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Sir Edmund Pomfret stand neben dem großen Heckfenster in seiner Tageskajüte, sorgfältig den einfallenden grellen Sonnenschein meidend. Während des ganzen Berichts hatte er die gleiche Stellung beibehalten: breitbeinig, die Arme auf der Brust verschränkt, Bolitho den Rücken zuwendend, so daß dieser weder des Admirals Gesicht sehen noch dessen Stimmung erraten konnte. Die Hyperion hatte erst die Transporter und dann die schwer beschädigte Harve-ster in die schützenden Arme des Naturhafens einlaufen lassen und dann in der Morgenfrühe unterhalb der Bergfestung Anker geworfen. Bolitho hatte eigentlich erwartet, sofort auf die Tenacious gerufen zu werden; doch aus Gründen, die nur Pomfret kannte, hatte er bis sieben Glasen der Vormittags wache warten müssen, ehe das kurze Signal» Kommandant unverzüglich an Bord «auf dem Flaggschiff erschien.
Jetzt, als Bolitho die ausführliche Beschreibung seiner Verteidigung des Konvois abschloß, fühlte er sich so müde und schlapp, als hätte er ein Schlafmittel eingenommen; daher konnte er seinen Worten so distanziert zuhören, als beträfen sie jemand anderen. Pomfret hatte ihn nicht gebeten, Platz zu nehmen. Außer ihm war noch ein rotgesichtiger Infanterie-Oberst in der Kajüte, den Pomfret kurz als Sir Tonquil Cobban, Kommandeur der auf Cozar stationierten Soldaten, vorstellte. Jedoch war Pomfret ebenfalls stehengeblieben, und trotz seiner breitbeinigen Positur und der unbewe g-ten Schultern wirkte er nervös und gereizt.
«So haben Sie also die Snipe verloren, wie?«fragte er unvermittelt.
Es klang wie eine Anklage, doch Bolitho erwiderte nur müde:»Wenn ich noch ein weiteres Begleitschiff gehabt hätte, Sir, dann wäre es vielleicht anders gekommen.»
Ungeduldig riß Pomfret den Kopf hoch.»Wenn, wenn! Die ganze Zeit höre ich immer nur >wenn<!«Etwas ruhiger fuhr er fort:»Und Ihre eigenen Verluste?»
«Sechzehn Tote und sechsundzwanzig Verwundete, von denen die meisten wohl durchkommen werden.»
«Hm. «Langsam wandte Pomfret sich um und trat an seinen Schreibtisch, auf dem eine große farbige Seekarte lag. Lässig sagte er:»Ich hätte noch ein paar Tage auf Sie gewartet, aber dann wäre ich auch ohne Nachschub abgesegelt. «Er warf Bolitho einen forschenden Blick zu.»Ich habe Nachricht von Lord Hood. Seine Truppe ist in Toulon gelandet, und ich habe Befehl, St. Clar einzunehmen.»
«Jawohl, Sir. «Auf diese Nachricht hatte Bolitho gewartet, doch nun, da sie kam, erschien sie ihm wie eine Wende zum Negativen. Er wußte, daß Pomfret und der Colonel ihn genau beobachteten, und gab sich Mühe, seine Gedanken in Zaum zu halten. Er fragte:»Wünschen Sie, daß ich nochmals mit den Stadtvätern verhandle, Sir?»
Pomfret runzelte die Stirn.»Keineswegs. Ich war in Ihrer Abwesenheit nicht faul und habe alles fest in der Hand, das kann ich Ihnen versichern. «Er wandte sich mit einem flüchtigen Lächeln dem Oberst zu.»Die Frogs müssen sich jetzt anständig benehmen,
eh?»
Nun erst sprach der Colonel. Er hatte eine dumpfe, dröhnende Stimme und trommelte sich bei jedem Wort auf den tadellosen Uniformrock.»Jawohl, bei Gott! Da General Carteau auf Toulon marschiert, haben unsere neuen Alliierten in St. Clar gar keine andere Wahl, als uns zu unterstützen!«Der Gedanke schien ihm Spaß zu machen.
Pomfret nickte.»Nun, Bolitho, ich wünsche, daß Sie Ihr Schiff unverzüglich wieder seeklar machen.»
«Die Reparaturen sind in vollem Gang, Sir. In den vier Tagen nach dem Gefecht haben wir alle Schäden an der Takelage beseitigt, und auch die meisten Innenreparaturen sind schon fertig.»
Da Pomfret die Seekarte studierte, bemerkte er nicht, wie sich Bolithos Miene plötzlich verändert hatte. Vier Tage. Obwohl er sich die ganze Zeit bemüht hatte, nicht daran zu denken, fiel ihm jetzt alles wieder ein. Er hatte gehofft, die sichere Rückkehr mit den Transportschiffen und die Anstrengung, sein Schiff wieder seeklar zu machen, würden die Erinnerung an diese vier Tage zurückdrängen, bis sie durch Zeit und Entfernung so undeutlich wurde, daß sie nicht mehr schmerzte. Aber ganz ohne sein Zutun hatte er auf einmal wieder das Gesicht Cheneys vor Augen, wie sie ihm zugehört hatte, als er ihr von seinem Schiff erzählte, während sie auf dem Achterdeck gemeinsam den Matrosen und Zimmerleuten zusahen, welche die Narben der Schlacht beseitigten.
