158098.fb2 Ein Grab in Oregon - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

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»Wir sollten alle drei in den Wagen klettern und versuchen, möglichst schnell aus der Schußlinie zu kommen«, schlug Irene vor.

Der Reverend schüttelte den Kopf. »Zu gefährlich, Miß. Wer immer von uns die undankbare Aufgabe übernimmt, die Zügel zu halten, er würde unweigerlich vom Bock geschossen werden. Ausgerechnet an dieser Stelle ist der Verlauf des Canyons sehr gerade. Keine Chance für uns, rasch aus der Schußlinie zu kommen. Die Burschen haben sich den Ort für den Überfall gut ausgewählt.«

»Aber was sollen wir dann tun?« fragte Irene mit einer Spur von Verzweiflung in der Stimme.

Sie sorgte sich nicht so sehr um ihr eigenes Leben. Das schien ihr jetzt, wo Carl tot war, nicht mehr sehr wertvoll zu sein.

Aber Jacob durfte nichts geschehen!

Und was sollte aus Jamie werden, wenn er so kurz nach seinem Vater auch noch die Mutter verlor?

»Wir sollten dasselbe tun wie die Attentäter«, beantwortete der Reverend Irenes Frage und steckte den Webley zurück ins Holster. »Sie angreifen!«

Driscoll sah sich suchend im Gelände um.

»Was haben Sie vor, Reverend?« wollte Jacob wissen.

»Während Sie ein kleines Feuerwerk veranstalten, um die Kerle in den Felsen abzulenken, schleiche ich mich zu dem Wäldchen da vorn. Von dort aus gehe ich bis hinter die nächste Biegung zurück. Ich schleiche mich in den Rücken der Brüder. Dann gnade Ihnen Gott!«

Bei den letzten Worten flammte das Feuer in seinen tiefliegenden Augen auf.

»Einer allein gegen so viele?« fragte Irene zweifelnd.

Der Reverend lachte rauh. »Leider haben wir keine Kompanie Soldaten zur Verfügung, um sie in ein taktisches Umgehungsmanöver zu schicken.« Er sah Jacob an. »Was ist, Adler, machen Sie mit?«

Jacob dachte an Irene und nickte. »Ich gebe Ihnen Feuerschutz und beschäftige die Kerle, während Sie unterwegs sind. Wenn Sie unbedingt Selbstmord begehen wollen, kann ich Sie wohl nicht davon abhalten, Reverend.«

»Das haben Sie richtig erkannt, mein Freund«, sagte Driscoll und kroch auch schon los, immer darauf achtend, den Sichtschutz des Planwagens zwischen sich und dem Feind zu haben.

Jacob lehnte den Karabiner an ein Wagenrad und eröffnete aus seinem 44er Army Colt das Feuer auf die Stelle, wo er die Gegner ungefähr vermutete. Es war ein kleines baumbestandenes Plateau etwa auf halber Höhe der Felswand.

Auf die Entfernung konnte er mit dem Revolver zwar nicht allzuviel ausrichten, aber es reichte, um ein Ablenkungsfeuerwerk zu veranstalten. Den Sharps wollte er sich für den Fall aufbewahren, daß sich ihm ein gut sichtbares Ziel bieten sollte.

Unangefochten erreichte Driscoll den von ihm bezeichneten Wald an der Felswand, die der Wand mit den Attentätern gegenüberlag, und verschwand aus dem Blickfeld von Jacob und Irene.

Blieb nur zu hoffen, daß ihn die gut versteckten Gegner tatsächlich nicht gesehen hatten. Sonst würden sie ihm mit Sicherheit eine Falle stellen.

In unregelmäßigen Abständen feuerte Jacob auf das Plateau und fand bald seine Annahme bestätigt, daß dort das Versteck der Attentäter war. Immer wieder sah er zwischen den Bäumen ihr Mündungsfeuer aufblitzen. Aber das diesige Wetter machte es ihm unmöglich, einen genauen Schuß zu plazieren.

Die unbekannten Gegner hatten es leichter. Hier unten im Canyon war die Sicht klarer als an den Hängen und ermöglichte ihnen ein genaues Zielen. Falls Driscoll es nicht schaffte, sie zu vertreiben, saßen Jacob und Irene in der Falle.

