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Mit gerefften Segeln glitt die Chanticleer stetig auf den primitiven hölzernen Steg zu, wo sich etwa dreißig französische Soldaten eingefunden hatten und zusahen, wie das Schiff einlief. Etwas seitlich von den schwatzenden Soldaten hatte ein hochmütiger, schnurrbärtiger Offizier zu Pferde Posten bezogen. Reglos saß er im Sattel, nur seine Hände und Füße bewegten sich leicht, um das nervöse Pferd zu beruhigen, denn immer noch feuerte die Festungsbatterie hinter der Hyperion her, die schon nicht mehr zu sehen war.
Aber dann, als die überladene Schaluppe schwankend näher kam, schienen die vordersten Soldaten zu merken, daß etwas nicht stimmte. In den nächsten Sekunden überschlugen sich die Ereignisse. Im Vorschiff schrillte eine Pfeife, die letzte Stückpforte sprang auf, die Karronade schob sich unbeholfen vor und wurde sichtbar, die Persenning an Deck wurde weggerissen, darunter und aus allen Niedergängen schwärmten Seesoldaten und Matrosen heraus — auf einmal wimmelte das Deck der Sloop von Menschen. Die französischen Soldaten wichen zurück, um sich auf dem geschützten Pfad in Sicherheit zu bringen; aber es war zu spät, denn hinter ihnen versuchten ihre Kameraden, zum Steg vorzustoßen; hier und da rief noch der eine oder andere Hurra und winkte der Trikolore im Masttopp zu.
Die Karronade brüllte los wie Donner. Zwischen den engen Klippen war die Druckwelle der Explosion so stark, daß sie ein paar kleine Steinlawinen löste. Hunderte erschrockener Seevögel flatterten unter Protestgeschrei auf und zogen hoch am Himmel ihre wirbelnden Kreise.
Die mächtige Kugel pflügte durch die dichtgedrängten Soldaten und schlug hinter ihnen in die Lafette des Feldgeschützes. Ein zweites helles Aufblitzen; und als sich der Pulverqualm von Deck verzogen hatte, sah Bolitho den blutigen Pfad, den die Kugel gerissen hatte: rechts und links stürzten Soldaten sterbend nieder.
Er senkte den Degen:»Feuer!»
Jetzt kamen die kleinen Bordgeschütze an die Reihe. Sie waren mit Schrapnell geladen, und sobald ihr peitschenartiger Knall sekundenlang die Todesschreie und das Schmerzgebrüll an Land übertönte, mähten die Ladungen aus den kleinkalibrigen Rohren alle, die noch standen, nieder wie Gras.
Bolitho sprang über die Schanz an Land; seine Schuhsohlen rutschten auf Blut und Fleischfetzen; wie ein lebender Strom folgten ihm die Männer, und ihre Augen glühten dumpf, als wären sie halb betäubt von der Schlächterei ringsum.
Schrapnells bohrten sich in den Steg, und mit protestierendem Knarren kam die Chanticleer zum Stehen. Ihr Deck bebte, als Matrosen und Seesoldaten an Land stürzten, wo die Offiziere sie in provisorischer Marschordnung formierten.
Nur eine Handvoll Franzosen rannten den Pfad zurück, verfolgt von den Musketenschüssen eifriger Marine-Infanteristen und dem Hohngeschrei der Matrosen, die meist mit Piken und Entermessern bewaffnet waren.
Bolitho packte Ashby am Arm.»Sie wissen, was zu tun ist. Ziehen Sie Ihre Abteilung gut auseinander. Es muß so aussehen, als wären wir doppelt so viele.»
Ashby nickte heftig, sein Gesicht glühte scharlachrot vom Rennen und Schreien.
Es brauchte noch viel mehr Geschrei, um die erregten Seesoldaten in Marschordnung auf den Pfad zu bringen. Hell hoben sich die roten Uniformen von dem schwärzlich-blutigen Hintergrund aus zerfetzten Leichen und gekrümmten Verwundeten ab.
Erst jetzt bemerkte Bolitho, daß der französische Offizier auf seinem Pferd irgendwie vor dem mörderischen Blei verschont geblieben war. Ein Matrose sprang vor und wollte dem Pferd in die Zügel fallen, aber mit einer einzigen raschen Bewegung zog der Offizier seinen Säbel und hieb ihn nieder. Lautlos sank der Mann zu Boden, und wie ein Seufzer stieg es aus den Reihen der wartenden Seesoldaten auf. Ein einzelner Pistolenschuß, und der Offizier sank, würdevoll bis zum bitteren Ende, aus dem Sattel; still und stumm lag er neben dem ersten Gefallenen des Landekommandos.
Leutnant Shanks reichte die noch rauchende Pistole seiner Ordonnanz.»Laden!«befahl er kurz und wandte sich dann formell an Hauptmann Ashby:»Ich denke, Sie sollten das Pferd nehmen, Sir.»
Elegant schwang sich Ashby in den Sattel und blickte auf Bolitho herab.»Ich reite den Pfad entlang, Sir. Die Festung müßte in etwa zwanzig Minuten zu erreichen sein, glaube ich. «Er wandte sich im Sattel um und beobachtete mit soldatisch-sachverständigem Interesse, wie die erste Abteilung Marine-Infanteristen im Laufschritt ausschwärmten, um auf beiden Seiten des Tales zu rekognoszieren. Ihre roten Röcke leuchteten durch das spärliche Unterholz.
