158098.fb2 Ein Grab in Oregon - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 10

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»Das liegt doch auf der Hand, Miß Sommer. Sie wollten sich für den Tod ihres Kameraden rächen. Was haben die Kerle jetzt davon? Noch einen Toten. Wollen wir hoffen, daß ihnen das eine Lehre ist!«

Sie kletterten auf den Wagen, und Irene legte sich auf Jacobs Anweisung flach in den Wagenkasten. Jacob legte den Sharps griffbereit auf seine Knie, als er die Zügel in die Hand nahm. Driscoll hielt den Webley in der Hand.

Sie waren noch nicht weit gekommen, da alarmierte sie das Wiehern eines Pferdes. Als Jacob die Zügel losließ und den Karabiner hochriß, klickte neben seinem Ohr bereits der Hahn des Webleys.

Hufgetrappel näherte sich dem Wagen aus einem kleinen Wald. Aber es war nur ein einziges Pferd. Eines ohne Reiter noch dazu. Driscolls Rappe.

Der Reverend sprang vom Bock und ging langsam auf das Pferd zu.

»Du bist mir ja einer«, sagte er zu dem Tier, während er nach den lose herunterhängenden Zügeln griff. »Ein ganz hübscher Feigling bist du. Erst erschrickst du vor den Schüssen, und dann hältst du dich solange versteckt, bis die Gefahr vorüber ist.«

Und schon saß der Reverend wieder in seinem Sattel.

»Auch Pferde kennen lebenserhaltende Maßnahmen«, meinte Jacob erleichtert und legte den Sharps neben sich auf den Bock.

Sie setzten ihren Weg fort und fanden einen geeigneten Lagerplatz auf einer Lichtung am Ende der Schlucht. Sie verstreuten Reisig im Wald um die Lichtung herum, so daß sie einen heranschleichenden Angreifer schon von weitem hören mußten.

Ihr Abendessen bestand aus Brot und kaltem Fleisch. Ein Feuer wagten sie nicht anzuzünden, um sich den Mountain Men nicht zu verraten. Auch wenn sie sich bei der Kälte liebend gern an einem Lagerfeuer gewärmt hätten.

Jacob und Driscoll hielten abwechselnd Wache. Doch die Nacht verlief ruhig.

*

Der Morgen kam mit noch größerer Kälte, und der bisherige Nieselregen verwandelte sich in leichten Schneefall.

Jetzt entzündeten sie doch ein kleines Feuer, achteten aber darauf, daß sich die Rauchentwicklung in Grenzen hielt. Die warmen Bohnen und der heiße Kaffee taten ihnen gut.

Die fern im Osten über den Rocky Mountains aufsteigende Sonne war allenfalls zu erahnen. Der Morgen war noch jung, als der Wagen weiterrollte. Reverend Driscoll ritt voran. Ohne seine Führung wären Jacob und Irene in den Bergen ziemlich verloren gewesen, hätten allenfalls die grobe Richtung gekannt.

Der Schneefall wurde zum Glück nicht stärker. Als die Reisenden bei Beginn der Abenddämmerung Hoodsville erreichten, lag nur eine dünne weiße Decke über dem Land und der Stadt, die - Abners Hope ähnlich - in einem fruchtbaren Tal am Rande der gewaltigen Cascade Range lag.

Erst kamen sie an verstreut liegenden Farmen vorbei. Die Bebauung wurde dichter und wuchs sich zur Stadt aus. Man sah auf den ersten Blick, daß Hoodsville auf eine längere Geschichte zurückblicken konnte als Abners Hope. Die primitiven Blockhütten, die hier einst gestanden hatten, waren zum größten Teil komfortableren Holzhäusern gewichen. Die meisten Gebäude - insgesamt mochten es an die fünfzig sein -besaßen sogar Fenster mit richtigen Glasscheiben.

Der Reverend führte sie zum Mietstall am anderen Ende der Stadt. Ein großes, schon etwas verwittertes Schild über dem Holztor verkündete: >Eric Hood - Blacksmith & Stablec.

»Hood scheint hier ein häufiger Name zu sein«, bemerkte Jacob, als er langsam vom Bock kletterte. Sie waren bis auf eine kurze Mittagsrast den ganzen Tag unterwegs gewesen, und er spürte jeden Knochen im Leib.

»Eine große Familie«, sagte Driscoll und stieg aus dem Sattel. »Soviel ich weiß, haben die Hoods diese Stadt vor zehn, zwölf Jahren gegründet.«

Eric Hood war ein großer breitschultriger Mittvierziger mit hellem, schütterem Haar und einem rotblonden Schnauzbart, dessen Enden nach oben gezwirbelt waren. Jacob hatte gerade das Tor aufgezogen, als er ihnen aus dem Innern des Mietstalls entgegentrat. Sowie er den Reverend sah, leuchteten seine blauen Augen auf, und er begrüßte Driscoll mit einem kräftigen Handschlag.