Am zweiten Abend, kurz vor Sonnenuntergang, war Bolitho mit ihr über den Luvdecksgang geschritten und hatte ihr das komplizierte Labyrinth des Riggs erläutert, die Sehnenstränge, welche die Kraft des Schiffes weiterleiteten. Da hatte sie leise gesagt:»Danke, daß Sie mir das erklärt haben. Damit haben Sie mir das Schiff lebendig gemacht.»
Cheney hatte das alles weder langweilig noch komisch gefunden. Es hatte sie wirklich interessiert, auch wenn seine Art zu sprechen nur deshalb so eindringlich war, weil Schiffe das einzige waren, wovon er etwas verstand, das einzige Leben, das er kannte.
In diesem Moment war ihm klargeworden, daß sie unabsichtlich die Wahrheit getroffen hatte.»Ich freue mich, daß Sie es so sehen«, hatte er geantwortet und dann auf die dunklen Geschütze im Schatten der Decksgänge gedeutet.»Die Leute an Land sehen so ein Schiff weit draußen vorbeisegeln, denken aber selten an die Menschen, die darin leben und sterben. «Dabei hatte er auf das leere Vorschiff gestarrt und sich all jene vorgestellt, die vor ihm auf diesem Schiff gewesen waren und nach ihm kommen würden. Seine Hände umklammerten die Reling.»Sie haben ganz recht — ein Schiff besteht nicht bloß aus Holz.»
An einem anderen Abend hatten sie miteinander in der Kajüte gespeist, und wieder hatte sie ihn zum Erzählen gebracht — von seinem Zuhause in Cornwall, seinen Reisen, den Schiffen, auf denen er gedient hatte.
Während die Seemeilen unter dem Kiel der Hyperion wegglitten, schienen sie beide zu empfinden, daß aus diesem seltsamen Gefühl von Kameradschaft und Verständnis etwas anderes erwuchs. Sie sprachen nicht davon; doch während der letzten beiden Tagen mieden sie einander und kamen nur noch in Gesellschaft anderer zusammen. Kaum war der Anker klatschend gefallen, kam auch schon ein Boot längsseits: Lieutenant Fanshawe, Pomfrets Adjutant, holte Cheney ab.
Sie war in demselben grünen Kleid aufs Achterdeck gekommen, das sie getragen hatte, als er sie zum erstenmal sah, und hatte zu der düsteren Festung auf den kahlen Bergen hinübergestarrt. Bolitho merkte, daß viele Matrosen auf den Decksgängen oder in den Wanten standen, und er spürte die Traurigkeit, die über dem Schiff hing. Sogar die Deckoffiziere konnten oder mochten die Leute nicht an die Arbeit zurücktreiben und sahen ebenfalls zu, wie das Mädchen tapfer den versammelten Offizieren die Hände schüttelte und seinen Bruder auf die Wange küßte. Bolitho selbst hatte sich Mühe gegeben, in möglichst formellem Ton zu sprechen.»Wir alle werden Sie vermissen. «Gossett hatte heftig dazu genickt.»Es tut mir leid, daß Sie so viel durchmachen mußten. «Und dann wußte er nicht weiter.
Sie hatte ihn mit einer gewissen Bestürzung angesehen, als würde ihr erst jetzt, angesichts der Insel, klar, daß die Reise unwiderruflich zu Ende ging. Dann hatte sie gesagt:»Ich danke Ihnen, Cap-tain. Ich hatte es sehr gut an Bord. «Und hatte ringsum in die stummen Gesichter geblickt.»Es waren Tage, die ich nie vergessen werde.»
Bolitho fuhr zusammen, denn auf einmal hörte er wieder Pom-frets Stimme.». und ich nehme an, Sie werden Ihre Verluste mit den Überlebenden der Snipe ersetzen oder auch auf den Transportern geeignete Leute finden.»
«Jawohl, Sir. «Mühsam konzentrierte er sich auf die vielen Einzelheiten, die noch zu erledigen waren. Dalby war tot, und er hatte Caswell zum Vizeleutnant befördert, um die Lücke in seinem Offiziersstab zu füllen. So war das eben: ein Mann starb, ein anderer stieg auf.
Die Schwerverwundeten mußten an Land oder auf eines der Transportschiffe geschafft werden, wo sie ordentlich gepflegt werden konnten. Der Bestand an Kugeln, Pulver und zahllosen anderen Dinge mußte ergänzt werden.
Cobban erhob sich, seine gewaltigen, blankgewichsten Stiefel knarrten heftig. Er war sehr groß; wenn er stand, wirkte Pomfret neben ihm wie ein Zwerg.»Nun«, dröhnte er,»ich gehe an Land. Wenn wir St. Clar am Fünften einnehmen wollen, ist vorher viel zu tun. «Er hängte den Säbel ein und runzelte nachdenklich die Stirn.»Immerhin ist es im September kühler, da marschiert es sich besser. Meine Truppen werden jedenfalls tun, was ihnen befohlen wird. «Und Bolitho sah an den schmalen, zusammengepreßten Lippen des Colonel, daß ihm seine Offiziere vermutlich ziemlich gleichgültig waren — von den einfachen Soldaten ganz zu schweigen.
