158219.fb2 Kansas City - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 19

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Jacob glitt aus dem Sattel und kniete sich neben seinem Freund hin. Martin schlug gerade die Augen auf und starrte Jacob an wie einen Geist.

»Ich hätte nicht gedacht, daß es im Himmel einen Doppelgänger von Jacob gibt«, krächzte er.

Der junge Zimmermann grinste seinen Freund erleichtert an. »Und ich hätte nicht gedacht, daß du dies hier für den Himmel hältst, mein Freund.«

*

Der Schuß auf Patrick O'Rourke hatte die lynchwütigen Auswanderer eingeschüchtert und ihnen gezeigt, daß der Tod kein Spiel war. Daß er auch sie jederzeit treffen konnte.

Es gelang Jacob und den Ordnungshütern, Martin unter der Rückendeckung von Custis Hunter und Melvin aus dem Lager und in die Stadt zu bringen, wo der geschwächte Deutsche in die Obhut eines Arztes gegeben wurde. Marshal Webb trommelte ein halbes Dutzend vertrauenswürdiger Männer zusammen, die er zu Hilfspolizisten vereidigte und als Wachen im Haus des Arztes ließ.

Jacob bedankte sich bei den beiden unerwartet aufgetauchten Helfern und erfuhr, daß sie mit dem Zug aus Blue Springs gekommen waren und sich dem Auswanderertreck anschließen wollten. Deshalb waren sie zum Lager des Trecks gegangen.

Mit ihnen waren Virginia Cordwainer, die Mutter von Custis' kleinem Sohn, und ihre schwarze Dienerin Beth in die große Stadt am Missouri gereist.

Custis hatte die Plantage seines Vaters verkauft, nachdem er allen Sklaven die Freiheit geschenkt hatte, und wollte sich fern im Westen eine neue Existenz aufbauen. Für sich und seine Familie. Er gedachte Virginia in Kürze zu heiraten.

Vielleicht würde es eine Doppelhochzeit werden, kündigte Melvin an, der Gefallen an Beth gefunden hatte.

*

Dieser heiße Julitag schien nicht dazu bestimmt zu sein, Jacob und seinen Freunden längerfristig Freude zu bereiten. Sam Kelley und Ben Miller suchten aufgeregt den Marshal, in ihrer Begleitung eine junge Schwarze.

Sam berichtete, wie er seinen verschwundenen Schwager gesucht hatte und dabei auf die Frau gestoßen war, die ihn ansprach, als er Jackson Harris' Namen rief. Sie hatte gesehen, wie drei Weiße den ehemaligen Sklaven entführt hatten. Ihrer Beschreibung nach handelte es sich bei den Weißen eindeutig um die Sklavenjäger.

Bowden Webb sah die Schwarze skeptisch an. »Woher kannten Sie den Namen des Entführten?«

Die Schwarze zögerte mit der Antwort. Ihre Augen hielten dem bohrenden Blick des Marshals nicht stand.

»Woher?« drängte Webb.

»Sie haben ihn mir genannt«, antwortete die Frau leise.

»Sie? Die drei Weißen?«

Sie nickte stumm.

»Warum?«

»Ich sollte den Mann, Harris, in die Gasse locken. Sie sagten, er sein ein Freund von ihnen, und es sollte ein Scherz sein. Sie gaben mir drei Dollar dafür.«

»Aber es war kein Scherz«, stellte der Marshal mehr fest, als daß er es fragte.

»Nein«, bestätigte die Frau. »Sie bedrohten Harris, schlugen ihn nieder, legten ihn auf ein Pferd und ritten mit ihm davon.«

»In welche Richtung?« »Zum Fluß.«

»Sie wollten über den Big Muddy«, stellte Sam Kelley fest.

»Natürlich«, sagte Marshal Webb. »Sie wollen schnellstmöglich zurück nach Stockton, um dort von Mr. Penrose die Prämie für die Rückführung des entlaufenen Sklaven zu kassieren.«

»Aber wir haben ihn doch freigekauft!« sagte Kelley.

»Die Brüder wollen doppelt kassieren«, meinte Webb und traf dann Anordnungen, um einen Verfolgertrupp zusammenzustellen.

Bill Stoner protestierte: »Die Sklavenjäger haben das Stadtgebiet wahrscheinlich längst verlassen, Marshal. Damit halten sie sich außerhalb unserer Zuständigkeit auf.«

»Dann reiten wir eben als Privatleute mit«, entgegnete Webb.

Sein Deputy gab klein bei.

