158192.fb2 Indiana Jones Die Gefiederte Schlange - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 3

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KUBA

Entgegen dem, was Joana behauptet hatte, reichte das Benzin natürlich nicht für einen Nonstop-Flug von New Orleans nach Havanna. Sie mußten zweimal zwischenlanden, um die Tanks des Wasserflugzeugs wieder aufzufüllen, und zumindest einmal kostete es Indiana all seine Überredungskunst (und einen nicht unerheblichen Teil seiner ohnehin schon arg zusammengeschrumpften Barschaft), um einen sehr mißtrauischen Hafenmeister davon zu überzeugen, ihnen den nötigen Treibstoff auszuhändigen und außerdem den Umstand zu vergessen, daß am Steuer des Wasserflugzeuges ein Kind saß. Sie legten einen weiteren Zwischenstop ein, als Joana müde wurde, und Indiana bestand darauf, daß sie sich auf der hinteren Sitzbank der Cessna ausstreckte und acht Stunden ununterbrochen durchschlief.

Sie erreichten Kuba am frühen Abend des darauffolgenden Tages, und Joana erhob keine Einwände, als Indiana vorschlug, nicht direkt im Hafen von Havanna, sondern in einer kleinen Bucht wenige Meilen entfernt zu wassern und das Flugzeug zu verstecken. Immerhin war es gut möglich, daß sie die Maschine noch brauchten, um die Insel auf demselben Wege wieder zu verlassen, auf dem sie sie erreicht hatten.

Obwohl sie noch gut drei oder vier Stunden Tageslicht erwarten konnten, erhob sie keinerlei Einwände, als er vorschlug, die Nacht hier zu verbringen und erst am nächsten Morgen in die Stadt zu gehen. Trotz all seiner dementsprechenden Versuche hatte Joana sich bisher beharrlich geweigert, ihm das Ziel ihrer Reise zu verraten; ebenso, wie sie kein Sterbenswörtchen über das Geheimnis der Maya-Anhänger oder der beiden Indios verloren hatte. Obwohl Indiana sicher war, daß sie es zumindest zum Teil kannte.

Aber immerhin waren sie sich während des langen Fluges ein wenig nähergekommen. Sie hatten viel miteinander geredet: Joa-na über sich und ihren Vater und Indiana über sich und Joanas Vater. Indiana hatte bald gemerkt, daß Swanson tatsächlich soviel von ihm erzählt haben mußte, wie Joana anläßlich ihrer ersten Begegnung eher beiläufig gesagt hatte; und daß er, mit seiner gewohnten Art, das eine oder andere ein wenig übertrieben darzustellen, ein Bild von Dr. Indiana Jones gezeichnet hatte, dem eigentlich nur noch der blaue Strampelanzug fehlte, um ihn zu einer Art Superman zu machen. Es war ihm beinahe peinlich geworden, all die Übertreibungen richtigzustellen, die Swanson offensichtlich in seine Erzählungen über Indianas Abenteuer hatte einfließen lassen.

Aber irgendwann hatte er gespürt, daß Joana dies gar nicht wollte. Wahrscheinlich hatte sie ohnehin nicht die Hälfte von dem geglaubt, was ihr Vater über den berühmten Dr. Indiana Jones erzählt hatte; aber jetzt, nach seinem Tod, an seinen Worten zu zweifeln, das mußte für sie irgendwie sein, als versuchte Indiana, nicht sich selbst, sondern Swanson kleiner zu machen.

So hatte er es aufgegeben und schließlich nur noch mit einem Achselzucken, einem verlegenen Blick oder einem Lächeln auf ihre Fragen geantwortet. Davon abgesehen, war nichts von dem, was Swanson seiner Tochter über ihn erzählt hatte, wirklich gelogen gewesen — es war eben nur ein Unterschied, ob man an einer gefährlichen Expedition teilnahm und sich wochen-, wenn nicht gar monatelang durch den Dschungel, die Wüste oder eine Einöde aus Felsen und Eis schleppte oder ob man von dieser Zeit und all den Gefahren, die man währenddessen überstehen mußte, in wenigen Sätzen und Augenblicken berichtete.