Pomfret wartete, bis Cobban draußen war, und sagte dann gereizt:»Sehr lästig, das Militär, aber unter diesen Umständen. «Er tippte flüchtig auf die Karte.»Ich nehme an, Miss Seton befand sich während der Schlacht an einem sicheren Ort?»
Vielleicht weil er dauernd an sie gedacht hatte oder auch, weil seine Müdigkeit ihm einen Streich spielte, kam es Bolitho vor, als klinge Pomfrets Frage nervös oder sogar argwöhnisch.
«Jawohl, Sir«, antwortete er und schlug die Augen nieder, als ihm wieder die nackten Gestalten im Orlopdeck, die schwingenden Laternen, das Mädchen in blutbespritzter Uniform in den Sinn kamen.
«Gut«, nickte Pomfret.»Freut mich zu hören. Ich habe sie in der Festung untergebracht. Das wird ausreichen, bis. «Er beendete den Satz nicht. Es war auch nicht nötig.
Bolitho erwiderte nur:»Meine Zimmerleute haben ein paar Möbel gebaut. Ich dachte, dann würde es Miss Seton in der Festung etwas gemütlicher haben.»
Pomfret blickte ihn sekundenlang an.»Aufmerksam von Ihnen. Höchst aufmerksam. Ja, Sie können die Sachen hinüberschaffen lassen, sobald es Ihnen paßt. «Er schritt zum Fenster und sprach rasch weiter:»Wir segeln am Ersten des Monats. Haben Sie Ihr Schiff bis dahin fertig!«Er starrte zum schwarzen Rumpf des Sträflingsschiffes hinüber.»Abschaum! Der letzte Dreck von Newgate, selbstverständlich. Aber für das, was hier zu tun ist, genügen sie. «Und ohne sich umzudrehen, schloß er:»Das war's, Bolitho.»
Bolitho trat in die blendende Helle hinaus. Pomfret hatte nicht einmal ihm oder seinen Leuten gratuliert, daß sie die kostbaren Transporter gerettet und dabei sogar noch zwei Angreifer zu Wracks geschossen hatten. Typisch für den Mann, dachte er bitter. Solche Leistungen waren für Pomfret offenbar selbstverständlich. Nur zu einem Mißerfolg hätte er etwas gesagt, und Bolitho konnte sich auch vorstellen, was.
Stumm kletterte er in seine Gig und setzte sich auf der Heckbank zurecht. Als sich die Riemen hoben und wie Schwingen ins Wasser tauchten, mußte er an Dalby und die Verzweiflung seiner letzten Minuten denken. Glücksspiel war der Fluch und Untergang so manchen guten Offiziers. Monatelang in der Enge ihres Schiffes eingesperrt, auf ihre eigene Gesellschaft angewiesen, durch harte
Disziplin von den Männern getrennt, die sie zu führen hatten — da war es durchaus nichts Ungewöhnliches, daß Männer wie Dalby ihr Letztes auf eine Karte setzten und verloren. Erst harmlose Zerstreuung, dann grausame Wirklichkeit — Bolitho wußte genau, wie gefährlich das Spiel war. Sein eigener Bruder hatte des Vaters Herz gebrochen, indem er einen Offizierskameraden in sinnlosem Duell wegen einer Spielschuld getötet hatte.
Er riß sich aus seinem dumpfen Brüten und befahl scharf:»Kurs auf den Transporter dort drüben!»
Allday blickte zu ihm auf.»Die Erebus, Captain?»
Bolitho nickte.»Sie hat die Überlebenden der Snipe an Bord.»
Allday legte Ruder und sagte nichts. Es war kaum Sache eines Linienschiffkommandanten, sich in eigener Person um ein paar eventuelle Rekruten zu kümmern; es konnten auch nur eine Handvoll Männer mit dem Leben davongekommen sein. Aber er wußte aus Erfahrung: Bolitho hatte schwere Sorgen. Wenn er sich so benahm wie jetzt, sagte man besser überhaupt nichts.
Jedenfalls wartete der Kapitän der Erebus schon darauf, Bolitho zu begrüßen. Er grinste zum Willkommen über das ganze tiefgebräunte Gesicht.»Ich wollte Ihnen danken, Captain!«Lange schwenkte er Bolithos Hand wie einen Pumpenschwengel.»Sie haben mein Schiff gerettet! So was hab' ich noch nie gesehen! Als Ihre alte Hyperion dem Franzmann unterm Bugspriet durchging, da dachte ich, nun ist es passiert!»
Bolitho ließ ihn eine Weile reden und sagte dann:»Danke, Cap-tain. Aber Sie können sich wohl denken, warum ich hier bin?»
Er nickte.»Aye. Aber ich fürchte, es kommen nur sechs Mann und ein Offizier für Sie in Frage. Die drei anderen werden wohl sterben, bevor die Woche um ist. «Er brach ab und starrte Bolitho erschrocken an.»Ist Ihnen nicht wohl, Sir? Sie sind ja auf einmal ganz blaß!«Er faßte ihn beim Arm.