Zwei Trommler und zwei Pfeifer bezogen Position an der Spitze des Haupttrupps; dann folgte Leutnant Inch mit siebzig Matrosen, die er ebenfalls in eine Art Marschkolonne gebracht hatte. Ashby zog sich den Hut in die Stirn. Auf dem erbeuteten Pferd sah er, wie Bolitho fand, höchst militärisch aus.
«Bajonett pflanzt — auf!«brüllte der Hauptmann. Bolitho wandte sich um und starrte auf die steilen Klippen des Vorgebirges. Von seinem Standort aus konnte er nicht einmal die Brustwehr der Batterie sehen. Seine eigene Abteilung Matrosen wartete unter Rooke und einem Midshipman am Ende der Pier.
«Nach rechts! Im Eilschritt — marsch!«ertönte Ashbys heiseres Kommando.
Es war wie ein irrer Traum, dachte Bolitho: Ashby auf dem Grauschimmel an der Spitze seiner Männer… Der dumpfe Tritt der Stiefel, als die Abteilung gleichmütig durch die blutige Masse marschierte, die das grimmige Artilleriefeuer der Schaluppe hinterlassen hatte. Und noch unwirklicher wurde die Szene, als Trommler und Querpfeifer den munteren Marsch» Lustige Dragoner «intonierten. Es kam Bolitho wie Hohn vor, daß den Spielleuten unter solchen Umständen ausgerechnet diese Melodie eingefallen war.
Steifbeinig ging er zu Rooke hinüber.»Wir müssen sofort abrük-ken!«Er deutete auf die hinabgestürzten Felsbrocken, die wie ein zerrissenes Halsband den Fuß der Klippe säumten.»Da müssen wir längsklettern, bis wir unterhalb der Batterie sind. Es sind gut zwei Kabellängen; wir müssen also schnell machen, ehe die Garnison sich von dem Schreck erholt.»
Rooke verzog das Gesicht.»Wenn die Franzosen Ashbys Armee am Haupttor aufkreuzen sehen, werden sie denken, das Ende der Welt ist da!»
Bolitho nickte.»Hoffentlich. Wenn nicht, kriegen wir mehr als nur Steine auf den Kopf!»
Rutschend und keuchend kämpfte sich die Reihe der Matrosen am Fuße der Klippen entlang. Wieder hörten sie das Donnern schwerer Geschütze, und Bolitho konnte sich denken, daß Quarme einen weiteren Scheinangriff begann. Jetzt mußte die Garnison das Landeunternehmen durchschaut haben; aber sie konnten wenig mehr tun als stillzusitzen und den eigentlichen Angriff zu erwarten. Wenn sie, wie es Rooke angedeutet hatte, Ashbys zuversichtlichen Anmarsch über die einzige Straße der Insel sahen, mußten sie eigentlich annehmen, daß der Angriff aus dieser Richtung kommen würde.
Bolitho hatte alle Einzelheiten, die er über die Festung in Erfahrung bringen konnte, gesammelt und genau studiert. Hoffentlich hatten die Franzosen in der Zwischenzeit an der Gesamtanlage nichts geändert. Der kreisrunde Bergfried, der Hauptturm der Festung, war von einer achteckigen Blendmauer umgeben, die in regelmäßigen Abständen tiefe Schießscharten auf wies. An der Landseite der Brustwehr befand sich ein tiefer Graben, über den unterhalb der Festungsmauer eine Brücke führte.
Aber nach der See zu, und über der Klippe selber, gab es nur die Blendmauer. Wer diese Festung entworfen hatte, mußte es für unwahrscheinlich gehalten haben, daß der Feind über die Hafeneinfahrt hinausgelangen könne; und für ebenso unwahrscheinlich, daß jemand die hundert Fuß hohen Klippen erkletterte.
Bolitho rutschte aus und fiel bis zum Gürtel ins Wasser. Es war trotz der Sonne sehr kalt, und die plötzliche Abkühlung beruhigte seine Nerven.
Sie kämpften sich mühsam vor. Das Tempo verlangsamte sich bereits, denn das Gedränge auf dem engen Schiff hatte kein Training für solchen Sport ermöglicht.
Rooke keuchte:»Das Fort ist möglicherweise schwerer zu nehmen als wir gedacht haben, Sir. Vielleicht muß Ashby einen Frontalangriff machen.»
Bolitho musterte ihn kurz.»Wie die meisten alten Festungen ist auch diese unter der Voraussetzungen gebaut, daß alle Angriffe von See herkommen. Daran, daß so ein Fort auch von innen her aufgerollt werden könnte, denken die Festungsarchitekten anscheinend nie.»
Bewußt übersah er die Unsicherheit in Rookes schmalem Gesicht. Flüchtig dachte er an Pendennis Castle, in deren Schatten er aufgewachsen war und die er von seinem Fenster aus unzählige Male studiert hatte. Auch diese Festung war gebaut worden, um Stadt und Hafen Falmouth gegen Angriffe von See her zu verteidigen. Und dann, während des Bürgerkrieges, war es ganz anders gekommen: die alte Burg hatte ihre Verteidigungswaffen landwärts gerichtet, um den anrückenden Truppen Cromwells* Widerstand zu leisten und König Charles' letzte Bastion zu schützen. Auf einem alten Bild in
* Oliver Cromwell stürzte 1649 König Charles I. und ließ ihn hinrichten. War dann bis zu seinem Tode (1658) als» Lord-Protector «ein ungeliebter Herrscher (d. Ü.).
