158124.fb2 Flu?piraten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

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Das aus nächster Nähe abgefeuerte Weichbleigeschoß verformte sich beim Aufprall auf Bart Rumpoles Körper zu doppelter bis dreifacher Größe und riß ein riesiges Loch in seine Brust. Der Getroffene starrte ungläubig auf dieses Loch, ließ das Brecheisen fallen und sackte dann selbst zu Boden.

Vivian staunte, wie leicht es plötzlich gewesen war, auf den Mann zu schießen. Vielleicht hatte dabei die Abscheu eine Rolle gespielt, die sie ihm gegenüber wegen der versuchten Vergewaltigung empfand.

Jack Rumpole starrte entsetzt auf seinen toten Vetter. Bart war immer sein großes Vorbild gewesen, und jetzt war er so einfach ausgelöscht wie eine Kerzenflamme. Als diese Erkenntnis in sein Gehirn drang, war ihm auch klar, daß die Frau nicht zögern würde, ihn ebenfalls zu töten. Als er in Vivians Augen blickte, las er dort feste Entschlossenheit.

Abwehrend hob er die Hände. »Tun Sie mir nichts, Ma'am, bitte! Ich werde Sie bestimmt nicht verraten!« Er fiel vor ihr auf die Knie und verschränkte flehend die Hände ineinander.

Vivian richtete die Mündung des Derringers auf seinen Kopf und drückte erneut ab.

*

Wie Jack Rumpole seinem Vetter im Leben in allen Dingen gefolgt war, folgte er ihm auch in den Tod.

Für Sekunden stand Vivian Marquand unbeweglich im Frachtraum und starrte auf die beiden Männer, die sie getötet hatte. Sie hatte es tun müssen, für die Sache des Südens, für General Pemberton und seine Männer, für Alec und sich selbst - und für den kleinen George.

Sie zwang sich zum logischen Denken. Ihre nächsten Schritte wollten wohlüberlegt sein, damit der Waffentransport nicht aufflog.

Sie hatte etwas Zeit, denn das laute Stampfen der Schiffsmaschine nebenan hatte die Detonationen der Schüsse verschluckt. Aber sie durfte nicht zu lange zögern. Die Einstiegsluke des Frachtraums stand noch offen. Sobald das jemand von der Besatzung bemerkte und nachsehen kam, hatte sie ihr Spiel verloren.

Deshalb verwarf sie die Idee, die beiden Männer im Ohio zu versenken. Wahrscheinlich hätte sie es gar nicht geschafft, den schweren Bart Rumpole die Treppe hinaufzuziehen. Und wenn doch, hätte es zuviel Zeit in Anspruch genommen. So steckte sie ihren Derringer zurück in die Handtasche und ging schnell hinauf. Oben verschloß sie die Luke und eilte zum Vorschiff.

Ihr war klar, daß der Waffentransport noch immer gefährdet war. Wenn man die Leichen im Frachtraum fand, würde sich Kapitän DeWitt seine Gedanken machen. Er war kein dummer Mann. Sie mußte etwas tun, um ihn vom Frachtraum abzulenken. Der Ort, an dem die Vettern gestorben waren, mußte wie zufällig erscheinen.

Als sie an der Kabine von Jacob Adler und Martin Bauer vorbeiging, kam ihr die rettende Idee. Sie blieb stehen, legte ihren Kopf an die Tür und lauschte, konnte aber nichts hören. Vorsichtig zog sie die Tür auf und hörte jetzt das ruhige Atmen der beiden Männer. Im schwachen Licht der Gestirne, das durch den Türspalt einfiel, sah sie Martin Bauer, der in der Koje lag, und Jacob Adler auf dem Fußboden. Da sich Jacob während seiner Wanderjahre als Zimmermannsgeselle daran gewöhnt hatte, auf dem Boden zu schlafen, hatte er seinem Freund die Koje überlassen.

Auf Zehenspitzen, wie sie vorhin ihre eigene Kabine verlassen hatte, schlich sie in den engen Raum, zog den Derringer aus der Handtasche und steckte ihn zwischen Martins Kleidung, die neben der Koje auf dem einzigen Stuhl lag.

Sie tat das nicht gern, weil sie die beiden Deutschen mochte und sie ihr gegen die Rumpoles geholfen hatten. Aber es war der einzige Ausweg, der ihr einfiel. Es mußte sein, für General Pemberton und die Sache des Südens!

Als Vivian die Kabine wieder verließ, warf sie einen letzten Blick auf Jacob und hoffte, der Verdacht würde nicht auch auf ihn fallen. Sie brauchte den Mann mit dem Ohrring noch.

Sie ging in ihre eigene Kabine und stellte erleichtert fest, daß Irene noch schlief. Rasch zog sich Vivian aus und legte sich hin.

Aber wieder fand sie keinen Schlaf. Wieder sah sie die Gesichter der Rumpoles vor sich. Doch diesmal blickten die Augen in den Gesichtern durch Vivian hindurch, wie es die Augen von Toten an sich hatten.

*

Als die Kabinentür aufgerissen wurde, war Jacob schlagartig wach. Die plötzliche Helligkeit, die durch die Türöffnung hereindrängte, hatte ihn weniger geweckt als der aufgeregte Lärm, der nichts Gutes verhieß.