Indiana hätte ihr sagen können, daß die meisten Abenteuer nur aus Mühe, Schweiß, Hunger, Durst und Verzweiflung bestanden und die meisten Heldentaten aus purer Angst begangen wurden. Aber vermutlich wußte Joana das genausogut wie er, und wahrscheinlich wollte sie es gar nicht hören.

Als sie an diesem Abend in der Kabine der Cessna nebeneinandersaßen und das phantastische Schauspiel des Sonnenuntergangs beobachteten, überkam Indiana ein sonderbares Gefühl der Vertrautheit. Joana ähnelte ihrem Vater mehr, als er am Anfang geahnt hatte.

Sie sah ihm nicht nur ähnlich, sie war wie eine jüngere, naivere Ausgabe seines Freundes.

Sie hatte die gleiche forsche Art, Probleme anzugehen, wobei sie genau wie ihr Vater manchmal dazu neigte, sich selbst zu über- und die Gefahren, in die sie sich begab, zu unterschätzen.

Sie hatte die gleiche Art zu reden und ihre Worte mit kleinen nervösen Gesten zu begleiten, und sie hatte den gleichen verträumten Ausdruck im Blick, wenn sie von zu lösenden Rätseln, untergegangenen Kulturen und verschollenen Geheimnissen sprach.

Indiana hatte das Gefühl, dieses Mädchen nicht erst seit zwei Tagen, sondern bereits seit Jahren zu kennen. Und als sie sich schließlich an seine Schulter kuschelte und den Kopf gegen seinen Hals lehnte, da war es wie das Selbstverständlichste von der Welt, daß er den Arm ausstreckte und ihn Joana um die Schulter legte. Natürlich war er sich darüber im klaren, daß er Joana und vor allem sich selbst belog; aber für diese wenigen, kostbaren Momente gelang es ihm tatsächlich, weder an die überstandenen Gefahren zu denken, noch an die, die vielleicht noch vor ihnen lagen. Weder an die schießwütigen Indios, noch an die Polizei von New Orleans, die vermutlich darauf brannte, ihm gewisse Fragen zu stellen. Weder an seinen Freund José, von dem er gar nicht mehr sicher war, ob er wirklich jemals sein Freund gewesen war, noch daran, daß Joana ihn praktisch erpreßt hatte, sie hierher mitzunehmen. Er gönnte sich einfach den Luxus, all dies zu vergessen und nur die Schönheit des Moments zu genießen: den prachtvollen Sonnenuntergang draußen vor dem Kabinenfenster, das angenehme Gefühl, Joanas Gesicht und Wärme an der Schulter zu spüren, und die Schönheit des menschenleeren Sandstrandes, der im letzten Licht der untergehenden Sonne schimmerte, als wäre er mit flüssigem Gold überzogen.

Eine sonderbar angenehme Art von Müdigkeit überkam ihn, eine Entspannung, die er sich viel zu selten erlaubte und die ihm deshalb vielleicht um so angenehmer erschien. So spürte er im ersten Moment gar nicht, wie sich Joana an seiner Schulter bewegte und den Kopf so drehte, daß sie ihn ansehen konnte. Erst als sie die Hand hob und mit den Fingerspitzen fast spielerisch seine Wange berührte, öffnete er wieder die Augen und begegnete ihrem Blick.

Etwas Neues war darin, etwas, das Indiana bisher noch nicht bemerkt hatte. Sie lächelte, und sie tat es auf eine ganz bestimmte Art und Weise, und in das Gefühl wohliger Mattigkeit, das von Indiana Besitz ergriffen hatte, mischte sich eine vage Beunruhigung, ohne daß er ihren Grund im ersten Moment erkannte.

«Bist du nicht müde?«fragte er.

«Nicht besonders«, antwortete Joana.

«Du solltest versuchen, ein wenig zu schlafen«, riet Indiana.»Du hast den ganzen Tag hinter dem Steuer gesessen, und wir müssen morgen sehr früh raus. Es ist ein schönes Stück Weg bis Havanna.«

«Ich weiß«, antwortete Joana,»aber wir haben Zeit. Das Schiff kann frühestens in drei oder vier Tagen hier sein.«

Indiana seufzte.»Es wäre alles sehr viel einfacher, wenn du mir verraten würdest, was das alles zu bedeuten hat«, sagte er.