Bolithos Haus bildete die Belagerungsszene den Hintergrund für das Porträt von Captain Julius Bolitho, der versucht hatte, die Blok-kade zu brechen und seine Schiffsladung zu der belagerten Burg durchzubringen. Doch der Versuch war mißglückt. Er fiel durch eine Musketenkugel, die ihm die Schande ersparte, gehängt zu werden. Und so oder so war die Feste Pendennis gefallen.
Mühsam zog sich Bolitho den Grat eines von der See glatt gewaschenen Felsens entlang und starrte an der Klippe empor.»Ich glaube, hier sind wir richtig. «Sein Herz paukte ihm gegen die Rippen, und schweißnaß klebte ihm das Hemd am Körper.
Es sah wirklich sehr steil aus, aber wenn er die Entfernung richtig geschätzt hatte, so mußten sie direkt unter der runden Kuppe des Vorgebirges sein, wo die Brustwehr bis auf ein paar Fuß an die Felskante heranreichte.
«Mr. Tomlin, sind Sie bereit?«Tomlin war der Bootsmann der Hyperion, ein untersetzter, stark behaarter, ungewöhnlich kräftiger Mann. Aber trotz seines gewaltigen Körperbaus und seiner Muskelkraft hatte Bolitho niemals gesehen, daß er einen Matrosen, über den er sich ärgerte, geschlagen hätte.
Jetzt stand er auf einem Felsbrocken und hielt einen schweren Wurfhaken in seiner mächtigen Hand.»Fertig, Sir. «Wenn er den Mund öffnete, sah man, daß ihm zwei Vorderzähne fehlten, was seiner schon furchterregenden Erscheinung beim Grinsen noch einen greulich irren Akzent aufsetzte.
Bolitho musterte sein Detachement. Die Männer waren vom Sprühwasser der Brandung und vom klebrigen Schleim der Algen durchweicht und sahen wildäugig und desperat aus.
Er sprach langsam, aber knapp.»Mr. Tomlin klettert als erster hoch und sichert den Haken. Dann ich; danach folgen die anderen, aber nie mehr als zwei auf einmal. Verstanden?«Wortlos nickten einige, und er fuhr fort:»Keiner gibt einen Laut von sich, ehe ich es befehle. Wenn wir gesehen werden, ehe wir oben und über der Mauer sind, können wir nicht wieder zurück. «Er blickte ihnen grimmig in die Gesichter.
«Tut genau, was ich tue, und bleibt zusammen!»
Er mußte das plötzliche Mitgefühl unterdrücken, das ihn angesichts dieser erschöpften, aber ihm blind vertrauenden Matrosen überkam. Doch sie mußten ihm vertrauen, anders ging es nicht. Also nickte er kurz.»Schön, Mr. Tomlin. Nun lassen Sie mal sehen, ob Sie Kraft in den Armen haben!»
Wenn man Tomlin zusah, kam einem die Klippe gar nicht mehr so steil vor. Wie ein junger flotter Toppmatrose enterte er auf. Fünfzehn Fuß unter dem Klippenrand war ein schmaler Saum, und hier erst machte er Gebrauch von dem schweren Wurfhaken, den er tief und fest in einige Felsvorsprünge hineintrieb. Sein klobiger Körper stand wie der groteske Wasserspeier einer gotischen Kathedrale gegen den Himmel. Dann warf er die starke Leine hinunter und blickte in die zu ihm emporgewandten Gesichter.
Bolitho prüfte die Leine und kletterte los. Der Felsen war rauher, als er gedacht hatte, die wenigen Vorsprünge und Vertiefungen waren schlüpfrig von Möwenkot, so daß er keuchend nach Atem rang, als Tomlin ihn ganz unzeremoniell packte und neben sich auf die Platte hievte. Dabei grinste er sein zahnlückiges Raubtiergrinsen.:»Ganz schön fix, Sir! Jetzt die anderen!«Und er winkte mit seinem riesigen Daumen.
Bolitho war keines Wortes fähig. Er richtete sich mühsam auf und schätzte die nächste und letzte Etappe dieser Kletterei ab. Über dem Rand der Klippe konnte er jetzt die Mauerkrone der Brustwehr sehen, und darüber einen Streifen verwehenden Pulverqualm von der Batterie. Außerdem zwei Schießscharten, aber beide waren leer, und er nahm an, daß die Geschütze auf die andere Seite geschafft worden waren, um das Feuer auf die Hyperion zu verstärken.
Unten splitterten ein paar Steine — die ersten Matrosen kletterten hoch. Aber er wagte nicht hinunterzublicken. Die mörderische Spannung und die körperliche Anstrengung forderten ihren Zoll.
«Also gut, ich gehe jetzt nach oben. «Neidisch blickte er in Tomlins häßliches Gesicht und fragte sich, wie dieser so ruhig und selbstsicher sein konnte.»Sorgen Sie mir dafür, daß sich die Leute still verhalten!»
Tomlin grinste.»Den ersten Schweinehund, der auch nur flüstert, schmeiß ich persönlich die Klippe runter, Sir!«Und Bolitho wußte, daß es ihm damit ernst war.