Bolitho machte sich frei und verfluchte die Freundlichkeit des Mannes und seine eigene Anfälligkeit für das alte Fieber. Er fühlte das Deck unter sich schwanken, als liege das Schiff draußen im Sturm und nicht im geschützten Hafen.
«Ich will wieder auf mein Schiff, Captain«, erwiderte er kurz.»Mir fehlt nichts. «Suchend sah er sich nach Allday um, denn er bekam plötzlich Angst, daß er vor dem fremden Kapitän und dessen Leuten zusammenbrechen könnte.
Es war schlimmer als sonst. Seit er Kent verlassen hatte, um nach Gibraltar zu segeln, hatte es ihn nicht so schlimm geschüttelt. Seine Gedanken drehten sich wie sein Gesichtsfeld, sogar den Kapitän der Erebus sah er nur verschwommen wie durch heiße Luft. Aber Allday war zur Stelle. Sanft und doch fest fühlte er die Hand des Bootsmanns an seinem Arm und ließ sich zur Leiter führen. Wie bei einem Blinden scharrten seine Sohlen über die Planken.
Der Kapitän rief ihm nach:»Aber der Offizier der Snipe, Sir! Soll ich ihn hinüberschicken?«Die Frage überspielte nur seine Verwirrung, denn er wußte, wenn er Bolitho seine Hilfe anbot, würde er es nur schlimmer machen.
Bolitho wollte antworten, doch der Schüttelfrost war so stark, daß er kein Wort herausbrachte. Er vernahm Alldays Knurren:»Augen ins Boot, gefälligst!«und erriet, daß seine Mannschaft ihn beobachtete.
Allday blickte zum Kapitän der Erebus auf und sagte kurz:»Schicken Sie ihn nur, Sir. Er wird bestimmt gebraucht.»
Der Kapitän nickte. Anscheinend kam ihm gar nicht zum Bewußtsein, daß ihm hier ein einfacher Bootsmann Befehle erteilte.
«Zum Schiff, Allday!«sagte Bolitho schwach.»Bringen Sie mich um Gottes willen schnell an Bord!»
Allday wickelte Bolitho in den Bootsmantel und legte ihm den Arm um die Schultern, sonst wäre Bolitho wie ein Toter von der Bank gerutscht. Allday kannte das schon; Mitleid und Zuneigung erfüllten ihn. Und wütend war er auch. Wütend über den Admiral, der Bolitho so lange aufgehalten hatte, obwohl nur ein blinder Narr übersehen konnte, daß die Seeschlacht ihre die letzten körperlichen und seelischen Reserven gekostet hatte.
«Legt ab!«bellte er.»Riemen bei, zu-gleich!«Die Riemen hoben und senkten sich.»Durchholen! Pullt wie noch nie!«Und mit einem Blick auf Bolithos verzerrtes Gesicht setzte er halb für sich selbst hinzu:»Das wenigstens könnt ihr für ihn tun!»
Langsam öffnete Bolitho die Augen und starrte zum Oberlicht am Kopfende seiner Koje empor. Wenigstens das dumpfe Brausen in seinen Ohren schien schwächer geworden zu sein; er hörte zwischendurch Schiffsgeräusche, das stetige Rauschen des Wassers an der Bordwand und ferne Stimmen.
Vorsichtig versuchte er, Arme und Beine zu bewegen, aber die unter der Matratze festgestopften Decken hielten ihn so fest, daß er stillhielt und lieber versuchte, seine Gedanken in Ordnung zu bringen. Er erinnerte sich noch daran, wie er von Bord der Erebus gegangen und in seine Gig geklettert war. Es war ihm erschienen, als käme die Gig überhaupt nicht näher an die Hyperion heran; die ganze Zeit hatte er die größte Mühe gehabt, sich in dem rollenden Boot aufrecht zuhalten; nur unbestimmt spürte er die Gegenwart der schwitzenden Rudergasten und Alldays Arm um seine Schultern.
Das Fieber hatte grausam gewütet. Manchmal umschwebten ihn Gesichter, Hände hielten ihn fest oder betteten ihn um, ohne daß er etwas dagegen tun konnte. Zwischendurch mußte er geträumt haben, um würgend und schwitzend zu erwachen, denn seine Kehle war staubtrocken und seine Zunge so dick geschwollen, daß er zu ersticken glaubte. Wach oder im tiefen Erschöpfungsschlaf, war er sich hin und wieder eines weißen Dreiecks bewußt, das er noch nie gesehen hatte. Es schien zu kommen und zu gehen wie ein Segel, nie nahe genug, um es zu identifizieren, und doch verband er in Gedanken etwas Tröstendes, Angenehmes damit.
Langsam wandte er den Kopf, spürte Schweiß auf seinem Kissen und die feuchtkalte Umarmung der Laken. Neben der Koje saß Gimlett, die Schultern vor Konzentration vorgebeugt, und beobachtete ihn. Sein Körper schien vor und zurück zu schwingen wie ein menschliches Pendel.
