158098.fb2 Ein Grab in Oregon - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

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Das Wetter schien sich gegen Jacob verschworen zu haben. Kaum hatte er die Senke mit der Farm verlassen, als heftiger Schneefall einsetzte. Der unablässige Wind, der von den Bergen pfiff, schwoll zu einem Sturm an. Mehrmals dachte Jacob daran, sich einen windgeschützten Unterschlupf zu suchen, um den Sturm dort abzuwarten. Aber der Gedanke an Irene, die ganz allein in Hoodsville war und noch nicht einmal etwas von seinem nächtlichen Ausflug wußte, trieb ihn voran. Er zog sein Halstuch vor den Mund, zog den Hut tief in die Stirn und hieb dem Braunen, der schwer gegen den Wind anzukämpfen hatte, die Hacken in die Flanken.

Bald konnte er kaum noch die Hand vor Augen sehen, so dicht war das Schneegestöber. Sterne waren ebenso wenig am Himmel zu sehen wie die Gipfel der Berge. Keine Orientierungspunkte. Die Spuren, die er und Haggard beim Ritt zur Farm hinterlassen hatten, hatte er längst verloren. Wahrscheinlich waren sie auch gar nicht mehr zu sehen, bedeckt vom frischen Schnee. Trotzdem ritt er weiter und vertraute auf seinen natürlichen Orientierungssinn.

Daß er sich auf ihn verlassen konnte, erkannte er, als die Umrisse der ersten Häuser schemenhaft vor ihm auftauchten.

Hoodsville!

Er hätte nie geglaubt, daß er sich einmal über den Anblick dieser Stadt freuen würde.

Wegen des Sturms hatte er für den Ritt länger gebraucht als geplant. Das Nachtdunkel machte bereits einem schwachen Lichtschimmer Platz. Aber der Sturm, der durch die engen Straßen toste, würde die Leute vermutlich in den Häusern halten.

Er mied die Main Street und ritt auf Umwegen zum Haus der Witwe Fly.

Als er dort aus dem Sattel stieg, wäre er fast umgeknickt, weil seine eiskalten, halb erfrorenen Beine ihm den Dienst versagen wollte. Er stampfte mehrmals fest mit den Füßen auf und genoß den Schmerz, der ihm zeigte, daß noch Gefühl in seinen Beinen war.

»Na endlich«, stöhnte Rohlfing, als Jacob das Paket vom Sattel löste und die Decke wegzog. »Ich dachte schon, Sie wollten mich erfrieren lassen, Mann. Es war.«

Weiter kam er nicht, weil ihm Jacob ein Taschentuch als Knebel in den Mund stopfte.

Jacob legte den eingeschnürten Mann über seine Schulter und ging ins Haus. Er hörte Mrs. Fly in der Küche hantieren. Leise schlich er nach oben und klopfte an Irenes Tür.

»Wer ist da?« fragte sie etwa eine halbe Minute später.

»Ich, Jacob. Zieh dich schnell an und komm in mein Zimmer!«

Er ging voraus, warf Rohlfing auf sein Bett und deckte ihn soweit zu, daß nur noch seine Haare hervorschauten.

Als Irene, in einen schwarzen Rock und eine blaue Bluse gekleidet, eintrat, sah sie erst Jacob und dann den Mann im Bett verwirrt an.

»Wer ist das?« fragte sie, den Blick auf Rohlfing gerichtet. .

»Er nannte sich Franz Pape, aber eigentlich heißt er Alwin Rohlfing.«

»Carls Freund?«

»Sagen wir, der Freund des Mannes, der sich Carl Dilger nannte und der jetzt auf dem Friedhof von Hoodsville liegt. Der wirkliche Carl Dilger ist nicht nach Oregon gereist, sondern hat in den Rockies den California Trail eingeschlagen.«

Irene starrte Jacob ungläubig an.

»Das heißt.«

Jacob nickte.

»Das heißt, daß Carl noch lebt«, ergänzte er. »Er ist nach Kalifornien gegangen, um Gold zu schürfen.«

Irene fiel ihm um den Hals und küßte ihn auf beide Wangen.