Er begann, sich den steilen Klippenhang hinanzuziehen. Unvermittelt spürte er die Sonne im Nacken und den stachligen Ginster unter seinen zupackenden Fingern. Seine ganze Welt bestand nur noch aus diesem kleinen Stück Felsen, und selbst die Zeit schien Sinn und Realität verloren zu haben.
Aus dem Augenwinkel konnte er das Meer sehen, glasklar und blau, die Kimm glänzte so stark, daß es seinen Augen weh tat. Von seinem Schiff war nichts zu sehen, aber am Erzittern der Klippe unter den dumpfen Abschüssen der Batterie merkte er, daß es nicht weit weg sein konnte. Dann hob er den Kopf und sah die Brustwehr. Sie war so nahe, daß er Grasbüschel und winzige blaue Blumen sehen konnte, die zwischen den wetterzerklüfteten Steinen wuchsen, und auch die hellen Narben neben den Schießscharten, Spuren des ersten Angriffs der Hyperion. Als er sich über den Grat zog und so schnell wie möglich an den Fuß der Brustwehr kroch, kam er sich nackt und schutzlos vor. Jeden Moment konnte der Anruf eines Postens erfolgen oder eine Musketenkugel ihn tödlich in den Rücken treffen. Die nächste Schießscharte lag nur ein paar Fuß über der Klippe. Er wagte kaum zu atmen, als er sich langsam auf die Knie hob und über ihren Rand spähte. Eine Sekunde lang vergaß er die Gefahr, in der er sich befand, und die Verantwortung für das Kommende und fühlte sich merkwürdig unbeteiligt, wie ein bloßer Zuschauer, distanziert von Wirklichkeit und Schmerz, von Raum und Zeit.
Beim Bau der achteckigen Mauer, die das Zentrum der Festung umgab, hatte man sich weniger um sichere Fundamente gekümmert, sondern so gebaut, daß sie sich dem bergigen Gelände anpaßte, als könne nichts sie jemals erschüttern. Bolithos Schießscharte war eine der höchsten der Mauer, und durch sie konnte er über den massigen Festungsturm hinaus bis zum äußersten Ende der Batterie sehen. Er erkannte sogar die Straße, die zwischen den Bergen unterhalb des Tores verschwand, und die wimmelnden Gestalten der keuchenden, halbnackten Soldaten, die immer noch Kugeln zu den auf See gerichteten Geschützen schleppten. Selbst im Sonnenglast war zu erkennen, daß die Kugeln heiß waren, und obwohl jede einzelne von zwei Soldaten in einem eisernen Gestell getragen wurde, beugten die Träger ihre Oberkörper von der Hitze weg, während sie über den steinigen Boden trabten.
Bolitho hörte, wie sich die Matrosen in seinem Rücken über den Klippenrand quälten, und vernahm Rookes geflüsterte Drohungen und Befehle. Rechts und links von ihm faßten sie Posten. Aber er drehte sich nicht um. Er sah sich genau die flache Erdschanze unterhalb der Festungsmauer an, in der die Munitionsträger wie geschäftige Maulwürfe verschwanden. Dort lag zweifellos das Magazin und die Feuerstelle, geschützt von mächtigen Erdaufschüttungen für den Fall, daß ein feindliches Geschoß dank eines blinden Glückstreffers einschlagen sollte.
«Alle da, Sir«, meldete Rooke. Er hatte einen Riß in der Wange, und seine Augen glühten — vor Überanstrengung oder unterdrückter Spannung.
«Gut. «Bolitho erstarrte und preßte das Gesicht an den warmen Stein. Von weit weg vernahm er gedämpft die Trommeln und Pfeifen von Ashbys Abteilung. Fast vergaß er seine eigene gefährliche Situation, als er in der Ferne die scharlachrote Marschkolonne mit dem stolz trabenden Grauschimmel an der Spitze um die Wegbiegung kommen sah. Die roten Uniformröcke der MarineInfanteristen schienen waagrecht vorwärtszugleiten, nur die weißen Hosenbeine darunter bewegten sich im Gleichtakt. So sah die auf dem gewundenen Pfad anmarschierende Kolonne tatsächlich wie eine glänzendrote Raupe mit stählern-stachligem Rücken aus. Ash-by hatte seine Sache gut gemacht. Die einzelnen Gruppen marschierten, wie Bolitho befohlen hatte, in Abständen, so daß man glauben konnte, sie seien weit zahlreicher. Jetzt konnte er auch das Ende der Kolonne sehen: Inchs Matrosen, eine schwankende, auseinandergezogene, weiß und blaue Masse in einer ordentlichen Staubwolke, die auf eine viel stärkere Truppe schließen ließ.
«Wie stark sind die Franzosen, Sir?«fragte Rooke. Bolitho kniff die Augen zusammen, um die französischen Artilleristen besser beobachten zu können, die eben jetzt die anrückende Kolonne erstmals gesehen hatten. Etwa fünfzig Soldaten befanden sich seiner Meinung nach in der Batterie. In der Festung selbst konnten zweimal, ja dreimal so viele sein. Doch das bezweifelte er. Nur wenige Köpfe hoben sich, soweit er sehen konnte, vom Himmel ab; außer diesen erkannte er nur noch ein paar Soldaten auf dem einen Wachturm neben dem Doppeltor.