Jedenfalls bis zum Einbruch der Dunkelheit. In deren Schutz mußte es den beiden Deutschen eigentlich gelingen zu entkommen. Aber das wußten auch die Attentäter und würden sich darauf einstellen. Und das wiederum konnte nur eines bedeuten: Sie würden angreifen, bevor die Sonne ganz hinter den Berggipfeln der Cascade Range versank.

Jacob teilte Irene nichts von seiner Befürchtung mit. Es genügte, wenn sich einer Sorgen machte.

Bei jeder Kugel, die er aus dem Lauf des 44ers jagte, hoffte er, daß Reverend Driscoll möglichst schnell das Feuer auf die Unbekannten eröffnen würde.

*

Flink wie eine Bergziege kletterte der schwarzgekleidete Mann über die Felsen. Flink und dennoch vorsichtig zugleich. Der unablässige Regen, der gegen Mittag eingesetzt hatte, machte das Gestein schlüpfrig. Ein einziger falscher Tritt oder Griff konnte ihn zu Fall bringen. Er würde sich vielleicht das Genick brechen. Oder er verriet sich den noch immer unsichtbaren Gegnern. Sie konnten nicht mehr weit von ihm entfernt sein, wie er an den lauten Detonationen ihrer Schüsse erkannte.

Sie schienen sein Umgehungsmanöver nicht bemerkt zu haben. Fast zwei Stunden war es jetzt her, daß er den Wagen und die beiden Deutschen unten im Canyon verlassen hatte. Seine Kleidung war an mehreren Stellen zerrissen sowie über und über mit Schmutz befleckt. Aber darauf nahm er keine Rücksicht. Er mußte sich beeilen, mußte die Attentäter erreichen, bevor es dunkel wurde. Denn er befürchtete, daß sie dann den Planwagen angreifen würden.

Das durfte nicht geschehen. Irene Sommer durfte nichts zustoßen. Er brauchte sie noch!

Plötzlich verlor er den Halt, als er mit dem Fuß auf einem glatten Felsen abrutschte. Hilflos ruderte er mit den Armen in der Luft und sah sich schon in die enge Felsspalte stürzen, die sich zu seiner Linken auftat. Im letzten Augenblick packten seine Hände einen Haselnußstrauch, der seine Wurzeln zum Glück so fest im Boden verankert hatte, daß er sich daran hochziehen konnte.

Er dankte dem Herrn, daß er den Strauch hatte an dieser Stelle wachsen lassen, und verwünschte seine eigene Unvorsichtigkeit. Er durfte seine Gedanken nicht abschweifen lassen. Er und die Frau aus Deutschland mußten wohlbehalten nach Hoodsville kommen, damit er Rache nehmen konnte. Durch den Beinaheabsturz noch vorsichtiger geworden, kletterte er weiter - und zuckte zurück, als sich vor ihm ein neuer Abgrund auftat. Er sah hinunter auf ein kleines Felsplateau am Steilhang. Auf das Versteck der Attentäter! Sie kauerten hinter Felsen und Bäumen und schossen immer wieder aus ihren Gewehren auf den Planwagen, den er ebenfalls gut erkennen konnte. So wie die Männer, die er sofort wiedererkannte. Rauhe Burschen, vornehmlich in Felle und Wildleder gekleidet. Es waren die Freunde des jungen Trappers, den er vor zwei Tagen in Abners Hope erschossen hatte. Er suchte noch nach einem sicheren Abstieg, um näher an das Plateau heranzukommen, als sich einer der Männer plötzlich umsah und zu ihm herauf schaute. Er wußte nicht, ob er sich verraten hatte, oder ob den Mountain Man ein Instinkt gewarnt hatte, den er in den langen Jahren des Lebens in der Wildnis herausgebildet hatte. Es war auch gleichgültig. Wichtig war nur, daß er entdeckt war. Der Trapper überwand seine Verblüffung schnell, richtete die Mündung seiner Riffle auf den Mann in Schwarz und zog den Abzug durch. Es klickte nur metallisch. In seiner Aufregung hatte der Jäger vergessen, daß er sein Gewehr soeben auf die Menschen hinter dem Planwagen abgefeuert hatte. Fast zu schnell für das menschliche Auge sprang der Webley in die Hand des Schwarzgekleideten. Der Warnruf, den der Trapper ausstieß, wurde vom Krachen des Schusses übertönt. Die Kugel fuhr in die Brust des Mountain Mans und ließ ihn zurücktaumeln. Eine zweite Kugel durchschlug seine Stirn und löschte sein Leben aus. Er kippte über den Abhang und stürzte in die Tiefe. Gleichzeitig warf sich der Mann in Schwarz hinter einem mannshohen Felsblock in Deckung. Gerade noch rechtzeitig. Die Kugeln der übrigen Trapper patschten gegen den Fels und sirrten als Querschläger davon. Vorsichtig schob sich der Schwarzgekleidete Zoll für Zoll aus seiner Deckung und sah Black Joe Haslips riesenhafte Gestalt hinter dem krummgewachsenen Stamm einer Tanne hervorlugen. Er schoß, und Haslip stieß einen Schmerzensschrei aus, als ihm die Kugel in den Oberarm fuhr. Der Anführer der Trapper fiel oder ließ sich fallen. Jedenfalls verschwand er aus seinem Blickfeld. Der Mann hinter dem Felsblock hörte aufgeregte Schreie, und schon wurde er von einem wahren Bleigewitter eingedeckt. Ihm blieb nichts anderes übrig, als wieder in Deckung zu gehen. Nach zwei, drei Minuten hörten die Schüsse auf. Auf einmal herrschte völlige, ungewohnte Stille. Eine Falle? Er schob sich erneut vor, konnte aber unten auf dem Plateau keinen seiner Gegner entdecken. Statt dessen hörte er Hufgetrappel, das erst laut war, aber schnell leiser wurde. Ein Gedanke durchzuckte ihn: Sie sind geflohen! Er wagte den Abstieg auf das Plateau, auch auf die Gefahr hin, in eine Falle zu laufen. Aber er fand seine Vermutung bestätigt: Die Mountain Men waren fort. Er fand nur jede Menge Patronenhülsen und die Leiche des von ihm Erschossenen, die fünfzig Fuß unter ihm auf einem kleinen Felsvorsprung hing. Zu weit entfernt, um zu ihr hinabzusteigen. Wozu auch? Der Mann war tot.