«Seit wann liege ich hier?«fragte Bolitho. Kaum erkannte er die eigene Stimme wieder.
Gimlett rückte sein Kissen bequemer zurecht.»Drei Tage, Sir. «Erschrocken fuhr er zurück, denn Bolitho wollte die Decken beiseitestoßen.
«Drei Tage!«Ungläubig starrte Bolitho in dem engen Gelaß umher.»Himmeldonnerwetter, ich muß aufstehen!»
Ein grimmig lächelnder Allday glitt in seinen Gesichtskreis.»Sachte, Captain! Ihnen ging's ziemlich schlecht. «Er beugte sich über ihn und steckte die Decken sogar noch fester.
In hilfloser Wut schloß Bolitho die Augen.»Verdammt noch mal, Allday! Helfen Sie mir auf! Ich befehle es Ihnen, verstanden?»
Doch Allday blieb unbeirrbar ruhig.»Tut mir leid, Captain, aber der Schiffsarzt sagt, Sie sollen liegenbleiben, bis.»
Plötzlich merkte Bolitho, daß die Koje stetig schwankte, daß Gimlett und Allday wirklich schwankten. Als er mühsam den Kopf wandte, sah er rötliche Sonnenstrahlen im Takt mit dem regelmäßigen Heben und Senken des Schiffes um das Oberlicht spielen.
«Mein Gott, wir sind auf See!«murmelte er undeutlich. Allday und Gimlett wechselten einen kurzen Blick, und Bolitho fragte rasch:»Wie hat Rooke sie aus dem Hafen bekommen?»
Allday trat so nahe heran, daß Bolitho die dunklen Schatten der Erschöpfung unter seinen Augen sehen konnte.»Ging alles klar, Captain, glauben Sie mir. «Er deutete zum offenen Fenster.»Wir ankern östlich von Cozar, unter dem maurischen Fort. Heute vormittag haben wir den Hafen verlassen — die See war so glatt wie'n Jungfernbauch!»
Aber Bolitho wollte sich nicht beruhigen. Denn in den drei Tagen, die er nutz- und hilflos in seiner Koje lag, hatte sich eine kleine Invasionsflotte segelfertig gemacht. Zu Dutzenden mußten die Signale vom Flaggschiff zu jedem Schiff im Hafen gegangen sein; und was Pomfret jetzt von ihm dachte, mochte der Himmel wissen.
«Wie spät ist es?«fragte er.
«Drei Glasen der ersten Hundewache, Captain. «Allday setzte sich auf einen Stuhl und streckte die Beine. Jetzt, da sein Kommandant dem Zugriff des Fiebers entronnen schien, war er beinahe vergnügt.»Der Admiral hat seine Order geschickt, und außerhalb dieses Schiffes weiß unter Garantie kein Mensch von Ihrer Krankheit.»
Bolitho schloß die Augen. Er konnte sich leicht vorstellen, wie Allday und Gimlett ihn bewacht hatten. Ihre abgespannten Gesichter, ihre offenbare Freude über seine Besserung sprachen Bände. Aber um dieses elende Fieber vor dem versammelten Geschwader geheimzuhalten, brauchte es mehr Leute als einen Bootsführer und einen Steward. In der Erkenntnis, daß die gesamte Schiffsmannschaft dabei mitgewirkt haben mußte, fühlte er plötzlich Tränen der Rührung in seine Augen steigen.
Gelassen sagte Allday:»Nichts zu befürchten, Captain. Sie müssen bloß wieder gesund und kräftig werden. «Er grinste.»Diese ganze Hafenroutine war eine gute Schulung für die jungen Herren. «Er sah, daß Bolitho wieder die Augen öffnete, und fuhr fort:»Der Leutnant von der Snipe hat übernommen und die ganze Zeit als Erster Offizier Dienst gemacht. Das Flaggschiff hat zugestimmt, Captain. «Er unterdrückte ein Lächeln.»Sie brauchen nur noch zu bestätigen.»
Beruhigt sagte Bolitho:»Dann muß er ein guter Offizier sein.»
«O ja, das ist er. «Jetzt konnten Allday und Gimlett ihr Grinsen nicht mehr zurückhalten.
Bolitho starrte mit wachsender Gereiztheit von einem zu anderen.»Na? Was soll dieses verdammte Getue?«rief er; aber das strengte ihn so an, daß er erschöpft in die Kissen zurückfiel und nicht einmal Widerstand leistete, als Gimlett ihm die Stirn mit einem feuchten Tuch wischte.
Dann hörte er eine Bewegung an der Tür und Alldays gelassene Stimme:»Das wird er sein, Captain. «Er wartete nicht erst, bis Bolitho etwas sagte, sondern ging zur Tür und öffnete sie. Die Hyperion hatte an ihrem Kabel so geschwojt, daß die kleine Kajüte im Augenblick in tiefem Schatten lag. Und als Bolitho den Hals reckte, um den Mann im Türrahmen zu erblicken, glaubte er zunächst, noch im Fiebertraum zu liegen. Denn da war das weiße Dreieck wieder. Doch als er schärfer hinsah, merkte er, daß es sich weder um eine Phantasiegebilde noch um eine Alptraumszene handelte. Der Leutnant trug einen Arm quer vorm Leib in einem Dreieckstuch, das sich von seiner dunklen Gestalt tatsächlich so hell wie ein kleines Segel abhob.