Joana lachte leise und schüttelte den Kopf.»Keine Chance. Ich traue Ihnen nicht über den Weg, Dr. Jones«, sagte sie spöttisch.»Sie bringen es fertig und schleichen sich mitten in der Nacht weg und lassen ein armes, hilfloses Mädchen völlig allein hier in der Wildnis zurück.«

«Das stimmt«, gestand Indiana ernst.»Wenn du nur begreifen könntest, daß ich mir schlicht und einfach Sorgen um dich mache, Joana. Das hier ist kein Spiel.«

Joana lachte erneut.»Was ist los?«fragte sie.»Hat der berühmte Dr. Jones etwa plötzlich Angst?«

«Ja«, sagte Indiana ernst.»Aber nicht um mich, sondern um dich.«

«Ich kann schon auf mich aufpassen«, erwiderte Joana, aber Indiana fuhr unbeirrt fort:

«Daran zweifle ich nicht. Aber dein Vater war ein Freund von mir, weißt du? Ein sehr guter Freund. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn dir etwas zustieße.«

Joana zog einen Schmollmund.»Ja, dann wirst du wohl auf mich aufpassen müssen, Onkel Indy«, sagte sie spöttisch und fügte nach einem sekundenlangen Zögern hinzu:

«Ich dachte immer, du fühlst dich in gefährlichen Situationen so wohl wie ein Fisch im Wasser?«

Indiana blieb ernst.»Es gibt auch Menschen, die behaupten, daß ich Ärger anziehe wie ein Magnet«, antwortete er.

«Ich hab’ keine Angst«, sagte Joana noch einmal.

Indiana seufzte wieder tief und schüttelte den Kopf. Er sah Joa-na sehr ernst an.»Joana, das ist kein Spiel! Und das ist auch keines von den Abenteuern, von denen dir dein Vater erzählt hat. Es gibt einen Unterschied.«

«Und welcher ist das?«

«Daß wir diese Abenteuer alle überlebt haben«, sagte Indiana ernst.»Sonst hätte dein Vater dir kaum davon erzählen können.«

Joana lachte.»Und du meinst, wir würden das hier nicht überleben?«

Indiana blieb ernst.»Das hier ist eine Geschichte auf Leben und Tod, und ich weiß, verdammt noch mal, noch nicht einmal, worum es überhaupt geht. «Er schwieg einen Moment.»Es hat mit diesen Anhängern zu tun, nicht wahr?«fragte er dann.»Und dem, den du hattest?«

Joana nickte.»Ja, und den …«

Sie sprach nicht weiter, sondern zog die Unterlippe zwischen die Zähne und biß sich kurz und heftig darauf. Die Worte waren ihr gegen ihren Willen herausgerutscht.

«Und den?«fragte Indiana.

Aber Joana schüttelte nur den Kopf.»Ich erzähle dir alles«, sagte sie.»Später. Vielleicht morgen. Und jetzt hör auf zu reden.

Der Abend ist viel zu schön, um sich Sorgen zu machen. In einem Moment wie diesem gibt es Besseres, was man tun kann.«

Und dann tat sie etwas, das Indiana so überraschte, daß er im ersten Moment völlig wehrlos war: Sie richtete sich ein wenig auf, nahm sein Gesicht in beide Hände und küßte ihn.

Im ersten Augenblick war Indiana völlig perplex. Ihre Lippen waren weich und warm, und er spürte, daß er ganz gewiß nicht der erste Mann war, mit dem sie das tat. Und für die ersten Sekundenbruchteile genoß er es sogar. Doch dann begriff er, was er tat, hob hastig die Arme und schob Joana grob von sich fort.

«Was hast du?«fragte sie verwirrt.»Hab’ ich irgend etwas falsch gemacht?«

«Nein«, sagte Indiana.»Das ist es nicht.«

Joana wirkte ein bißchen verletzt.»Hat es dir nicht gefallen?«fragte sie.