«Stark genug für ihre Zwecke, Mr. Rooke«, erwiderte er. Auch die Verteidigungskräfte jenseits der Mauer hatte er gesehen. As h-bys Truppe würde sich mit denen auseinandersetzen müssen, falls sein eigener Plan schiefging und Ashby angreifen mußte. Zwei steile Dämme, einer davon schien neu zu sein. Zwar konnte er von hier aus nichts erkennen, aber bestimmt waren sie mit zugespitzten Pfählen und anderen Hindernissen armiert. Jede angreifende Truppe würde von Schrapnell- und Musketenfeuer niedergemäht werden, ehe sie auch nur den Hauptgraben unterhalb der Mauer erreicht hatte.
Ashby tat, was er konnte, um mit seinem Anmarsch ein möglichst imponierendes Schauspiel zu bieten. Die MarineInfanteristen bildeten ständig neue Gruppen und Abteilungen oder flankierten die eigene Marschkolonne. Wahrscheinlich kam ihnen das Ganze ebenso rätselhaft vor wie oben den Franzosen, die ihren
Anmarsch beobachteten.
«Wir haben nur ein paar Minuten Zeit«, sagte Bolitho eindringlich.»Die Franzosen werden bald merken, daß alles nur Bluff ist. «Unwillkürlich duckte er sich, als ein einzelnes Geschütz von der anderen Mauer her losdonnerte, und fuhr dann fort:»Die Hyperion kann ihre Scheinangriffe auch nicht stundenlang fahren. Wenn eine dieser glühenden Kugeln an einer Stelle trifft, wo unsere Leute nicht rechtzeitig hinkommen, brennt das Schiff lichterloh.»
Rooke zog den Degen und sah die beiden Pistolen in seinem Gürtel nach.»Ich bin bereit«, sagte er mit fester Stimme.»Aber ich meine immer noch, wir sollten das Haupttor zu erreichen versuchen. Wenn wir dort sind, ehe die Frogs es bemerken, können wir Ashby den Weg für einen Frontalangriff freimachen.»
«Und wenn nicht?«entgegnete Bolitho gelassen.»Dann hauen sie uns kurz und klein und können Ashby vernichten, wann und wie sie wollen. «Er leckte sich die trockenen Lippen und glitt von der Schießscharte.
Alle Matrosen beobachteten ihn scharf — sie versuchten, ihr eigenes Schicksal aus seinen Augen zu lesen. Er sprach weiter:»Wenn ich Befehl gebe, klettern wir durch diese beiden Schießscharten über die Brustwehr. «Er war sich wohl bewußt, wie die kostbaren Sekunden verrannen, aber die Männer mußten ganz genau verstehen, was sie zu tun hatten.»Es sind etwa fünfundsiebzig Yards bis zum Festungstor zu überwinden. Jetzt steht es offen — aber wenn sie uns zu früh sehen, knallen sie uns die Tür vor der Nase zu!«Er rang sich ein Lächeln ab.»Also rennt, als wäre der Teufel hinter euch her! Wenn wir die Festung einnehmen, wird sich die Außenbatterie ergeben. Auf sich allein gestellt, wäre sie verloren.»
Plötzlich zuckte er zusammen: einer von denen, die ihn da gespannt anblickten, war Midshipman Seton. Rooke bemerkte sein Stutzen und sagte obenhin:»Ich hielt es für richtig, daß er mitkommt, Sir. Wir brauchen alle erfahrenen Leute für später.»
Bolitho musterte ihn kühl.»Auch Leutnants sind nicht immun, Mr. Rooke!»
Da mischte sich Tomlin mit seiner groben Stimme ein:»Die Batterie hat wieder Feuer eröffnet, Sir. Machen sich anscheinend keine Sorgen wegen Captain Ashby.»
Bolitho zog den Degen und strich sich die Haarsträhne aus der
Stirn.»Also dann hinüber, Jungs! Wer einen Laut von sich gibt, den lasse ich auspeitschen.»
Auch der Furchtsamste unter den Männern wußte, daß diese Drohung gegenstandslos war. Wenn die Franzosen sie jetzt entdeckten, würde die Peitsche ihre geringste Sorge sein.
Bolitho stand langsam auf und warf ein Bein über den Rand der Schießscharte. Die Mauer war sehr dick, aber er spürte eine stützende Hand unter seinem Arm und wußte, daß Allday dicht hinter ihm war. Merkwürdigerweise hatte er während des langsamen Vormarsches durch die Klippen überhaupt nicht an seinen Bootsführer gedacht. Vielleicht weil er sich schon so lange auf ihn verließ, daß seine Treue und sein Mut ihm selbstverständlich erschienen. Unvermittelt sagte er:»Wenn ich falle, Allday, dann bleiben Sie bei Mr. Rooke. Er wird alle Hilfe brauchen, die er kriegen kann.»
Allday blickte ihn ruhig und aufmerksam an.»Aye, aye, Cap-tain. «Dann warf er das schwere Enterbeil über die Schulter und fuhr fort:»Aber wahrscheinlich zielen die Franzosen eher auf ihn.«Und bei diesen Worten grinste er.»Mit allem Respekt, Sir, aber Sie sehen so zerlumpt aus, daß es sich nicht lohnt, auf Sie zu schießen!»
Bolitho musterte ihn.»Eines Tages gehst du zu weit, du frecher Bursche.»
