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Michel, Ojo und Jardin saßen in einer alten, verfallenen Bambushütte am Ostrand der Stadt. Sie waren von echten Indern nicht mehr zu unterscheiden. Marina hatte ihnen Kleidung gebracht, die sie unkenntlich machte.
Als es Abend wurde, kamen die vier Freunde zu der Bambushütte geritten.
Sie brachten Proviant und Wein für Ojo.
»Wie denkt Ihr über den Aufbruch, Miguel?« fragte Marina.
Der Pfeifer kaute an einem großen Bissen Lammfleisch und sagte zwischen zwei Bissen: »Es wäre verfehlt, jetzt schon zu gehen; denn Ihr könnt Euch denken, daß die Herren von der Kompanie nichts unversucht gelassen haben, ihre ganze Truppenmacht aufzubieten, um uns wieder zu fangen. Hier in der Bambushütte ist es zur Zeit am sichersten.« »Aber zu lange dürfen wir nicht mehr zögern«, meinte Marina. »Man wird sonst an der birmaischen Küste doch noch auf unsere Schiffe aufmerksam.«
»Das ist richtig, und ich teile Eure Befürchtungen durchaus. Aber ich habe noch etwas zu tun in Kalkutta. Da ist nämlich mein Freund Tscham. Und ich gehe nicht, wir alle drei gehen nicht, bevor auch er frei ist.«
»Tscham?« fragte Marina. »Ist das der Radscha von Bihar?«
»Ganz recht. Er ist aber vor allem unser Freund, und deshalb dürfen wir ihn nicht im Stich lassen.
Marina und ihre drei Gefolgsleute schwiegen. Sie erkannten zwar den Wunsch des Pfeifers an, hielten es jedoch für töricht, sich hier aus diesem Grunde der Gefahr des Wiederentdecktwerdens auszusetzen. ! »Ihr schweigt?« fragte Michel. Ibn Kuteiba nickte ernst.
»Ich glaube, Ihr wißt die Schwierigkeiten nicht recht zu schätzen, unter denen wir euch befreit haben. Und ich fürchte, es wird noch schwieriger, wenn nicht gar unmöglich sein, den Radscha zu befreien.«
»Ihr wart zu viert«, sagte Michel. »Jetzt sind wir sieben. Das ist schon fast eine kleine Armee. Ich weiß zwar nicht wie, aber ich weiß, daß wir es schaffen werden.«
Marina hatte sich nicht weiter am Gespräch beteiligt. Sie hing einem phantastischen Gedanken nach. Er war an sich ungeheuerlich; aber er war nicht ohne Schwung. Wenn man ihn ausführte, konnte man vielleicht alles erreichen oder alles verderben. Nun, ein bißchen Glück brauchte der abenteuerliche Mensch eben. Und Marina glaubte fest an ihr Glück. »Miguel«, sagte sie, »wir reiten jetzt in unseren Gasthof. Ich habe einen Plan. Ob er sich verwirklichen läßt, weiß ich nicht. Es kommt auf einen Versuch an. Morgen im Lauf des Nachmittags komme ich allein mit einem Fremden zu Euch. Bis dahin geduldet Euch.« »Wollt Ihr mir diesen Plan nicht verraten?«
»Nein, er ist zu phantastisch. Ich möchte nicht, daß Ihr über mich lächelt.«
Ihre Stimme war dunkel, als sie die letzten Worte sagte. Ein glutvoller Blick aus ihren Augen traf Michel. Mit festem Druck reichte sie ihm die Hand.
Kurz darauf verklangen die Hufschläge stadtwärts.