«Doch«, gestand Indiana.»Sehr. Das ist es ja gerade.«

Einen Moment lang sah Joana ihn verstört an. Da erlosch das Lächeln in ihren Augen und machte dem Ausdruck von kindlichem Zorn und verletztem Stolz Platz.

«Bin ich dir zu jung?«

«Nein«, antwortete Indiana und rutschte ein kleines Stück von ihr weg. Plötzlich fühlte er sich verlegen wie ein Primaner bei seinem ersten Rendezvous.»Oder doch«, fuhr er fort.»Du bist … Ich meine … Ich könnte immerhin dein Vater sein.«

«Aber du bist es nicht«, sagte Joana ernst. Sie streckte die Hand aus und berührte ihn an der Schulter. Indiana rutschte ein weiteres Stück von ihr fort, bis er gegen die Tür stieß, und Joana zog den Arm beleidigt zurück.

«Ich gefalle dir nicht«, vermutete sie.

«Du bist Gregs Tochter«, sagte Indiana halblaut und ohne sie anzusehen.

«Das ist doch Unsinn!«Joana schüttelte zornig den Kopf. Indiana sah sie nicht an, aber er sah die Bewegung als matte Reflexion in der Kanzelscheibe.»Ich meine, jede Frau ist irgend jemandes Tochter, oder?«

«Aber nicht alle Frauen sind die Töchter meines besten Freundes«, antwortete Indiana. Er kam sich immer hilfloser vor. Es fiel ihm schwer, überhaupt noch zu reden. Warum stellte sie solche Fragen? Warum tat sie das?

«Bitte Joana«, sagte er.»Hör auf damit. Es ist alles auch so schon schlimm genug.«

«Ich verstehe. «Joanas Stimme klang plötzlich hart.

«Nein, du verstehst überhaupt nichts«, fauchte Indiana. Wütend riß er die Tür auf, sprang aus der Maschine und watete durch das knietiefe Wasser ans Ufer. Joana rief ihm irgend etwas nach, das er nicht verstand — was vermutlich auch besser war —, aber er achtete auch gar nicht darauf, sondern entfernte sich ein gutes Stück von der Maschine, ehe er stehenblieb und, zornig auf sich selbst, auf Joana und überhaupt auf die ganze Welt, die Hände in die Jackentaschen rammte.

Was war nur mit ihm los? Es fiel ihm doch sonst nicht schwer, mit unerwarteten Situationen fertigzuwerden? Wieso brachte ihn dieses dumme Kind so aus dem Gleichgewicht? Situationen wie diese waren ihm nicht einmal fremd: An seiner Universität in Cincinatti gab es mehr als eine Studentin, die ein Auge auf den gutaussehenden Professor geworfen hatte, dem nicht nur der Ruf vorauseilte, ein ebenso leidenschaftlicher Abenteurer wie brillanter Wissenschaftler zu sein, sondern der auch als besonders charmant galt. Er hatte sich schon mehr als einmal aus Situationen wie diesen herauswinden müssen, wobei er jedesmal ein erstaunliches Geschick und ein großes Maß an Diplomatie an den Tag gelegt hatte. Jetzt …

Nein, er begriff es nicht ganz. Joana verwirrte ihn mehr, als ihm bisher klar gewesen war. Er mochte sie. Bisher hatte er sich eingeredet, daß die tiefe Sympathie, die er ihr gegenüber verspürte, einzig auf der Tatsache beruhte, daß sie Gregs Tochter war, aber vielleicht stimmte das gar nicht, vielleicht war da mehr — und wenn das so war, dann war es ein Gefühl, das einfach nicht sein durfte. Ihr Vater war praktisch in seinen Armen gestorben, und sein letzter Gedanke hatte seiner Tochter gegolten, und indem Indiana ihm versprochen hatte, seinen letzten Wunsch zu erfüllen, hatte er auch gleichzeitig — und sei es nur sich selbst gegenüber — das Versprechen abgelegt, auf seine Tochter aufzupassen. Er hoffte nur, daß der Eid, den er sich selbst gegenüber geschworen hatte, stärker war als seine Gefühle.

