158098.fb2 Ein Grab in Oregon - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 11

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Irene nickte.

Das Grab, zu dem sie der Reverend jetzt führte, lag abseits der anderen Begräbnisstätten. Auch über ihm erhob sich nur ein schlichtes Kreuz aus Brettern, das Driscoll vom Schnee befreite.

Randolph Haggard (gest. am 8. Juli 1863

Der Herr möge ihm gnädig sein

»Am selben Tag gestorben«, murmelte Irene.

»Durch Dilgers Kugel«, erklärte der Reverend. »Man hat mir gestern abend erzählt, sie hätten sich gegenseitig erschossen.«

Irene sah ihn fragend an. »Warum?«

»Ein Streit.« Driscoll zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nichts Genaues. Nur, daß Haggard in die Stadt kam und einen Streit mit Dilger vom Zaun brach, dem beide zum Opfer fielen.«

Irene schüttelte den Kopf und sagte leise: »Ich kann mir das nicht vorstellen. Carl war im Umgang mit Schußwaffen nicht sehr erfahren.«

»Hier im Westen lernt man das schnell«, sagte der Reverend und klopfte auf das Lederholster mit seinem Webley Longspur. »Besonders, wenn es um das eigene Leben geht.«

»Dieser Haggard scheint jedenfalls an der Sache schuld gewesen zu sein«, meinte Jacob. »Die Worte >Der Herr möge seiner Seele gnädig sein< deuten es an.«

»So hat man es mir auch erzählt«, bestätigte der Reverend.

»Von wem können wir Genaueres erfahren?« erkundigte sich Irene.

»Vielleicht vom Bürgermeister, Wallace Hood«, sagte Driscoll.

»Mit Eric Hood verwandt?« fragte Jacob.

»Sein Bruder, glaube ich.«

»Ich möchte noch einmal zu Carls Grab«, sagte Irene und stapfte auch schon durch den Schnee zurück.

Jacob und der Reverend standen eine ganze Weile vor Haggards Grab und sahen den Hügel hinauf zu Irene, die mit gesenktem Haupt neben dem Holzkreuz stand und auf die Begräbnisstätte ihres Geliebten schaute.

Schließlich ging Jacob zu ihr und legte sanft einen Arm um ihre Schultern. Er wollte sie wissen lassen, daß sie nicht allein war.

Irene hob den Kopf und sah ihn dankbar an. Über ihr Gesicht liefen Tränen.

*

Auf ihrem Rückweg in die Stadt mußten sie sich gegen den kräftig auffrischenden Wind regelrecht anstemmen.

Driscoll führte sie zu einem der größten Gebäude in der Mitte der Main Street, über dem ein Schild mit der Aufschrift >Wallace Hood - General Store< prangte.

»Der Bürgermeister ist also zugleich der Ladenbesitzer«, meinte Jacob.

»Richtig«, sagte der Reverend und stieg als erster die drei hölzernen Stufen hinauf, die auf den überdachten Vorbau führten.

Der Laden war geöffnet, aber die Tür war wegen des kalten Windes geschlossen. Als die drei vor ihr standen, schlugen ihnen von innen laute Stimmen entgegen. Schnell war klar, daß sich zwei Männer im Laden heftig stritten.

Als Driscoll die Tür aufstieß, läutete eine Glocke, und die beiden Stimmen verstummten. Zwei Männer unterschiedlichen Alters, unverkennbar miteinander verwandt, starrten ihnen entgegen.

Der Ältere mußte Wallace Hood sein, so sehr ähnelte sein Gesicht dem des Mietstallbesitzers. Nur war er etwa zehn Jahre älter als sein Bruder, sein Gesicht war bartlos, und die Haare auf dem Kopf sprossen noch spärlicher als bei Eric Hood. Er trug einen dunklen, abgeschabten Dreiteiler.

Der Jüngere war Mitte Zwanzig, ebenfalls glattrasiert und noch im Vollbesitz seiner Haarpracht. Er hatte eine weiße Schürze umgebunden und hielt einen Reisigbesen in der Hand.

Beider Gesicht waren vor Erregung gerötet.

»Was kann ich für Sie tun?« fragte der Ältere, der sich als erster wieder in der Gewalt hatte.

»Sind Sie Wallace Hood?« erkundigte sich Driscoll.

»Ja. Mir gehört dieses Geschäft.«

»Nun, wir wollten nicht zum Ladeninhaber, sondern zum Bürgermeister.«

»Da haben Sie Glück. Das bin ich auch.«

»Das dachten wir uns«, sagte Driscoll und stellte sich sowie seine Begleiter vor.

Im Gegenzug erfuhren sie von Wallace Hood, daß der junge Mann sein Sohn Barry war.

»Wir kommen wegen Carl Dilger«, erklärte der Reverend, »und wegen Randolph Haggard.«

Die Erwähnung der beiden Namen löste bei den Hoods heftige Reaktionen aus. Die ein wenig aufgeschwemmten Züge des Bürgermeisters erbebten. Barrys Hände verkrampften sich um den Besen, und er wechselte einen langen Blick mit seinem Vater.

»Ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun haben soll«, meinte Wallace Hood schließlich.

Driscoll zeigte auf Irene.

»Miß Sommer ist nach Oregon gekommen, um Mr. Dilger zu heiraten. Sie ist von seinem Tod verständlicherweise sehr betroffen und möchte Näheres darüber erfahren.«

»Ja, natürlich«, sagte der Bürgermeister und nickte. »Am besten gehen wir in mein Büro. Wegen des kalten Wetters ist heute morgen so wenig los, daß Barry auch ohne mich fertig wird.« Er sah seinen Sohn an. »Nicht wahr?«

»Ja, Vater.«

Wallace Hood führte sie in ein geräumiges Büro, das allerdings nur über zwei Besucherstühle verfügte. Driscoll blieb stehen. Hood nahm auf einem lederbespannten Drehstuhl hinter seinem mit Papieren übersäten Schreibtisch Platz.

»Carl Dilger wurde im Juli erschossen«, begann er ohne weiteres. »Wir wußten nicht, daß er eine Verlobte hatte. Nur von seinem Vater drüben in Deutschland hat er viel erzählt. Aber wir haben ihm das nicht so recht geglaubt.«

»Wieso nicht?« fragte Irene.

Hood lachte kurz auf. »Dilger erzählte, sein Vater sei der Besitzer einer Reederei, steinreich und so. Aber jeder wußte, daß er das erfand, um Geld zu schnorren. Er erzählte es immer dann, wenn er wieder einmal pleite war.«

Das Zucken in Irenes Gesicht verriet, wie sehr sie Hoods Worte schmerzten. Doch sie beherrschte sich und sagte: »Aber es stimmt. Carls Vater ist Reeder, und er hat viel Geld.«

Hood sah sie verblüfft an, den Mund halb offen. »Weshalb war er dann ständig in Geldnot?«