158186.fb2 Im Tal der B?renmenschen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 13

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Auf einmal rief er: »Der Adler möge sich beeilen! Der Feuergott spuckt wieder seinen heißen Atem aus!«

Jacob hatte den Ausruf gehört. Er schaute nach unten und sah, was der Indianer gemeint hatte. Eins der harmlos aussehenden Wasserlöcher hatte zu brodeln begonnen. Immer aufgewühlter wurde das Wasser, bis es plötzlich kerzengerade in die Höhe stieg.

»George, spring!« rief der Mann am Seil und streckte seine Arme nach dem auf gleicher Höhe befindlichen Jungen aus.

Der zögerte. Eine Entfernung von etwa eineinhalb Fuß trennte ihn von seinem Retter. Das war nicht viel. Aber ein Fehlsprung war trotzdem möglich. Und der würde für George den sicheren Tod bedeuten.

Aber wenn die heiße Fontäne den Felspfeiler erreichte, würde das genauso sicher sein Ende sein. Der Junge würde auf dem vom Wasser glattgeschliffenen Gestein mit Sicherheit den Halt verlieren.

»Spring schon, George!« wiederholte Jacob seine Aufforderung. »Ich halte dich!«

»Tu es, Sohn!« brüllte von oben Sam Kelley. »Spring!«

Und George sprang. Jacob erkannte den Entschluß des Jungen, als es in dessen Augen plötzlich aufflackerte. George spannte sämtliche Muskeln seines Oberkörpers an und stieß sich ab. Er wußte, daß er schnell sein mußte. Bevor sein Körper Zeit fand, am glitschigen Fels abzurutschen. Bevor ihn die neue Fontäne erreichte.

Der Körper des Jungen fiel in Jacobs Arme. Gleichzeitig wurden die beiden Menschen von heißem Dampf eingehüllt.

Instinktiv schloß Jacob die Augen und hoffte, daß George es ihm gleichtat. Er hätte es dem Jungen gesagt, wenn er gekonnt hätte. Aber der Dampf raubte ihm den Atem und tat an seinem ganzen Körper so höllisch weh, daß er bald an nichts anderes mehr denken konnte.

Es schien Jacob eine Ewigkeit zu sein, während der er und George in der Fontäne hingen. Dabei waren es nur Sekunden. Die Männer oben auf der Brücke zogen aus Leibeskräften an dem Seil und hievten die beiden Menschen aus dem Atem des Feuergottes, wie es Mondauge genannt hatte. Zum Glück war diese Fontäne nicht so hoch und ausdauernd wie die vorangegangene.

Jacob registrierte mit Erleichterung, wie erst sein Kopf, dann sein Oberkörper und endlich auch seine Beine aus der sengenden Hitze befreit wurden. Noch immer war es ihm unmöglich, die Augen zu öffnen. Er spürte, wie die schwere Last - George - aus seinen Armen genommen wurde. Dann packten kräftige Hände nach ihm selbst und zogen ihn auf festen, felsigen Untergrund. Auf die Brücke.

Begann Jacob erst jetzt wieder zu atmen? Er wußte es selbst nicht. Jedenfalls genoß er die frische Luft in seinen Lungen, die - obwohl noch immer für eine Oktobernacht in den Rockies unnatürlich warm - ihm kühl und belebend erschien. Kein Vergleich zu der alles verschlingenden Hitze der Dampffontäne.

Als er die Augen öffnete, sah er die besorgten Gesichter seiner Kameraden. Melvin Freeman hielt einen großen Eimer in den Händen und entleerte ihn über Jacob. Eiskaltes Wasser ergoß sich über den jungen Deutschen.

Als die kühle Dusche überstanden war, schnappte Jacob prustend nach Luft - und fühlte sich viel besser als zuvor. Naß war er schon durch den Dampf gewesen. Aber die Dusche linderten das Brennen ein wenig.

Er sah Jackson Harris mit einem zweiten Eimer neben George stehen.

Auch der Junge hatte seine Dusche erhalten.

»Wie geht es George?« erkundigte sich der Treck-Captain mit schwacher Stimme.