Als das Schiff langsam zurückschwojte und das Licht nun voll auf des Mannes Antlitz fiel, vergaß Bolitho Fieber und Spannung. Immer noch fehlten ihm die Worte, doch er wußte, daß der andere ähnlich bewegt war.
Endlich brachte er hervor:»Um Gottes willen, sagt mir, daß ich nicht träume!»
Lachend antwortete Allday:»Das ist er, Captain, Lieutenant Thomas Herrick — oder was noch von ihm übrig ist!»
Bolitho zog die Hand aus den Decken und ergriff Herricks Rechte, die dieser ihm entgegenstreckte.»Es tut wirklich gut, Sie zu sehen, Thomas. «Er fühlte den festen, harten Gegendruck, den er von früher kannte.
Ernst blickte Herrick auf ihn herunter.»Und ich kann gar nicht sagen, wie mir zumute ist, Sir. «Er schüttelte den Kopf.»Es ging Ihnen dieser Tage ziemlich schlecht, aber bald wird alles wieder beim alten sein.»
Bolitho konnte die Hand nicht loslassen.»Jetzt wird es bestimmt besser, Thomas. «Das Wiedersehen mit Herrick hatte ihn so mitgenommen, daß er sich plötzlich ganz schlapp fühlte; doch er fragte weiter:»Wo haben Sie gesteckt? Was haben Sie gemacht?»
Allday unterbrach.»Ich glaube, Captain, Sie sollten sich eine Weile ausruhen. Später kann ich Ihnen…»
«Maul halten, verdammt!«krächzte Bolitho.»Oder ich lasse dich auspeitschen!»
Doch Herrick sagte:»Er hat recht, Sir. Liegen Sie schön ruhig, ich erzähle Ihnen schon, was es zu erzählen gibt.»
Bolitho legte sich zurück und schloß die Augen. In dem gleichen gelassenen Ton, den er so gut kannte, begann Herrick seinen Bericht. Sofort hatte Bolitho ihn wieder vor Augen, wie er damals gewesen war: der eigensinnige, idealistische Leutnant an Bord der Phalarope in den westindischen Gewässern, und später auf der Fregatte Tempest in der weiten Wasserwüste der Südsee. Und vor allem sah er ihn als das, was er in erster Linie war: ein treuer Freund, dem er vertraute.
Herrick hatte sich etwas verändert, war breiter geworden und hatte graue Strähnen im Haar. Aber sein rundes Gesicht strahlte immer noch Zuverlässigkeit aus, und die Augen, die Bolitho jetzt in seiner Koje forschend musterten, leuchteten so blau wie bei ihrem ersten Zusammentreffen.
Gelassen berichtete Herrick:»Als die Tempest im Jahr 1791 abgerüstet wurde, hatte ich die feste Absicht zu warten, bis ich wieder unter Ihnen anmustern konnte. Ich nehme an, Sie wußten das. «Er seufzte.»Aber als ich nach Hause, nach Rochester kam, war mein Vater tot, und das Geld reichte gerade zum Überleben. Mein Vater war Schreiber; ihm gehörte nicht einmal das Haus, in dem wir aufgewachsen waren. Und ich war auf Halbsold; da mußte ich nehmen, was ich kriegen konnte. Ich heuerte auf einem Ostindienfahrer an. Früher hatte ich mir geschworen, das niemals zu tun, aber jetzt war es noch ein Glück für mich — große Teile der Kriegsmarine waren abgerüstet, und die Leute lungerten beschäftigungslos an Land herum. Ich dachte, bis ich wieder nach England zurückkam, wären Sie vielleicht gesund. Aber da hatten wir schon Krieg.»
Mühsam warf Bolitho ein:»Ich habe versucht, Sie zu finden, Thomas. «Er öffnete die Augen nicht, merkte aber, daß Herrick sich aufrichtete.
«Tatsächlich, Sir?»
«In Rochester. Ich habe mit Ihrer Mutter gesprochen und mit Ihrer Schwester, die Sie in all den Jahren unterstützt haben. Ich wußte gar nicht, daß sie gelähmt ist.»
Herrick war tief betroffen.»Sie hat mir nie davon erzählt.»
«Ich hatte sie darum gebeten. Sie waren auf See, und da ich Sie gut genug kenne, dachte ich, Sie würden Ihre sichere Stellung sofort aufgeben, wenn Sie glaubten, ich hätte Ihnen ein Schiff anzubieten. Und das war damals nicht der Fall.»
Wieder seufzte Herrick.»Es waren schwierige Zeiten, Sir. Aber ich bekam eine Stelle auf der Snipe und stach mit dem Sträflingskonvoi von Torbay aus in See. In Gibraltar erhielten wir neue Segelorder, und das andere wissen Sie ja.»
Bolitho öffnete die Augen und blickte Herrick aufmerksam ins Gesicht.»Aber Tudor, Ihr Kommandant, war doch in Gibraltar bei mir an Bord. Er wußte, daß ich einen erfahrenen Ersten brauchte. Er muß es Ihnen doch gesagt haben.»
