158098.fb2 Ein Grab in Oregon - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 8

Ein Grab in Oregon - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 8

Es ist eine langgezogene Schlucht, die für den Planwagen ohne weiteres passierbar ist.«

Driscoll kannte sich in der Gegend besser aus als Jacob. Also lenkte der Deutsche, wenn auch widerwillig, den Wagen in die angegebene Richtung. Er rumpelte über stetig ansteigendes Gelände. Viel mehr konnte Jacob nicht erkennen, da sich auf beiden Seiten hohe Fichten und Hemlocktannen in den düsteren Himmel reckten, als wollten sie ihn aufreißen und die hinter dicken Wolken verborgene Sonne endlich zum Vorschein bringen.

Je steiler es wurde, desto mehr mußten sich die Zugpferde anstrengen. Bald stand ihnen Schaum vor dem Maul. Nur dem Rappen des Reverends schien der anstrengende Weg nichts auszumachen.

»Sind Sie sicher, daß dies der richtige Weg ist, Reverend?« erkundigte sich Jacob, als der Wagen nur noch mit der Geschwindigkeit eines langsamen Fußgängers vorwärtskam.

»Absolut«, antwortete Driscoll mit einem bekräftigenden Nicken. »Gleich haben wir es überstanden. Die Steigung wird aufhören, und wir kommen wieder schneller voran.«

»Das sollten wir auch, wenn wir tatsächlich Zeit einsparen wollen«, brummte Jacob.

Irene schien das alles unbeeindruckt zu lassen. Ihr glasiger Blick war in weite Ferne gerichtet. Vielleicht weilte sie in Gedanken schon in Hoodsville, am Grab ihres Geliebten. Oder sie befand sich in der Vergangenheit, in Hamburg, als ihr eine kurze Zeit des Glücks mit Carl Dilger gegönnt gewesen war.

Jacob konnte verstehen, daß sie es nicht besonders eilig hatte, nach Hoodsville zu kommen. Einerseits mußte sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen, daß ihre Suche hier in Oregon ein unerwartetes, trauriges Ende fand. Andererseits fürchtete sie sich vor dem Moment, der die Nachricht von Carl Dilgers Tod zur Gewißheit werden ließ.

Driscoll behielt recht. Keine Viertelstunde, nachdem sich Jacob über den für die Zugpferde mühsamen Aufstieg beschwert hatte, wurde das Gelände zusehends flacher und führte für ein kurzes Stück sogar sanft abwärts. Der dichte Wald wurde lichter und mündete in eine enge Schlucht mit schroffen, hochaufragenden Felswänden, die Jacob ein wenig an den unglückbringenden Geistercanyon erinnerten, in dem an die fünfzig Auswanderer den Tod gefunden hatten.

Aber die Schlucht, durch die es jetzt ging, war nicht so trostlos und bar jedweden pflanzlichen Lebens wie der Canyon in den Rockies. Auf dem Boden wuchs saftiges Gras, das von einem hin und wieder sichtbaren Creek gespeist wurde. Zuweilen verschwand der kleine Bach zwischen Baumgruppen. Selbst die steilen Wände waren mit Moosen, Strauchwerk und einzelnen Bäumen bewachsen. Oben auf den Felsen standen viele Bäume am Rand der Schlucht, waren wegen des immer dichter werdenden Nebels für die drei Menschen unten jedoch nur undeutlich erkennbar.

Sie fuhren schon fast eine Stunde durch den sich wie eine Schlange windenden Canyon, als dicht neben Jacob plötzlich das Holz des Fahrerkastens splitterte.

Gleichzeitig spritzte vor dem Rappen eine Erdfontäne hoch. Das Tier scheute, stieg mit den Vorderhufen in die Luft und warf seinen Reiter ab.

Als Jacob die Detonationen der Schüsse hörte, hatte er schon die Wagenbremse angezogen, Irene gepackt und sie auf der den unsichtbaren Schützen abgewandten Seite vom Bock gestoßen.

Er griff hinter sich nach dem dort deponierten SharpsKarabiner und sprang hinter Irene her. In letzter Sekunde. Wo er eben noch gesessen hatte, fuhr eine Kugel ins Holz.

Der verschreckte, reiterlose Rappe sprengte durch das Tal und verschwand zwischen einigen Hemlocktannen. Driscoll, der bei dem Sturz seinen Hut verloren hatte, sprang im Zickzack, von Kugeln verfolgt, heran und warf sich neben die beiden Deutschen hinter den Deckung bietenden Wagen.

Kugeln klatschten immer wieder ins Holz und rissen lange Splitter heraus.

»Wer ist das?« fragte Irene, die endlich aus ihrer Lethargie erwacht war.

»Keine Ahnung«, knurrte der Reverend und zog seinen Webley. »Aber wer immer die Kerle sind, sie schießen verdammt gut, wenn der Herr im Himmel mir diesen Ausdruck verzeiht. Ein bißchen höher nur, und sie hätten nicht mein Pferd erschreckt, sondern für mich das Jüngste Gericht eingeläutet.«

»Wirklich?« fragte Jacob und drückte die Mündung des Karabiners gegen Driscolls Kopf.

Irene war ebenso erschrocken wie der Mann in Schwarz.

