158124.fb2 Flu?piraten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 4

Flu?piraten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 4

»Das ist sehr nett von Ihnen. Womit beschäftigen Sie sich denn gerade?«

»Oh, ich gehe Ihre alten Bücher durch, um mir einen besseren Einblick in Ihr Geschäft zu verschaffen.«

Eine gute Ausrede für deine Schnüffelei, dachte Marquand.

Laut fragte er: »Kann ich Ihnen helfen, Ross? Ist Ihnen vielleicht etwas unklar?«

Dabei trat er hinter das Pult, um einen Blick auf das ledergebundene Taschenbuch zu werfen, das Bowman gehören mußte. Es enthielt alle Abfahrtsdaten und die Namen aller Schiffe aus dem letzten halben Jahr, die Fracht im Auftrag von Marquands Agentur transportiert hatten.

»Danke, Mr. Marquand, aber ich wurstel' mich schon durch. Ich muß schließlich lernen, ohne Ihre Hilfe zurechtzukommen.«

»Da leisten Sie wohl grundlegende Arbeit, indem Sie die Schiffsnamen auswendig lernen«, meinte der Frachtagent und zeigte auf das aufgeschlagene Taschenbuch mit der Namensliste.

»Das ist nur eine Gedächtnisstütze.«

»Für wen?« fragte Marquand mit einem lauernden Tonfall und trat zwei Schritte zurück. »Für Sie oder für Mr. Allan Pinkerton?«

Bei der Erwähnung dieses Namens fiel die jugendliche Unbekümmertheit von Bowmans Gesicht ab. Es besaß noch immer die Glattheit und Straffheit eines Jünglings, aber die Augen blickten jetzt kühl und abwägend wie die eines erfahrenen Mannes, der sich bemühte, eine gefährliche Situation richtig einzuschätzen. Und genau das tat Ross Bowman in diesen Sekunden.

»Wie sind Sie dahintergekommen?« fragte er, als er sich entschieden hatte, seine Tarnung aufzugeben.

»Dann sind Sie also tatsächlich ein Pinkerton-Mann. Ich wußte es nicht, habe es mir nur gedacht.« Marquand wies mit der Linken auf das Taschenbuch. »Daß Sie spionieren, ist offensichtlich. Und der Spionagedienst des Nordens wird von Pinkerton geleitet.«

»Sie haben mich erwischt«, erwiderte Bowman mit einem unechten Lächeln. »Allerdings ich Sie auch. Wenn ich die Sache richtig überblicke, hatten fast alle Schiffe, die wir auf dem Ohio und dem unteren Mississippi beim Schmuggel von Waren durch unsere Linien erwischt haben, ihre Fracht bei Ihnen bezogen. Wir hatten Sie schon lange im Verdacht, und ich sollte diesen Verdacht bestätigen, was mir gelungen ist. Ich würde sagen, es steht unentschieden.«

»Nicht ganz«, sagte der Frachtagent und schlug mit der Linken seinen Jackenaufschlag zur Seite, so daß sein Schulterholster mit dem Colt Pocket sichtbar wurde. »Ich bin bewaffnet, im Gegensatz zu Ihnen. Damit habe ich das Spiel gewonnen. Mr. Pinkerton wird niemals erfahren, was Sie über mich herausgefunden haben.«

Bowmans Gesicht spiegelte die bittere Erkenntnis wider, daß Marquand recht hatte. »Beantworten Sie mir eine Frage, Marquand?«

»Welche?«

»Weshalb setzen Sie sich so für den Süden ein?«

»Weil ich dort geboren bin. Meine Familie besaß eine große Plantage im Norden von Tennessee. Als die Yankee-Armee anrückte, rebellierten unsere Sklaven und steckten das Anwesen in Brand. Meine ganze Familie ist dabei ums Leben gekommen, auch mein kleiner Sohn. Nur meine Frau und ich haben überlebt.«

Während er sprach, verhärteten sich Marquands Züge, und sein Blick schien in weite Ferne zu starren. Aber nur für Sekunden, dann befand er sich wieder ganz in der Gegenwart.

»Und jetzt schulden Sie mir eine Antwort, Ross. Wo waren Sie heute nachmittag?«

»Weg.«

»Bei einem Treffen mit einem Verbindungsmann?«

»Wieso fragen Sie, wenn Sie alles schon wissen? Sagen Sie mir lieber, wie es jetzt weitergehen soll!«

»Ich muß Sie leider ausschalten«, sagte Marquand mit ehrlich klingendem Bedauern. »Ich schätze tatkräftige Männer, aber Sie stehen auf der falschen Seite.«

»Ja, das ist wirklich Pech«, meinte der junge Pinkerton-Mann mit einem Seufzer.

Dabei machte er eine Bewegung, die aussah wie ein Schulterzucken. Aber etwas rutschte dabei in seine rechte Hand, etwas Kleines, Metallisches. Ein Derringer.

Die Waffe mußte in einem Unterarmfederholster gesteckt haben, erkannte Marquand. Gleichzeitig riß er seinen Colt aus dem Schulterholster.

Beide Waffen gingen gleichzeitig los und erfüllten das Büro mit dem rollenden Donner sich zu einer einzigen Detonation verschmelzender Schüsse. Pulverrauch zog durch die Luft.