Dann erschien Rooke an der Spitze der zweiten Abteilung und begann den Durchstieg. Bolitho sprang zu Boden und rannte auf den runden Turm zu. Unwichtige Einzelheiten traten während seines Laufs über das Glacis hart und klar hervor: kleine weiße Steinsplitter, ein weggeworfenes Hemd, ein grobgezimmerter, zerbrochener Stuhl, ein irdener Weinkrug glitten blitzschnell an ihm vorbei, als er mit seinem Schatten um die Wette auf die Festungsmauer zurannte.
Keuchend erreichte er sie, preßte sich gegen die mächtigen Steinblöcke und wartete, bis die anderen bei ihm waren. Es war kaum zu glauben, aber bis jetzt hatte sie tatsächlich noch keiner gesehen. Und von hier sah es so aus, als wären sie allein auf der Insel; denn die breite Silhouette des Turmes verbarg Kanonen und Tore, Gräben und Soldaten.
Er gab ein Zeichen mit dem Degen und ging längs der Mauer vor.
Der Torbogen wurde durch die Rundung des Turmes zunächst verdeckt, und als er ihn schließlich erreichte, war er fast ebenso überrascht wie die beiden französischen Soldaten, die dort auf ihren Musketen lehnten. Der eine ging aufs Knie und legte seine Muskete an; der andere, aufgeweckter oder nicht ganz so tapfer, drehte sich um und floh durch die schmale Öffnung ins Innere. Bolitho schlug die Muskete beiseite und rannte hinter ihm her. Ohne es recht zur Kenntnis zu nehmen, hörte er den furchtbaren Schrei des Postens, den ein Entermesser niederhieb, ehe er feuern konnte. Sekundenlang war er geblendet, als er in das kühle Dunkel des Turmes stürzte; doch als er einen Moment verhielt, um sich zu orientieren, sah er eine steile Wendeltreppe und hörte von oben laute Alarmrufe.
«Mr. Tomlin!«schrie er,»blockieren Sie das Tor!»
Die hereinhastenden Matrosen rannten ihn fast um.»Dann das untere Stockwerk durchsuchen!«Er wandte sich um und rannte auf die Wendeltreppe zu, halb betäubt vom Widerhall der Rufe und des wilden Gebrülls, als die erste Angst der Männer in Raserei umschlug.
Hinter einer Treppenbiegung krachte ein Schuß hervor, und knapp unter Bolitho schrie ein Matrose auf und stürzte rücklings in die Nachfolgenden. Eine kleine Tür zu einem engen Gang stand offen, und Bolitho erblickte einen französischen Soldaten, der mit gefälltem Bajonett im Laufschritt angriff. Bolitho konnte die Treppe weder hinauf noch hinunter; als das Bajonett schon dicht vor seiner Brust war, blitzte Alldays Enterbeil im Halbdunkel auf, und der Soldat fiel, Kopf voran, hinter dem toten Matrosen auf die Stufen.
Mit Abscheu starrte Bolitho auf die zerschmetterte Muskete zu seinen Füßen nieder. Eine abgetrennte Hand hielt nach wie vor den Kolben umklammert, als sei sie trotz Alldays wildem Axthieb noch lebendig.
Gepreßt sagte er:»Weiter, Jungs! Noch zwei Stockwerke!«Er schwenkte den Degen, und in seinem Kopf schwirrte der gleiche krankhafte Wahnsinn, der seine Männer erfaßt hatte.
Aber an der letzten Treppenwindung stießen sie auf eine dichte Linie Soldaten, deren Musketen ohne zu wanken auf die andrängende Masse der Matrosen gerichtet waren, und deren aufgepflanzte Bajonette mörderisch glitzerten. Jemand schrie einen Befehl, und ihre ganze Welt explodierte in Musketenfeuer. Bolitho wurde von fallenden Leibern beiseitegestoßen, in seinen Ohren gellten Schreie und Flüche, als die vordere Reihe der Soldaten niederkniete und nun das zweite Glied auf kürzeste Entfernung feuerte. Die steinernen Stufen wurden schlüpfrig von Blut; rechts und links stießen und drängten sich die Männer, um dem Gemetzel zu entfliehen. Der Schwung des Angriffs, Bolitho wußte es, war gebrochen. Gewiß, sie hatten die Festung unbemerkt erreicht, und das hatte sie in ein irres Hochgefühl versetzt, aber nun war es in kopflose Panik umgeschlagen. Er sah die Schulter an Schulter stehenden Soldaten, die jetzt die Treppe herunterkamen; ihre Bajonette waren bereit, das Vernichtungswerk zu vollenden.