»Ähnlich wie Ihnen, Jacob, nicht besonders«, antwortete Custis Hunter. »Aber viel besser, als wenn er jetzt da unten wäre.«

Mit leichtem Schaudern sah der aus Missouri stammende Sohn eines Plantagenbesitzers in die Tiefe.

Jacob und George wurden von hilfreichen Händen entkleidet und abgetrocknet, damit sie sich keine Lungenentzündung holten. Daß ihnen Frauen zusahen, störte sie in dem Moment kein bißchen. Sie hatten am ganzen Körper Verbrennungen davongetragen. Nur ihre Kleidung hatte sie vor dem Schlimmsten bewahrt. Wären sie dem Dampf länger ausgesetzt gewesen, hätte es sicher anders ausgesehen. Butter wurde herbeigeschafft, mit der die schlimmsten Wunden zur Schmerzlinderung eingestrichen wurden. Jacob und George zogen trockene Kleidung an.

Dann ging es weiter. Langsam, zögerlich, vorsichtig. Jedesmal, wenn sich eine neue Fontäne erhob, zuckten die Menschen erschrocken zusammen. Aber obwohl der Treck immer tiefer kam, der Quelle der fast unerträglichen Hitze entgegen, geschah kein weiteres Unglück. Die Fontänen schossen in gebührender Entfernung von der Steinbrücke empor.

Die Auswanderer hatten es schon fast geschafft und atmeten auf, da entstand hinten bei der Viehherde Unruhe. Niemand vermochte hinterher zu sagen, was der Grund für die Unruhe war. Die hinteren Tiere drängelten, vielleicht weil sie das Ende des gefahrvollen Wegs ahnten. Die vorderen Tiere wurden zusammengeschoben und verloren den Halt.

Zwei Milchkühe stürzten von der Brücke und wurden binnen Sekunden von einem heißen Wasserloch verschluckt. Mit bleichen Gesichtern sahen die Menschen zu und dachten daran, daß jeder von ihnen an der Stelle der unglücklichen Tiere hätte sein können.

So gesehen, hatte der gefährliche Weg über die Steinbrücke dem Treck nur ein kleines Opfer abverlangt. Der Feuergott hatte Milde walten lassen.

*

An ihrem unteren Ende dehnte sich die Steinbrücke auf fast das Dreifache ihrer durchschnittlichen Breite aus und ging nahtlos in den an dieser Stelle felsigen Boden über.

Jacob hätte sich gewünscht, die Brücke wäre überall so breit gewesen. Das hätte ihnen der Verlust der Kühe und den Beinahe-Verlust von George Kelley erspart. Außerdem wäre der Treck viel schneller vorangekommen.

Für Martin war ein schnelles Vorankommen lebenswichtig. Sein Atem und sein Puls waren kaum noch festzustellen. Deshalb trieb der Captain seinen Treck zur Eile an, obgleich sich die Auswanderer nach der überstandenen Strapaze gern eine Ruhepause gegönnt hätten.

»Wie weit ist es noch, Mondauge?« fragte er den Indianer.

»Das Tal der heißen Wasser ist groß. Aber wenn sich die Weißen und Schwarzen beeilen, werden sie die Häuser von Mondauges Volk noch vor Sonnenaufgang erreichen.«

Der Treck setzte seinen Weg fort und ließ die Brücke mit den unter ihr zischenden und blubbernden Wasserlöchern und Geysiren hinter sich. Das rötliche Leuchten, das von diesem seltsamen Gebiet ausstrahlte, wurde blasser und verschwand schließlich ganz, bis das einzige Licht die fahle, schwache Helligkeit der hinter einer dicken Wolkenschicht verborgenen Gestirne war.

Stunde um Stunde rollten die Wagen durch das Tal, der Erschöpfung und der Müdigkeit von Mensch und Tier zum Trotz. Den Weg säumten erst wild zerklüftete Felsformationen. Aber je näher die Auswanderer ihrem Ziel, der Wohnstätte von Mondauges Volk, kamen, desto fruchtbarer wirkte das Land, soweit die Schleier der Nacht es ihnen enthüllten. Wälder, Wiesen und dann sogar planmäßig angelegte Felder wechselten einander ab. Immer wieder kam ein breiter Fluß in Sicht, an dessen rechtem Ufer Mondauge den Treck entlangführte. Das Gewässer nahm unter der Steinbrücke seinen Anfang und führte anscheinend durch das gesamte Tal.