Noch immer standen sich beide Männer gegenüber, die Waffen in der Hand. Plötzlich kippte Bowman nach vorn und stürzte polternd zu Boden. Keine zwei Sekunden später ließ Marquand den Colt Pocket los und fiel auf den Pinkerton-Mann.

*

Nach dem Kampf setzten sich Jacob und Martin wieder an den Ecktisch, der ihnen von niemandem mehr streitig gemacht wurde. Aber die neugierigen Blicke der übrigen Gäste ruhten auf ihnen. Bart Rumpole und seine Gefährten waren nach der erlittenen Schmach nicht ins Restaurant zurückgekehrt.

Die beiden Freunde bestellten zunächst das Essen für Irene und dann für sich selbst Schweinekoteletts mit Bohnen und Kartoffeln, dazu für jeden ein großes Bier. Schulze selbst brachte ihnen das Essen und setzte sich zu ihnen an den Tisch.

»Ich hoffe, Sie sind uns nicht böse, Herr Schulze«, sagte Jacob auf deutsch.

»Böse?« Er sah Jacob erstaunt an. »Worüber denn?«

»Darüber, daß wir Ihre Gäste aufgescheucht und ein paar sogar vertrieben haben.«

»Sie sprechen von den Matrosen?«

»Ja.«

»Da muß ich mich höchstens bei Ihnen bedanken. Raufbolde sind keine willkommenen Gäste. Vor zwei Monaten haben die beiden Rumpoles und ihre Kumpane bei einer Schlägerei meine halbe Einrichtung zertrümmert.«

»Sprachen Sie von den beiden Rumpoles?« hakte Jacob nach.

»Allerdings, Bartholomew Rumpole und sein Vetter Jack. Jack ist die giftige Natter, die sich hinter Barts breitem Rücken oder hinter seinem Messer versteckt. Ohne seinen Vetter wäre der Messerheld ein Nichts, und das weiß er wohl auch. Deshalb hält er Bart stets den Rücken frei. Ich wollte Sie vor den beiden warnen. Die Drohung, die Bart nach dem verlorenen Kampf ausgestoßen hat, sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Rumpoles sind für ihre Rauflust, ihre Rachsucht und ihre Hinterhältigkeit bekannt.«

»Vielen Dank für die Warnung«, sagte Martin. »Aber wir wollen uns nicht lange in Pittsburgh aufhalten. Sobald wir ein Schiff finden, das uns auf dem Ohio mitnimmt, fahren wir weiter. Am besten schon morgen.«

»Da haben Sie Pech. Heute erst, kurz vor Ihrer Ankunft, ist der Passagierdampfer ELIZABETH abgefahren. Das nächste reguläre Passagierschiff geht erst wieder in drei Tagen ab. Aber viele Frachtschiffe nehmen auch Passagiere mit. Am besten erkundigen Sie sich morgen im Hafen.«

»Das werden wir tun«, meinte Martin, während er herzhaft in das Kotelett biß.

Jacob wollte es nicht so recht schmecken. Er mußte ständig an Schulzes Warnung denken und an Bart Rumpoles Drohung gegenüber Martin: Du wirst hierfür noch bezahlen!

*

Von der Detonation des Schusses aufgeschreckt, eilte Vivian Marquand die schmale Treppe hinunter in die Geschäftsräume der Freight Agency. Als der Pulverrauch in ihre Nase stieg, wußte sie, daß sie sich nicht getäuscht hatte. Es war ein Schuß gewesen. Sie kannte den Geruch von Pulver nur zu genau. Spätestens seit dem Sklavenaufstand auf der Marquand-Plantage hatte er sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gebrannt, ebenso wie der Geruch von verbranntem Fleisch.

Ihre Füße verfingen sich in dem langen Kleid aus grünem Samt, und sie stürzte hin, rappelte sich wieder auf und lief weiter zum rückwärtigen Büro. Die Sorge um Alec trieb sie voran. Ihr Mann allein war ihr geblieben, nachdem der kleine, fünf Jahre alte George in den Flammen ums Leben gekommen war.

In dem Büro war der Pulvergeruch noch stärker. Erst sah Vivian Marquand niemanden, dann fiel ihr Blick auf ein Paar Stiefel, das hinter dem Schreibpult hervorragte. Entsetzen griff nach ihrem Herz, als sie um das Pult herumrannte.

Da lagen die beiden Männer. Die Frau begriff sofort, was sich abgespielt hatte. Sie hatte nicht nur einen Schuß gehört, sondern zwei gleichzeitig; daher die laute Detonation. Nur flüchtig sah sie Ross Bowman an. Ihr Blick ruhte auf Alec, der seitlich auf dem Clerk lag und dessen Hemd und Weste sich auf der Brust rot gefärbt hatten.

Vivian war eine schöne Frau von dreiunddreißig Jahren mit einem schmalen, makellosen Gesicht und flammendrotem Haar, das sie zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt trug und das einen wundervollen Kontrast zu dem Grün ihres Kleides bot. Aber jetzt verunstaltete Todesangst ihr Gesicht. Die Angst, mit Alec auch das letzte verloren zu haben, was sie am Leben hielt.