Es dauerte lange, bis Indiana sich wieder soweit in der Gewalt hatte, daß er sich herumdrehte und zum Flugzeug zurückging. Als er wieder in die Kabine stieg, war die Sonne längst untergegangen. Als er am nächsten Morgen erwachte, war Joana nicht mehr da. Er hatte auch in dieser Nacht nicht besonders gut geschlafen; die Kabine war eng, und die unbequemen Sitze waren nicht dazu gedacht, darauf zu übernachten. Im ersten Moment fühlte er sich benommen und hatte Mühe, überhaupt wach zu werden. Blinzelnd und heftig gähnend sah er sich um, starrte den leeren Sitz neben sich volle zehn Sekunden lang an, ehe er begriff, daß er allein war. Dann fuhr er mit einem so jähen Ruck hoch, daß er mit der Stirn gegen die Metallverstrebung des Fensters prallte und benommen wieder zurücksank.

Alle möglichen Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Die Tatsache, daß Joana nicht da war, konnte ein Dutzend verschiedene Gründe haben — aber so, wie sie sich am vergangenen Abend benommen hatte, war ihr durchaus zuzutrauen, daß sie sich einfach entschlossen hatte, den Spieß herumzudrehen und ihn allein hier zurückzulassen, um auf eigene Faust weiterzuforschen.

Hastig riß er die Kabinentür auf, sprang ins Freie und lief um das Flugzeug herum. Der Strand war leer. Indiana rief ein paarmal laut Joanas Namen, bekam keine Antwort und rannte mit wachsender Sorge über den schmalen Sandstreifen den angrenzenden Hügel hinauf. Oben angekommen, blieb er abermals stehen und rief wieder nach Joana.

Er bekam auch diesmal keine Antwort. Aber dann entdeckte er sie doch: Sie schwamm gute hundert, wenn nicht hundertfünfzig Meter vom Ufer entfernt im Meer. Nur noch ein kleiner, auf und ab hüpfender Punkt mit blondem Haar im glasklaren Wasser.

Indiana bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund und rief wieder ihren Namen, und diesmal verstand sie ihn. Er sah, wie sie im Schwimmen innehielt und den Kopf wandte.

Aber sie machte keine Anstalten, sofort zurückzukommen, sondern schwamm noch ein gutes Stück weiter hinaus, bis Indiana sie schon fast gar nicht mehr sehen konnte, ehe sie sich dann endlich doch entschied, kehrtzumachen, und mit kraftvollen Schwimmbewegungen wieder auf das Ufer zustrebte.

Indiana lief ihr entgegen. Er erreichte den Strand und die Stelle, an der sie ihre Kleider liegengelassen hatte, fast im gleichen Moment, in dem sie nahe genug herangeschwommen war, um sich im Wasser aufzurichten und den Rest des Weges durch die Brandung watend zurückzulegen.

Sie trug keinen Badeanzug, sondern nur dünne, seidene Unterwäsche, die noch dazu naß war und so an ihrem Körper klebte, daß sie genausogut auch gar nichts hätte anhaben können. Einen Moment lang wußte Indiana nicht so recht, wohin mit seinen Blicken. Dann wandte er sich mit einem Ruck um, vergrub die Hände in den Jackentaschen und begann nervös mit den Füßen im Sand zu scharren, während hinter ihm Joanas Schritte lauter wurden.

«Guten Morgen, Dr. Jones«, sagte sie spitz.»Beobachten Sie immer junge Mädchen beim Baden?«

Indiana räusperte sich verlegen. Er sah immer noch in die entgegengesetzte Richtung, aber ihr Schatten zeichnete sich deutlich vor ihm auf dem weißen Sand ab, während sie hinter ihm in die Knie ging, nach ihren Sachen griff und sich aufreizend langsam anzuziehen begann.

«Du warst nicht da, als ich aufgewacht bin«, sagte er.»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«

«So?«antwortete Joana.»Sicher, auf kleine Kinder muß man besonders achtgeben, nicht wahr?«

«Joana …«seufzte Indiana.»Bitte versteh doch. Ich …«

«Sparen Sie sich Ihren Atem, Dr. Jones«, unterbrach ihn Joana.»Sie können sich jetzt übrigens wieder umdrehen.«

Indiana gehorchte — und verdrehte eine Sekunde später die Augen. Joana war wieder in Rock, Strümpfe und Schuhe geschlüpft, hatte die Bluse aber nicht zugeknöpft, sondern sie sich nur locker über die Schultern gehängt.