*

Keine zwanzig Minuten später hatte der fünfzehn Mann starke Verfolgertrupp den breiten Missouri überquert und verließ Kansas City in südöstlicher Richtung. Er bestand aus Webb, Begley, Stoner, Jacob, Custis Hunter, Melvin, Sam Kelley, Ben Miller und ein paar Männern vom Treck, vornehmlich Schwarze.

Jacob brachte sein Pferd an die Seite des Marshals und rief mitten im Galopp: »Welchen Weg schlagen wir ein? Wir wissen doch gar nicht, wohin sich Stantons Trupp wendet.«

»Wir kennen die Richtung. Stanton wird den kürzesten Weg nehmen, der durch den Whitewater Canyon führt. Ich kenne eine Abkürzung, einen schmalen Hohlweg durch die Felsen. Wenn wir schnell genug sind, erreichen wir den Whitewater Canyon vor den Sklavenjägern und können ihnen dort auflauern.«

»Und wenn Stanton einen anderen Weg nimmt oder auch eine Abkürzung kennt?«

»Dann haben wir Pech gehabt - und Harris auch.«

Nach einer halben Stunde scharfen Rittes wurde das Gelände felsig und stieg immer steiler an. Bald bedeckte soviel lockeres Geröll den Boden, daß die Pferde nur noch im Schritt gehen konnten. Vorsichtig setzten sie ein Bein vor das andere, um nicht auf den losen Steinen auszurutschen und zu stürzen.

»Das sieht mir aber nicht gerade nach einer Abkürzung aus«, meinte Custis Hunter zu Jacob.

»Hierher!« rief in diesem Moment der Marshal, winkte den Reitern hinter ihm und lenkte sein Pferd auf ein dunkles Loch zwischen den Felsen zu.

Der Hohlweg, von dem Webb gesprochen hatte, entpuppte sich als ein wahres Labyrinth. Immer wieder zweigten andere Wege ab, die nach Webbs Aussage aber nur Sackgassen waren. Zielsicher führte der Marshal seine Leute zwischen den hohen, scharfzackigen Felsen hindurch, die so eng beieinander standen, daß keine zwei Reiter nebeneinander Platz fanden.

Nach einer Viertelstunde verbreiterte sich der Weg allmählich, und schließlich lag der Whitewater Canyon vor ihnen. Ein langes, mehrfach gewundenes Tal zwischen den hoch aufragenden, bizarren Felsformationen, das in vielen Jahrtausenden durch ein Wasserbett in den Stein gewaschen worden war. Dieser einstmals vielleicht mächtige Strom war jetzt nur noch ein kleines Rinnsal in der Mitte des Canyons, das ohne die heftigen Regenfälle vor einigen Tagen vielleicht gar nicht zu sehen gewesen wäre. Der weiße Felsengrund schimmerte durch das höchstens knietiefe Wasser und war verantwortlich für den Namen des Canyons. Bowden Webb wies seine Männer an, hinter einer scharfen Biegung in Stellung zu gehen. Er selbst löste das Seil von seinem Sattel und lief zu einer spitzen Felsnadel auf der rechten Seite, um das er ein Seilende knotete. Dann hastete er durch den Creek auf die andere Seite des Canyons, zog das Seil straff und band es an einem großen dürren Strauch fest. Das Seil war etwa in Kniehöhe über dem Boden gespannt.

Jetzt verstand Jacob, was er vorhatte: eine Stolperfalle für die Pferde der Sklavenjäger.

Als der Marshal neben ihm hinter einem großen Felsblock in Deckung ging, fragte Jacob: »Sind Sie sicher, daß Stanton den Canyon nicht schon durchquert hat?«

»Dann hätte ich Spuren gesehen. Es kann höchstens sein, daß die Sklavenjäger gar nicht diesen Weg nehmen.«

»Wie können wir das feststellen?«

»Nur durch Warten.«

Sie warteten eine halbe Stunde, bis sie leises Pferdewiehern hörten und bald darauf schwaches Hufgetrappel. Webb setzte seinen Hut ab, verließ seine Deckung und schlich bis zu der Biegung, um die er vorsichtig lugte. Mit großen Sätzen kehrte er zurück und warf sich mit befriedigtem Gesichtsausdruck wieder hinter den Felsen.

»Sie sind es!« zischte er und gab den beiderseits der Talsohle verteilten Männern Handzeichen, damit sie sich bereithielten. Jacob brachte, wie Bowden, seinen Revolver in Anschlag.

Das Hufgetrappel wurde lauter, und schon sahen sie das erste Pferd auftauchen: Stantons schlanken Rotfuchs. Kaum war der gutgekleidete Sklavenjäger um die Biegung geritten, als das Tier über das Seil stolperte, nach vorn knickte und seinen Reiter in das flache Wasser schleuderte.