»Freut mich, daß Sie den Weg zurück nach Hoodsville gefunden haben, Reverend«, sagte er mit polternder Stimme und strahlendem Gesicht. »Vielleicht können wir Sie doch noch überreden, eine Kirche in unserer schönen Stadt zu bauen.«

»Genau das ist meine Absicht, Mr. Hood.«

Driscoll stellte seine Begleiter vor, und sie brachten Pferde und Wagen im Stall unter.

»Bekommt man in Mrs. Flys Pension noch immer so gutes Essen?« fragte der Reverend halb scherzhaft.

Als Hood dies bejahte, empfahl Driscoll die Pension den beiden Deutschen. Er selbst hatte dort schon gewohnt und wollte erneut bei der Witwe Fly um Unterkunft bitten.

Mrs. Flys zweistöckiges Haus lag am Stadtrand. Es waren genug Zimmer frei. Zur Zeit wohnte bei der fünfzigjährigen, drallen Witwe außer den Neuankömmlingen nur ein junges Ehepaar aus dem Osten, das auf der Durchreise nach Oregon City war.

Das Abendessen war wirklich sehr gut, aber Irene stocherte nur lustlos darin herum. Jacob verstand das sehr gut. Die Nähe von Carl Dilgers Grab ließ die junge Frau zusehends nervöser werden.

Driscoll versprach, Irene und Jacob am nächsten Morgen auf den Friedhof zu führen. Die beiden Deutschen zogen sich früh auf ihre Zimmer zurück, während der Reverend noch ausging.

»Ich muß ein paar Kontakte knüpfen, um den Bau meiner Kirche anzuleiern«, erklärte er.

In der Nacht hörte Jacob aus dem Nebenzimmer laute Rufe. Es war Irene, die im Schlaf Carls Namen ausstieß, immer wieder. Sie mußte schlimme Alpträume haben.

Am liebsten wäre er aufgestanden, zu ihr geeilt und hätte sie in seine Arme genommen, um sie zu trösten.

Aber wie konnte er das?

*

Am Morgen, als Jacob Irene im Speisesaal beim Frühstück traf, war er überrascht, wie gefaßt sie wirkte. Vielleicht hatten die nächtlichen Träume einen reinigenden Effekt gehabt. Jedenfalls waren ihr weder Verzweiflung noch Trauer anzumerken. Auch der Reverend erschien bald zum Frühstück. Als das junge Ehepaar den Speisesaal betrat, waren die drei anderen bereits fertig und zogen sich an, um zum Friedhof zu gehen.

Der Schnee war höher geworden und reichte den Menschen jetzt weit über die Knöchel, als sie über die Main Street von Hoodsville zum nördlichen Stadtende gingen, vorbei an dem Mietstall. Der kalte Wind aus den Bergen wehte ihnen dicke Schneeflocken ins Gesicht.

Der Friedhof lag auf einem bewaldeten Hügel eine knappe halbe Meile hinter der Stadt. Die drei waren die einzigen Menschen, die sich zu dieser frühen Stunde hier aufhielten.

Driscoll führte sie zielstrebig zwischen den Gräbern hindurch.

»Sie scheinen sich hier gut auszukennen, Reverend«, bemerkte Jacob.

»Bevor ich nach Abners Hope aufbrach, um Miß Sommer von Mr. Dilgers Tod zu benachrichtigen, habe ich mir natürlich das Grab angesehen.«

Über dem Grab, zu dem er sie führte, erhob sich ein schlichtes Holzkreuz, ähnlich dem, das Jacob für Billy Calhouns letzte Ruhestätte angefertigt hatte. Das Kreuz war, wie das Grab selbst auch, von Schnee bedeckt.

»Hier ist es?« fragte Irene zögernd, als Driscoll stehenblieb.

Der Reverend nickte. »Ja, Miß Sommer.«

Eine ganze Weile standen sie schweigend, mit gesenkten Häuptern, vor dem Grab. Dann trat Irene an das Kreuz und wischte langsam den Schnee mit ihren behandschuhten Händen von dem Holz.

Die Aufschrift, die sie enthüllte, war fast enttäuschend knapp:

Carl Dilger aus Hamburg (Germany)

Erschossen in Hoodsville (Oregon) am 8. Juli 1863

»Ist er das?« fragte Driscoll.

»Ja«, antwortete Irene mit brüchiger Stimme. »Carl kam aus Hamburg. Sein Vater besitzt dort eine Reederei.« Sie wollte noch etwas sagen, aber ihre Stimme versagte. Sie sammelte sich und fuhr fort: »Carl, wurde erschossen. Wer hat das getan?«

»Ein gewisser Randolph Haggard. Er liegt auch hier begraben. Wollen Sie das Grab sehen?«