«Laß den Unsinn«, sagte er ärgerlich.»Zieh dich ganz an. Wir müssen weg. «Für einen Moment war er unschlüssig, ob er sich nun über Joanas Benehmen ärgern oder einfach darüber lachen sollte.

Joana schürzte trotzig die Lippen und funkelte ihn unter ihrem nassen Pony hinweg an.»Ich dachte, Sie machen sich nichts aus mir, Dr. Jones?«sagte sie.

Indiana räusperte sich und sah wieder weg.»Ich bin schließlich nicht aus Holz«, antwortete er.

«Gestern abend hatte ich das Gefühl, Sie wären es«, antwortete Joana schnippisch.

Indiana setzte zu einer scharfen Antwort an, besann sich dann aber im letzten Moment eines Besseren und drehte sich wortlos um, um den Hang hinaufzugehen. Nach kurzem Zögern folgte ihm Joana. Indiana ging sehr schnell, und er widerstand auch der Versuchung, sich zu Joana herumzudrehen, um sich davon zu überzeugen, ob sie auch Schritt hielt. Joanas Verhalten ärgerte ihn wirklich; aber zu einem Großteil galt dieser Ärger eigentlich eher ihm selbst. Er bezweifelte mittlerweile, daß Gregs Tochter gestern abend überhaupt gewußt hatte, worauf sie sich da um ein Haar eingelassen hätte. Natürlich hatte er richtig reagiert — aber er hätte es ein wenig diplomatischer tun können. Im Augenblick war es nun einmal so, daß er mehr auf sie als sie auf ihn angewiesen war.

Sie überquerten den Hügel, auf den er vorhin hinaufgestiegen war, um nach Joana Ausschau zu halten, liefen auf der anderen Seite wieder hinab und arbeiteten sich durch einen kaum fünfhundert Meter breiten Streifen dicht wuchernden Dschungels. Dahinter lag die Straße, die nach Havanna führte. Sie hatten sie am vergangenen Abend gesehen, bevor Joana das Flugzeug in der Bucht wasserte.

Als sie das Waldstück hinter sich gebracht hatten, war Indianas Vorsprung auf gut hundert Meter angewachsen. Er blieb stehen, sah nun doch kurz zu Joana zurück und wartete geduldig, bis sie zu ihm aufgeholt hatte. Aber sie tat es nicht ganz, sondern kam nur bis auf etwa zehn Meter heran, ehe auch sie stehenblieb und ihn zornig anfunkelte.

«Zufrieden?«fragte sie zornig.

Indiana verstand nicht einmal genau, was sie mit dieser Frage meinte. Er wollte es auch gar nicht wissen.

«So geht das nicht weiter, Mädchen«, sagte er.

Joanas Gesichtsausdruck verfinsterte sich schon wieder, und Indiana beeilte sich, rasch und mit erhobener Stimme fortzufahren:»Ich wollte dich wirklich nicht beleidigen, gestern abend. Du gefällst mir, wirklich! Du gefällst mir sogar ein bißchen zu gut, weißt du das?«

«Was meinst du damit?«erkundigte sich Joana mißtrauisch.

«Verdammt — ich habe es dir schon einmal gesagt — ich bin nicht aus Holz!«antwortete Indiana.»Natürlich sehe ich, daß du eine Frau bist, sogar eine verdammt hübsche Frau. Aber ich … ich. «Er seufzte, suchte einen Moment krampfhaft nach Worten und sagte schließlich:»Du bist Gregs Tochter. Und außerdem zu jung.«

«So?«sagte Joana spitz.»Wie alt muß eine Frau denn sein, bis der berühmte Indiana Jones sich mit ihr einläßt?«

Indiana gab auf. Er begriff, daß er mit Vernunftsargumenten bei Joana nicht weiterkommen würde.

«Mindestens volljährig«, sagte er verärgert. Dann drehte er sich mit einem Ruck herum, trat auf die Straße hinaus und wartete auf einen Wagen, der auf dem Weg nach Havanna war und den er aufhalten konnte.