*

»Nicht schießen!« rief der Mann in Schwarz, als er in der Dämmerung auf den Planwagen zuging. »Ich bin es, Driscoll!« »Sind Sie allein?« fragte der Deutsche vorsichtig. »Mutterseelenallein.«

Er atmete auf, als er nicht nur Jacob Adler, den Sharps in den Händen, sondern auch Irene Sommer, die mit dem Army Colt bewaffnet war, unter dem Planwagen hervorkriechen sah.

Er dankte dem Herrn, daß die Frau am Leben war.

*

Der Reverend berichtete Jacob und Irene, was sich in den Felsen ereignet hatte, und schloß: »Ich habe die Stelle gefunden, wo die Trapper ihre Pferde untergebracht hatten. Nicht weit von ihrem Versteck entfernt. Sie sind abgehauen, weil sie es mit der Angst zu tun bekamen, als ich in ihrem Rücken auftauchte. Wahrscheinlich waren sie so verwirrt, daß sie es für möglich hielten, es mit einer größeren Streitmacht zu tun zu haben. Sie wußten ja nicht, daß ich mich vom Wagen weggeschlichen hatte. Unser Plan ist somit vollauf geglückt!«

»Ihrem Boß sei Dank«, murmelte Jacob.

»Wie?« fragte Driscoll.

Jacob legte den Kopf in den Nacken und zeigte nach oben, in den immer dunkler werdenden Abendhimmel.

»Ach so«, meinte der Reverend und grinste. »Den meinen Sie.«

»Was ist mit dem Mann, den Sie erschossen haben, Reverend?« erkundigte sich Irene.

»Was soll mit ihm sein?«

»Liegt er noch in den Felsen?«

»Natürlich. Ihn zu bergen, würde einen ganzen Tag dauern. Die Geier wollen auch etwas zu fressen haben.«

»Müßte ein Mann wie Sie nicht auch ihm ein christliches Begräbnis gönnen?«

»Das tu ich ja, Miß Sommer. Ich gönne ihm ein christliches Begräbnis. Doch ich sehe mich nicht in der Lage, selbst dafür zu sorgen. Aber ich werde heute abend für ihn beten. Sobald wir einen Lagerplatz gefunden haben, an dem wir vor einem

Überraschungsangriff sicher sind.«

Irene sah Driscoll besorgt an. »Rechnen Sie etwa mit einem weiteren Überfall?«

»Diesem Black Joe traue ich alles zu. Ich weiß nicht, wie schwer ich ihn verwundet habe.«

»Weshalb hatten es die Trapper überhaupt auf uns abgesehen?«