»Was soll das?« fragte die junge Frau. »Weshalb bedrohst du den Reverend?«

»Weil ich von ihm wissen will, wer die Kerle sind, die von da oben auf uns schießen.«

Während er sprach, warf Jacob einen nur Sekundenbruchteile währenden Blick zur rechts ihrer Fahrtrichtung gelegenen Felswand. Der Richtung der Schüsse nach zu urteilen, mußten die Attentäter irgendwo da oben stecken, verborgen hinter Felsen, Büschen oder Bäumen. Jacob schätzte, daß es mindestens drei waren. Aber bis jetzt hatte er keinen von ihnen entdecken können.

»Ich sagte doch, daß ich nicht weiß, wer die Kerle sind«, sagte Driscoll, der seinen Sechsschüsser noch in der Rechten hielt.

»Und ich glaube Ihnen nicht, Reverend, oder was immer Sie sein mögen. Lassen Sie die Waffe fallen!«

»Aber Jacob!« stieß Irene hervor, die ihren Freund nicht verstand.

Jacob ging nicht darauf ein, sondern schnarrte: »Fallen lassen, habe ich gesagt!«

Driscoll gehorchte und sagte: »Ich verstehe Sie nicht, Adler.« »Ich Sie auch nicht. Das ist es ja, was mir Sorgen macht. Alles an Ihnen ist merkwürdig. Ein Reverend, der sich mit seinem Schießeisen fast besser auskennt als in der Heiligen Schrift. Und der uns in diesen Canyon lockt, in einen Hinterhalt.«

»Ich habe Sie nicht hierhergelockt!« Driscoll sah auf den Steilhang, von dem unablässig Schüsse heranjaulten, die in den Planwagen oder ins Erdreich schlugen. »Ich wußte nichts davon, wirklich!«

»Seit Sie aufgetaucht sind, ist der Tod bei uns eingekehrt«, sagte Jacob hart. »Sie ziehen heißes Blei an wie der Teufel die verlorenen Seelen. Das schmeckt mir nicht!«

»Das ist ein Zufall«, beharrte Driscoll. »Ich.«

Seine Worte gingen in einem Aufstöhnen unter, und er sackte zusammen. Seine Stirn war blutigrot.

»Er ist tot!« schrie Irene in einem Anflug von Panik. »Sie haben ihn umgebracht. Du hast ihm unrecht getan, Jacob!«

»Anscheinend«, sagte Jacob, der plötzlich aschfahl geworden war, mit fast tonloser Stimme und ließ den Karabiner sinken.

Er zog den Reverend weiter hinter den Wagen, um ihn aus der Schußlinie zu bringen. Denn in Driscolls Stirn konnte er kein Loch entdecken. Nur eine große blutige Schramme, wo ihm die Kugel die Haut weggefetzt hatte. Ein Streifschuß.

Jacob beugte sich über den Reglosen und stieß plötzlich hervor: »Er atmet noch! Der Streifschuß hat ihn nur ohnmächtig werden lassen!«

Er schlug auf Driscolls Wangen, während Irene dem Reverend Luft zufächelte.

Schließlich flatterten die Augenlider des Reverends, gingen nach oben, und er blickte aus seinen rötlichen Augen irritiert um sich. »Was. ist geschehen?«

»Ein Streifschuß hat Sie an der Stirn erwischt«, erklärte Jacob. »Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Reverend.«

Jacob und Irene waren verblüfft, als der zwischen ihnen liegende Mann grinste.

»Sie halten das also nicht bloß für einen Trick, der Sie von meiner Unschuld überzeugen soll, Adler?«

Jacob schüttelte den Kopf. »Das war bestimmt kein Trick. So gut kann niemand schießen. Einen Zoll daneben, und Ihr Gehirn läge jetzt im Gras.«

»Eine delikate Vorstellung«, murmelte Driscoll während er sich aufrichtete, mit der Hand über seine Stirn fuhr und das an seiner Handfläche klebende Blut betrachtete. »Aber zweifelsohne richtig.«

Er streckte die Hand nach seinem Revolver aus, hielt plötzlich inne und sah Jacob fragend an. »Gestatten Sie?«

»Natürlich«, sagte der Deutsche kleinlaut. »Verzeihen Sie, aber die jüngsten Ereignisse und die Sorge um Irene haben mich übervorsichtig werden lassen.«

»Übervorsichtig kann man gar nicht sein«, erwiderte Driscoll, während er mit einem schnellen Griff den Webley wieder an sich brachte. »Nicht in diesem Land. Ich an Ihrer Stelle hätte vermutlich nicht anders gehandelt, Adler. Ich bin für Sie ein Fremder. Es war nur natürlich, daß Sie mir mißtrauten.«

Weiterhin jaulten die Kugeln heran und zwangen die drei Reisenden, in ihrer notdürftigen Deckung zu verharren.

»Wenn wir nicht etwas unternehmen, sitzen wir hier noch am Jüngsten Tag«, brummte Driscoll. »Die Kerle haben ein hervorragendes Schußfeld. Wir dagegen sehen noch nicht einmal ein Ziel. Wenigstens sind sie noch nicht darauf gekommen, unsere Zugpferde abzuknallen.«

»Vielleicht sind sie auf die Tiere scharf«, überlegte Jacob laut.

»Kann durchaus sein«, meinte der Reverend.