Herrick wandte den Blick ab.»Hat er auch. Aber ich habe Sie verlassen, als die Tempest außer Dienst gestellt wurde. Nun wollte ich nicht eine alte Freundschaft ausnutzen, um mir neue Vorteile zu verschaffen.»
Bolitho lächelte melancholisch.»Sie haben sich nicht verändert, Thomas. Immer noch so stolz! Aber der Verlust der Snipe war ein harter Schlag für Sie. Der Krieg weitet sich immer mehr aus, und bei dem erhöhten Bedarf müßten Sie eigentlich in kurzer Zeit Kapitän werden. Dann wären Sie auch bald Fregattenkapitän geworden und hätten das erreicht, was Sie voll und ganz verdienen. «Er bemerkte die plötzliche Verwirrung in Herricks Miene und fuhr rasch fort:»Wenn wir St. Clar eingenommen haben, wird ein dienstälterer Leutnant als Kommandant der Schaluppe Fairfax benötigt — falls es sie dann noch gibt. «Er wollte sich auf die Ellbogen aufstützen, aber Herrick drückte ihn sanft ins Kissen zurück.»Sie müssen unbedingt mit Sir Edmund sprechen, Thomas«, redete Bolitho weiter.»Wenn Sie hier an Bord bleiben, werden Sie nie Kommandant!»
Herrick stand auf und richtete seine Armschlinge.»Ich habe es schon einmal verpaßt. Nun möchte ich lieber bei Ihnen bleiben, wenn Sie mich haben wollen. «Er sah, wie Bolitho den Kopf we g-drehte, und schloß mit fester Stimme:»Das entspricht nämlich genau meinen Wünschen!»
Bolitho sah ihn wieder an — er wußte nicht, was er dazu sagen sollte.
«Außerdem«, fuhr Herrick fort und lächelte, so daß er in dem halben Licht beinahe jungenhaft aussah,»außerdem weiß ich, daß ich eine bessere Prisenchance habe, wenn ich bei Ihnen bleibe. Und vergessen Sie nicht: ich war Pomfrets Dritter auf der Phalarope. Wenn er irgendwelche Vergünstigungen zu vergeben hat, dann bestimmt nicht an mich!»
«Sie können darüber scherzen, Thomas«, erwiderte Bolitho,»aber ich glaube, Sie treffen da eine Fehlentscheidung. «Er streckte den Arm aus und ergriff wieder Herricks Hand.»Aber bei Gott, es ist eine Wohltat, Sie wieder an Bord zu haben!»
Herrick ging, und Gimlett sagte:»Ich glaube, Sie sollten ein bißchen Suppe essen, Sir.»
Bestimmt erwiderte Bolitho:»Weg mit dem Zeug! Ich stehe sofort auf, und wenn auch nur, um eure ungeschickten Pfoten loszuwerden!»
Allday sah zu Gimlett hinüber und kniff ein Auge zu.»Ich glaube, dem Käpt'n geht's tatsächlich besser!»
Der nächste Morgen war hell und klar, und als Bolitho aufs Achterdeck hinaustrat, tat ihm der salzige Wind wohler als jede Medizin. Auch hatte es während der Nacht aufgefrischt, und der Mastwimpel stand in seiner vollen Länge waagrecht ab.
Herrick hatte ihn gesehen und faßte an den Dreispitz.»Anker ist kurzstag, Sir. Klar zum Auslaufen. «Sein Ton war dienstlich, aber als sich ihre Augen trafen, verspürte Bolitho eine leise Erregung, als hätten sie ein Geheimnis miteinander.
«Recht so, Mr. Herrick. «Er nahm ein Teleskop und musterte die ankernden Schiffe. Es war ein kleines, aber eindrucksvolles Geschwader, das Bolitho, der mehr an die Einzelkämpfe einer Fregatte gewöhnt war, wie eine kleine Flotte vorkam. In sorgfältig berechnetem Abstand zerrten die beiden schweren Linienschiffe an ihren Ankertrossen. Die spanische Princesa war nicht mehr so festlich beflaggt wie damals; vermutlich, dachte Bolitho, hatte Pomfret ihrem Kommandanten klargemacht, daß kein Grund vorlag, sein Schiff so herauszuputzen. Die Tenacious lag am weitesten landeinwärts. Eben erschien ein neues Signal an ihrer Rah, und auf dem Oberdeck wurde es lebendig.
«Signal vom Flaggschiff«, ertönte Midshipman Pipers quäkende Stimme.»>Ankerauf<, Sir!»
In Lee schimpfte Caswell:»Das hätten Sie auch eher sehen können, Mr. Piper!»
Piper murmelte eine Entschuldigung, und Bolitho verbarg ein Lächeln. Als provisorischer Leutnant hatte Caswell anscheinend mühelos vergessen, daß er noch vor vier Tagen Pipers Dienst getan und alle Vorwürfe eingesteckt hatte, berechtigte wie unberechtigte.
«Bringt das Schiff in Fahrt«, sagte Bolitho.»Wir runden die Landzunge in Luv.»
