Dann begann er zu kreisen und zwang Bolitho, den Kopf zu wenden und in die Sonne zu starren. War es Einbildung, oder sah er wirklich Triumph in den Augen des französischen Admirals aufblitzen? Kannte der seine Schwäche? Die Klingen klirrten gegeneinander, Stahl zischte, als beide versuchten, das Gleichgewicht zu wahren und die Kraft aufzubringen, den anderen auf Armeslänge Abstand zu halten.
Die Duellanten parierten und trennten sich wieder.
Midshipman Sheaffe schüttelte Allday am Arm.»Setzen Sie dem ein Ende, Mann!»
Allday antwortete, eine Hand auf die brennende Narbe unterm Hemd gepreßt:»Los, holen Sie einen Scharfschützen!»
Bolitho tänzelte vorsichtig über herumliegendes Tauwerk. In seinem Arm pochte der Schmerz, außerdem konnte er Joberts verzerrtes Gesicht kaum noch erkennen. Was habe ich eigentlich noch zu beweisen? Er ist besiegt, erledigt. Das reicht doch…
Joberts Klinge zuckte blitzschnell vor, und als Bolitho zu parieren versuchte, spürte er, wie sie ihm unter der Achselhöhle durch den Rock fuhr. Ein brennender Schmerz, als die Schneide seine Haut ritzte. Er hieb seinen Degengriff auf Joberts Handgelenk, so daß sie nun Brust an Brust wankend miteinander rangen.
Bolitho fühlte, wie die Kraft seinen Arm verließ. Der Schnitt an seinen Rippen schmerzte wie ein Brandeisen. Joberts Atem streifte sein Gesicht, seine finsteren Augen starrten ihn an. Trotzdem schien ein Schleier über allem zu liegen, und selbst Herricks Stimme drang wie von fern zu ihm.
Er hob den Arm, nahm seine letzte Kraft zusammen und stieß Jobert vor die Brust. Jobert taumelte rückwärts gegen eine Kanone und riß in ungläubigem Entsetzen die Augen auf, als Bolithos alter Degen blitzend vorschnellte und ihn ins Herz traf.
Bolitho wäre fast gestürzt, als die Matrosen auf ihn zudrängten, wie von Sinnen jubelnd, manche schluchzend.
Er reichte Allday seinen Degen, versuchte ihm zuzulächeln. Herrick stieß seine Männer beiseite und packte Bo-litho am Arm.
«Mein Gott, Richard, er hätte Sie umbringen können!«Er betrachtete ihn besorgt.»Warum hat ihn denn keiner einfach niedergeschossen?»
Bolitho tastete nach dem Loch in seinem Rock und spürte warme Nässe an den Fingern.
Der Jubel verwirrte ihn, doch die Männer hatten ein Recht, ihren Gefühlen Luft zu machen. Was verstanden sie von Strategie oder der Notwendigkeit, zwei fremde Handelsschiffe zu schützen? Sie kämpften immer nur für sich, für die Kameraden, für ihr Schiff.
Er schaute auf Jobert hinab. Ein Matrose nahm ihm den Degen aus der schlaffen Hand. Joberts dunkle Augen standen halb offen, als sei er noch am Leben, belausche und beobachte seine Feinde.
«Er wollte sterben, Thomas. Verstehen Sie das nicht?«Er drehte sich um, spähte hinüber zu seinem eigenen Schiff und erblickte Keen. Bolitho hob den Arm zu einem müden Salut. Jemand kam mit einem Verband, um die Blutung zu stillen.»Er hatte die Schlacht verloren und wollte wenigstens seinen Stolz retten.»
Bolitho bahnte sich einen Weg durch die geschwärzten und blutenden Männer. Das Ganze kam ihm so unwirklich vor. Er sah auf zum Himmel über den Masten und durchlöcherten Segeln, schaute dann seinen Freund an und fügte leise hinzu:»Auf irgendeine Weise ist Jobert damit doch Sieger geblieben.»
Allday hörte ihn und legte seinem Sohn den Arm um die Schulter.
Der Stolz auf Freund oder Feind bedurfte keiner Worte.