Er setzte sich auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen und blickte in die wütenden Gesichter der Matrosen, die sich vor der Tür zusammendrängten und die Deutschen mit wüsten Beschimpfungen überfielen.

Aber sie schienen mehr von ihnen zu wollen. Jacob sah Knüppel in ihren Händen, Messer und ein Beil.

Was sollte das bedeuten? Was war geschehen so früh am Morgen? Die Sonne hatte sich kaum hinter dem Horizont hervorgewagt, und ihr Licht war noch recht blaß.

Auch Martin wurde jetzt wach, drehte sich unwillig um, blinzelte die Matrosen an, murmelte eine Verwünschung und fragte, was los sei.

»Das wißt ihr doch am besten, Dutchmen!« zischte ein sehniger Blonder, der Bo Svenson gerufen wurde und die Rumpoles schon bei der Auseinandersetzung in Schulzes Restaurant begleitet hatte. Er gehörte zu Bart Rumpoles treuesten Gefolgsleuten. Und jetzt hielt er einen dicken Knüppel in der Hand und schien begierig darauf zu sein, ihn gegen Jacob und Martin einzusetzen.

»Was wissen wir?« fragte Jacob vorsichtig, dem die Situation von Sekunde zu Sekunde weniger gefiel. Ein harmloser Spaß war das ganz sicher nicht. »Wenn ihr uns etwas vorzuwerfen habt, dann sprecht es aus!«

»Jetzt tun die Dutchmen so unschuldig wie Lämmer!« empörte sich einer der Matrosen.

»Yeah, dabei sind es gemeine Mörder!« schimpfte ein anderer und spuckte vor Jacob aus.

»Machen wir kurzen Prozeß mit ihnen!« schlug ein dritter vor. »Sie haben es nicht anders verdient.«

Der Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, und die aufgebrachte Meute drängte in die Kabine.

Jacob war klar, daß Worte allein ihm und Martin nicht weiterhalfen. Schnell griff er zwischen seine wenigen Habseligkeiten, die neben ihm an der Kabinenwand lagen, und zog den handlichen Rider-Taschenrevolver heraus, den sie in New York James Duncan abgenommen hatten. Er war nicht an Schußwaffen gewöhnt und konnte ihnen auch nicht viel abgewinnen, aber die Situation schien den Einsatz des Fünfschüssers zu erfordern. Jacob hoffte sehr, nicht abdrücken zu müssen.

»Halt, keinen Schritt weiter!« sagte er scharf, stieß den Rider nach vorn und zog den Hahn mit einem lauten Klacken zurück. »Wer noch einen Zoll weiter in die Kabine kommt, dem verpasse ich eine Kugel!«

Die Matrosen blieben stehen, als wären sie gegen eine unsichtbare Mauer geprallt. Unschlüssig sahen sie Jacob an.

»Seht ihr, es sind eiskalte Killer!« schrie Bo Svenson. »Sie gehen über Leichen!«

Martins verwirrter Blick wanderte von den Matrosen zu seinem Freund. »Sind über Nacht alle an Bord verrückt geworden? Was wollen die von uns?«

»Wenn ich das wüßte, wäre mir wohler«, knurrte Jacob und versuchte die Schweißperlen auf seiner Stirn zu ignorieren. Er wußte, daß er seine Aufmerksamkeit keine Sekunde von den Matrosen abwenden durfte.

»Tut nicht so unschuldig!« ereiferte sich Svenson. »Das wird euch auch nicht helfen!«

Unter den Matrosen entstand Unruhe. Sie bildeten eine Gasse, in der Kapitän DeWitt und die beiden Frauen erschienen.

DeWitt ließ seinen Blick mit offensichtlichem Befremden über die Szene gleiten. »Was soll der Aufruhr? Hatten wir nicht schon genug Ärger an Bord? Stecken etwa wieder Bart und Jack Rumpole dahinter?«

»Wie man's nimmt, Captain«, antwortete Svenson.

DeWitts Blick heftete sich auf den blonden Matrosen. »Was soll das heißen, Svenson? Drücken Sie sich gefälligst klarer aus! Was ist mit den Rumpole-Vettern?«

Svenson wartete mit seiner Antwort, um deren Wirkung auf den Kapitän zu erhöhen. »Bart und Jack sind tot, Sir.«

»Tot?« wiederholte DeWitt leise, als läge dies außerhalb seiner Vorstellungskraft.

»Yeah, Sir«, fuhr Svenson fort. »Sie liegen unten im Frachtraum. Wir haben sie zufällig entdeckt, weil die Einstiegsluke nicht richtig geschlossen war. Beide wurden erschossen. Von Jacks Kopf ist nicht allzuviel übriggeblieben.«

»Und Sie haben Mr. Adler und Mr. Bauer in Verdacht?«

Svenson nickte. »Natürlich, Sir. Wen sonst? Schon in Pittsburgh hatten die beiden eine Auseinandersetzung mit den Rumpoles. Bauer und Bart haben sich einen regelrechten Kampf geliefert, und Adler hat Jack angegriffen.«

»Weil der meinen Freund hinterrücks niederstechen wollte«, fügte Jacob hinzu.

»Dann stimmt es also«, meinte der Kapitän, »Sie hatten schon in Pittsburgh Streit mit den Rumpoles?«

»Ja«, antwortete Jacob. »Aber wir haben sie nicht umgebracht.«

»Wer sonst?«