Herrick setzte die Sprechtrompete an. Seine Stimme, seine Bewegungen waren vollkommen ruhig.»Klar bei Ankerspill! Setzt Stagsegel!»
Bolitho schritt zu den Finknetzen hinüber und beobachtete, wie das Transportschiff Weiland und die beiden Versorgungsschiffe, die er von Gibraltar hier her eskortiert hatte, mit der gelenkten Konfusion des Segelsetzens fertig wurden.
«Signal vom Flaggschiff«, meldete Piper laut.»Beeilen!»
Herrick wandte sich halb um und rief:»Los die Bramsegel!«Die Augen mit der Hand beschattend, verfolgte er die hektische Aktivität über Deck; es bauschte sich erst ein, dann ein zweites Segel und schlug ungeduldig in der frischen Brise.
«Anker ist klar, Sir!«Das war Rookes Stimme. Wie mag der sich wohl mit Herrick als neuem Vorgesetzten abfinden? fragte sich Bolitho.
«An die Brassen!«brüllte Herrick.»Sie da, Mr. Tomlin, scheuchen Sie die Kerls nach achtern! Ran an die Besanfallen!«Bolitho überlief es, aber es war kein Fieberschauer, sondern die altbekannte Erregung, und sie war so stark wie eh und je. Um Herrick brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Der hatte einen schwerfälligen Indienfahrer mit hohem Tiefgang gesegelt, dessen Mannschaft vermutlich aus einem Dutzend Ländern kam und sich nur unzureichend verständigen konnte — da mußte er die gutgedrillte Mannschaft der Hyperion als Erleichterung empfinden.
Gewichtig wie gepanzerte Ritter kreuzten die drei Linienschiffe langsam um die flache Landspitze von Cozar. Die Tenacious führte; Hyperion und Princesa folgten mit je einer Viertelmeile Abstand — ein imponierendes, prächtiges Bild.
Die drei Transporter mit den rotröckigen Soldaten an Bord kreuzten vorsichtiger mehr in Lee, während die Schaluppen Chanticleer und Alisma vorn und achtern wie wachsame Schäferhunde um die wertvolle Herde patrouillierten. Die schwer beschädigte Harvester war im Hafen geblieben, um ihre Reparaturen zu vollenden. Bis weitere Hilfe kam, war sie das einzige Schiff, das die Insel schützte.
Die letzte Fregatte Pomfrets, die Bat, war schon zwei Tage früher ausgelaufen und würde bei einigem Glück bereits an der französischen Küste rekognoszieren, für den Fall, daß es dort in letzter Minute Schwierigkeiten gab.
«Neues Signal vom Flaggschiff, Sir!«Piper war schon ganz heiser.»>So viel Segel setzen, wie der Wind erlaubt!»»
Herrick glich mit wippenden Zehen ein plötzliches Rollen der Hyperion aus, die eben eine steile, weißbemützte See durchstieß.»Beeilung! Setzt Bramsegel!«Er beugte sich über die Reling und deutete mit der Sprechtrompete auf einen Mann.»Du da mit dem Dolch! Ein bißchen lebhaft, sonst kriegst du den Zorn des Bootsmanns zu spüren!«Und dabei grinste er wie über einen heimlichen
Spaß.
Gossett sang aus:»Kurs Nord zu West, Sir! Voll und bei!»
Das Deck erzitterte, als sich immer mehr Segel an den vibrierenden Rahen entfalteten und die fixen Toppgasten kühn in schwindelnder Höhe ausschwärmten und sich gegenseitig anfeuerten.
Piper keuchte:»He, Seton, faß mit an! Ich habe keine Puste mehr!»
Bolitho wandte sich um, momentan abgelenkt durch Midshipman Seton, der zu Piper rannte, um seinem Freund an den Fallen zu helfen. Dann hob er wieder das Glas und richtete es auf die Insel, die unter seinem Blick wie ein brauner Schatten im Morgendunst versank. Er konnte gerade noch das kleine maurische Fort und das zerfallene Mauerwerk darunter ausmachen, und auch eine Gruppe spähender Gestalten: Sträflinge, die bereits am Wiederaufbau der vernachlässigten Verteidigungsanlagen arbeiteten. Doch jetzt sahen sie den Schiffen nach und fragten sich zweifellos, ob auch sie jemals England oder wenigstens ein anderes Land als diese verdammte Insel zu Gesicht bekommen würden.
Bolitho dachte an jemand anderen. Als Piper den Bruder des Mädchens bei Namen gerufen hatte, empfand er aufs neue jene bohrende, schmerzhafte Unruhe, die das Fieber vorübergehend gedämpft hatte. Da merkte er, daß Herrick unter dem Rand seines Dreispitzes zu ihm herüber sah, und versuchte, die Erinnerung an das Mädchen zu verdrängen. Wenigstens hatte er jetzt Herrick.
Aber ungeachtet dieses Trostes stellte er sein Glas neu ein, und als das Geschwader auf ein weiteres Signal des Flaggschiffes über Stag ging und Kurs auf die französische Küste nahm, spähte er noch immer nach Cozar hinüber.