Und plötzlich tauchten sie rechts und links der Wagen auf: wie aus dem Nichts erscheinende Geister. Dunkle Gesichter und sehnige Körper, häufig in Felle gekleidet. Gespannte Gesichter mit mißtrauisch blickenden Augen. Speer- und Pfeilspitzen, die auf die Auswanderer gerichtet waren.

Die Männer des Trecks reagierten sofort. Revolver wurden aus den Holstern, Gewehre aus den Scabbards gezogen. Das Klicken von zurückgezogenen Hähnen erfüllte die Nacht. Das Knarren der mehr als zwanzig Wagen erstarb, als die Kolonne wie auf ein geheimes Zeichen anhielt. Nur das Schnauben der Tiere und das Scharren ihrer Hufe dauerten an.

Auch Jacobs Hand hatte sich in einer instinktiven Reaktion zu dem Scabbard mit seinem Sharps-Karabiner bewegt. Aber er bezähmte sich rechtzeitig, nahm die Hand zurück zum Zügel und blickte Mondauge abwartend an. Der Treck-Captain wollte das mühsam aufgebaute Vertrauen nicht zerstören.

»Die Krieger des Adlers mögen ihre Waffen senken«, sagte Mondauge ruhig. »Von meinem Volk droht ihnen keine Gefahr.«

»Das glaube ich Mondauge«, erwiderte Jacob. »Aber solange Mondauges Krieger ihre Waffen auf meine Leute richten, entsprechen die Taten nicht Mondauges Worten.«

Mondauge blickte erst Jacob, dann die Indianer an. Er rief einen kurzen Befehl in die Nacht, und seine Krieger senkten ihre Waffen.

»Uns droht keine Gefahr!« rief Jacob, der sich im Sattel umgedreht hatte und an den Wagen entlangsah. »Steckt die Waffen weg, Männer!«

Die meisten Auswanderer befolgten seinen Befehl, wenn auch zögernd. Ein paar Männer aber, die aus den Sätteln und von den Böcken gestiegen waren und sich um Toby Cullen versammelt hatten, hielten ihre Waffen weiterhin schußbereit in den Händen.

Jacob ritt zu ihnen hin, ließ den Grauschimmel knapp vor der sechsköpfigen Gruppe anhalten und blickte forschend in die Runde. Er war sich sicher, daß Cullen der Wortführer war, als die anderen den Barbier abwartend ansahen.

Er stützte sich aufs Sattelhorn, musterte den Rotbärtigen eingehend und fragte: »Was soll das, Cullen? Haben Sie meinen Befehl nicht gehört?«

In den kleinen Augen des Barbiers blitzte es gefährlich auf. Der Burnside-Karabiner in seinen Händen schwenkte ein Stück herum, bis die Mündung fast auf Jacob zeigte.

»Gehört haben wir Ihren Befehl schon. Allerdings sind wir uns nicht sicher, ob es klug ist, ihn zu befolgen.«

»Das spielt keine Rolle!« entgegnete Jacob hart. »Ich bin der Treck-Captain. Sie haben meine Befehle zu befolgen, ganz gleich, ob sie Ihnen sinnvoll erscheinen oder nicht!«

»Aber nicht, wenn ich dabei mein Leben, das meiner Freunde und unserer Familien aufs Spiel setze, Captain. Das Ganze sieht mir sehr nach einer Falle aus. Wer weiß, wie viele Rote sich noch im Gebüsch versteckt halten.«

»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß ich Mondauge vertraue.«

»Sie vielleicht, Captain, wir aber nicht.« Er blickte kurz auf den Lauf seines Karabiners. »Wir vertrauen lieber auf unsere Waffen.«

Diesen Augenblick der Unachtsamkeit nutzte Jacob aus, um sich zur Seite zu beugen, die Rechte um den Lauf des Burnsides zu legen und ihn dem Barbier aus der Hand zu reißen.