»Danke«, stammelte er verwirrt, als sie ihn wieder losließ. »Wofür war das?«

»Für diese Nachricht, Jacob.«

»Gern geschehen«, sagte er nur und fühlte sich seltsam dabei.

Das glückliche Leuchten in Irenes Augen war für ihn nicht mit allem Gold Kaliforniens aufzuwiegen. Und trotzdem hatte die Nachricht, daß nicht der wirkliche Carl Dilger hier begraben lag, auch eine dunkle Saite in Jacob zum Klingen gebracht. Mit einem Mal war Irene für ihn wieder in unerreichbare Ferne gerückt.

Hastig berichtete er ihr, was auf der Farm geschehen war. Irene war sehr bestürzt über den Tod des Reverends, auch wenn Haggard die junge Frau nur für seine Zwecke ausgenutzt hatte.

»Was hast du jetzt vor?« fragte Irene.

»Rohlfing dem Sheriff übergeben, sobald er zurückkehrt. Solange der Sturm tobt, können wir die Stadt eh nicht verlassen. Hoffen wir, daß sich Eric Hood nicht auf die Seite seines Bruders und seines Neffen schlägt.«

»Und wenn doch?«

Jacob zuckte mit den Schultern.

Dann zog er den Webley des Reverends aus einer Tasche seiner Jacke und reichte ihn Irene.

»Ich bringe die Pferde in den Mietstall. Bevor der Sheriff heimkommt, soll mein Ausflug nicht mehr Leuten bekannt werden als unbedingt nötig. Ich hoffe, daß mich bei dem Sturm niemand sieht. Du bleibst hier und bewachst Rohlfing. Laß den Knebel in seinem Mund und lockere auf keinen Fall seine Fesseln! Falls sich Mrs. Fly meldet, soll sie das Frühstück für uns beide herauf bringen. Sag ihr, es geht mir sehr schlecht und du möchtest mich nicht allein lassen!«

Irene nickte.

»Ich verstehe.«

»Paß gut auf dich auf!« sagte Jacob, drückte ihr einen Kuß auf die Stirn und verließ das Zimmer.

Es gelang ihm, ein zweites Mal ungesehen an der in der Küche herumklappernden Witwe vorbeizukommen.

Die beiden Pferde standen noch im Hinterhof der Pension. Er führte sie durch Nebenstraßen zum Mietstall, wo er niemanden antraf. Die beiden Stühle, auf denen Willard Croy gesessen hatte, standen verlassen im Eingangsbereich.

Um so besser, dachte Jacob, brachte die Tiere in ihre Boxen und sattelte sie ab.

Er überlegte, ob er hier auf Eric Hood warten sollte. Nein, er wollte Irene nicht zu lange mit Rohlfing allein lassen. Außerdem würde sie sich Sorgen um ihn machen, wenn er länger wegblieb.

Also verließ er den Mietstall und tauchte wieder in den Schneesturm ein.

*

Diesmal bemerkte ihn die Witwe Fly, als er in die Pension zurückkehrte. Fast hätte sie die Pfanne mit den Bratkartoffeln fallengelassen.

»Mr. Adler!« rief sie entsetzt aus. »Ich habe Ihnen doch gerade das Frühstück hochgebracht. Sie. Sie liegen doch oben im Bett. mit Schüttelfrost.«

»Ich war nur kurz draußen, um den Frost abzuschütteln«, meinte Jacob verlegen und eilte auch schon die Treppe hinauf, sich über seine blöde Ausrede ärgernd; aber in der Eile war ihm nichts Besseres eingefallen.

Als er Irene davon erzählte, konnte sie sich ein Lachen nicht verkneifen.

Dann wurde sie wieder ernst und fragte: »Meinst du, daß die Witwe Fly uns Ärger macht?«

»Keine Ahnung«, antwortete Jacob, zog die Jacke aus und klopfte die letzten Schneereste ab. »Ich weiß nicht, wie gut sie mit dem Bürgermeister steht.«