Mit einem Schrei, der wie verzweifeltes Aufschluchzen klang, warf sich Bolitho über die letzten Stufen hinauf; sein Degen schlug die vordersten beiden Bajonette beiseite, die nach seinem zerfetzten Hemd stießen, und mit aller Kraft hieb er auf die Männer des zweiten Gliedes ein. Die erschrockenen Soldaten standen zu dicht, um ihre langen Musketen voll ausnützen zu können, und er sah im Gesicht eines Mannes, den sein Degen wie ein Puppe zur Seite fegte, eine dunkelrote Wunde aufklaffen. Er fühlte, wie sie taumelten und gegen ihn stießen, ja sogar ihren warmen Schweiß, als sie wie eine lebendige Flutwelle über die Steinstufen quollen. Jemand stieß ihm einen Gewehrkolben ins Kreuz, und mit schmerzverdunkeltem Blick sah er einen barhäuptigen Offizier, der verzerrten Gesichts seine Pistole im Anschlag hielt. Mit einer letzten verzweifelten Anstrengung riß Bolitho den Degen hoch und führte einen so starken Hieb nach dem Mann, daß er seine Schulter im Aufprall erzittern fühlte. Die Klinge fuhr dem Offizier durch Kragen und Epaulette, in lautlosem Todesschrei öffnete sich sein Mund, und aus der durchschnittenen Arterie schoß ein Blutstrahl empor wie eine scheußliche rote Blume. Immer mehr Matrosen warfen sich nun in das Kampfgewühl. Bolitho selbst merkte, wie er rückwärts stolperte, aber jemand hielt ihn fest und schrie seinen Namen. Dann wurde er wieder vorwärtsgedrängt, über Leichen und schreiende Verwundete hinweg; und die britischen Matrosen stürmten auf das helle Rechteck am oberen Ende der Treppe zu.
Wie im Traum sah Bolitho, daß Rookes Degen in einen Mann neben der Tür fuhr und der Leutnant weiterstürmte, ohne auch nur aus dem Tritt zu kommen. Ein langer, bezopfter Matrose hieb sein Enterbeil dem sterbenden Franzosen mit solcher Kraft in die Schulter, daß er den Fuß gegen den Körper des Mannes stemmen mußte, um es wieder herauszureißen.
Allday stützte ihn. Sein mächtiges Beil pfiff wie die Sense eines Schnitters, sobald ein Überlebender versuchte, über den einzigen Fluchtweg, die Treppe, nach unten zu entkommen.
Bolitho verdrängte Schmerz und Übelkeit — ihm wurde klar, daß seine siegestrunkenen Männer, wenn er nicht sofort etwas tat, jeden Franzosen umbringen würden, der noch im Turm war. Er schob Allday beiseite und folgte den anderen in den Sonnenschein hinaus.»Die Flagge!«rief er Rooke zu.»Nieder mit ihr, Mann!»
Mit wilden Augen fuhr Rooke herum. Da sah er Bolitho und kam wieder zu Sinnen.»Hast du gehört? Los, Strohkopf!«krächzte er. Ein Matrose neben ihm, der gerade dabei war, einen verwundeten Franzosen mit nackten Händen zu erwürgen, ließ mit einem Schmerzensruf davon ab, weil Rooke ihm die flache Klinge auf die Schulter gehauen hatte.
Allday wartete, bis die französische Flagge auf den Steinplatten lag; dann wickelte er sich einen britischen Wimpel vom Leib und reichte ihn dem atemlosen Matrosen.»Heiß den, Bursche!«Mit geschultertem Enterbeil sah er zu, wie die britische Flagge hochstieg und sich in der warmen Brise entfaltete.»Da haben sie was dran zu kauen!«grinste er.
Bolitho trat an die Brustwehr und stützte sich schwer auf die verwitterten Steine. Unter ihm starrten die französischen Artilleristen verzweifelt zu der britischen Flagge auf und dann zur Hyperion hinaus, die eben über Stag ging und Kurs auf die Hafeneinfahrt nahm. Ihm war speiübel, und er war todmüde, trotzdem blieb noch viel zu tun. Mühsam wandte er sich um und musterte die atemlosen Sieger. Von den fünfundzwanzig, mit denen er angetreten war, schienen nur noch wenige übrig zu sein.»Bringt die französischen Soldaten in einen sicheren Gewahrsam«, sagte er. Tomlin erschien in der offenen Tür.»Nun?»
Der Bootsmann tippte sich grüßend mit der Faust an die Stirn.»Hier is' 'n französischer Offizier, Sir. Der Kommandeur der Batterie. «Tomlins Fangzähne glitzerten vor Vergnügen.»Hat sich ergeben, Sir.»
«Ja, schon gut. «Er konnte dem Franzosen nicht ins Gesicht sehen — dieser wunde, gedemütigte Blick des Besiegten.»Mr. Roo-ke«, befahl er,»gehen Sie hinunter und entwaffnen Sie die Batterie. Dann öffnen Sie das Festungstor, begrüßen Hauptmann Ashby und richten ihm mein Kompliment für gute Arbeit aus.»
Rooke eilte hinweg, und Bolitho hörte fernes Hurrarufen. Ob vom Schiff oder von Ashbys Marine-Infanteristen, das wußte er nicht, und es war ihm auch völlig gleichgültig.
Jetzt schwamm Alldays Gesicht in sein Blickfeld.»Sind Sie verletzt, Captain?«fragte der Bootsmann besorgt.»Ich glaube, Sie sollten sich ein bißchen ausruhen.»
Bolitho schüttelte den Kopf.»Lassen Sie mich nachdenken. Ich muß nachdenken!«Er wandte sich um und erblickte Seton, der bleich und entsetzt auf einen verwundeten Franzosen zu seinen Füßen starrte. Der Mann hatte einen Stich in den Magen bekommen. Blut strömte aus seinem offenen Mund, aber er klammerte sich noch ans Leben; es war herzzerreißend und mitleiderregend, wie seine Worte im Blut erstickten. Vielleicht empfand er in diesen letzten Augenblicken Seton irgendwie als Retter.
«Helfen Sie ihm, mein Junge«, sagte Bolitho.»Er kann keinen Schaden mehr anrichten. «Aber Seton wich zurück, seine Lippen zitterten, als der Mann seinen Schuh mit blutiger Hand berührte. Seton konnte das Zittern nicht beherrschen, und Bolitho sah, daß sein Dolch noch in der Scheide stak. Der muß ein dutzendmal durch die Hölle gegangen sein, dachte er. Laut aber sagte er:»Er ist nicht mehr unser Feind. Lassen Sie ihn wenigstens nicht sterben, ohne daß jemand bei ihm ist!«Er wandte sich ab, konnte nicht mitansehen, wie der verstörte Midshipman sich neben diesen blutenden Todgeweihten hinkniete, der seine Hand umklammerte, als sei sie das Kostbarste auf der Welt.
«Das kommt noch, Captain«, sagte Allday leise.»Mit der Zeit lernt er' s schon.»
«Es ist kein Spiel, das man lernen kann, Allday«, antwortete Bo-litho leeren Blickes.»Und ist auch nie eines gewesen.»
Ashby kam die Treppe heraufgepoltert, ein mächtiges Grinsen spaltete sein Gesicht.»Bei Gott, Sir! Eben gehört, was Sie getan haben!«Begeistert schlug er die Hände zusammen.»Bei Gott, Sir, das war großartig, wirklich!»
Bolitho blickte zur Hyperion hinunter. Sie hielt jetzt direkt auf die Hafeneinfahrt zu; er konnte die Matrosen unterscheiden, wie sie zu den Booten schwärmten und sie klarierten.
«Sie müssen quer durch die Insel zu dem anderen Fort marschieren, Ashby«, sagte er zu dem Hauptmann.»Die Besatzung wird sich wahrscheinlich schnell ergeben, wenn Sie dem Kommandanten klarmachen, daß er jetzt allein ist.»
Doch Ashby rührte sich nicht. Sein Gesicht, so scharlachrot wie seine Uniform, schien alles andere zu verdecken, und seine Stimme dröhnte in Bolithos Kopf:»Prachtvoller Sieg, Sir. Genau was wir brauchten. Wirklich prachtvoll!»
«Wie Sie meinen, Ashby«, erwiderte Bolitho.»Aber jetzt gehen Sie bitte und tun, was ich gesagt habe. «Gott sei Dank, daß er weg ist, dachte er, als er den immer noch aufgeregt vor sich hin redenden Hauptmann im Treppenaufgang verschwinden sah.
Hatte er eigentlich gewußt, was er tat, als er sich den französischen Bajonetten entgegenwarf? Oder war es der Wahnsinn des Kampfes gewesen, und dazu vielleicht die Angst vor Niederlage und Schande?
Unten auf der Batterie wimmelten die Brustwehren von durcheinanderschreienden Matrosen; zwei Mann hatten sich auf Ashbys Pferd geschwungen und trabten grinsend wie die Kinder zwischen den verstörten Gefangenen herum.
Allday sagte:»Er hat recht, Captain. Als Sie losgingen, war es aus mit denen. «Er schüttelte den Kopf.»Ganz wie in alten Zeiten. Kurz und scharf, und am Ende blutige Nasen!»
Bolitho blickte auf Seton hinunter. Der hockte immer noch bei dem französischen Soldaten, hielt dessen blutige Hand umklammert und blickte mit entsetzten, starren Augen in das Gesicht des Mannes.
Allday folgte Bolithos Blick und sagte gedämpft:»Er ist tot, Mr. Seton. Sie können ihn jetzt alleinlassen.»
Bolitho erschauerte. Es war vorbei.»Ich brauche einen Kurier zur Chanticleer«, sagte er.»Mr. Bellamy muß sofort absegeln und die Princesa benachrichtigen, daß wir die Insel genommen haben. «Als er sich rasch umdrehte, stand Seton neben ihm. Noch zitterten seine Lippen, und über die bleichen Wangen rannen Tränen.
Aber seine Stimme war jetzt fester und seltsam entschlossen.
«Ich gehe, Sir, wenn Sie meinen, ich kann das.»
Bolitho legte ihm die Hand auf die Schulter und blickte ihn sekundenlang aufmerksam an. Alldays Worte klangen in ihm nach:»Mit der Zeit lernt er' s schon.»
«Schön, Mr. Seton«, sagte er langsam.»Ich bin ganz sicher, daß Sie es können.»
Er sah dem Jungen nach, der steifbeinig zum Treppenaufgang schritt; reglos hingen seine Arme herab, und er hielt den Kopf von den starräugigen Toten und stöhnenden Verwundeten abgewandt. Das hätte ich sein können, dachte Bolitho müde. Vor zwanzig Jahren bin auch ich beinahe zusammengebrochen, und jemand hat mir durch ein paar mitfühlende Worte geholfen. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er nachdenklich in die Sonne. Aber trotz aller Mühe konnte er sich weder an die Worte noch an den Mann erinnern, der ihm den Verstand gerettet hatte, als damals, genau wie jetzt bei Seton, seine Knabenwelt in Scherben ging. Da richtete er sich auf und stieß den Degen in die Scheide.»Kommen Sie, All-day«, sagte er.»Gehen wir uns ansehen, was wir da erobert haben!»