158366.fb2 Piratenblut - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 18

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17

Jardin hörte Huf schlag. Er schob die Bastmatte beiseite und spähte durch den Einlaß der Hütte. Von der Stadt näherten sich zwei Reiter in scharfem Trab. Er wandte sich an Ojo, der, mit einer Weinflasche im Arm, tief schlafend auf einer Matte lag. »He, steh auf, amigo, Reiter kommen.«

Ojo grunzte und drehte sich auf die andere Seite. Jardin schüttelte ihn abermals. Als er den Riesen auf diese Weise nicht wach bekam, versetzte er ihm zwei Ohrfeigen. Das half. Ojo fuhr auf und packte ihn an der Kehle. Dann merkte er, wer da in seinen Riesenfäusten zappelte. »Nanu, du, Alfonso? Wer hat mich eben geohrfeigt?«

»Geohrfeigt?« fragte Jardin mit gut gespielter Verwunderung. »Geohrfeigt hat dich niemand. Ich habe dir lediglich die Wangen gestreichelt, damit du wach werden solltest. Wir bekommen nämlich Besuch.«

Ojo ließ den Kleinen fahren und fuhr sich mit beiden Händen über die gestreichelten Wangen. »Mensch«, sagte er mit einem gutmütigen Lachen, »wenn du auch mal dein Liebchen so streichelst, dann kannst du ihr gleich ein neues Gebiß kaufen. Solche Liebkosungen hält das Gesicht einer zarten Senorita nicht aus.«

»Nichts für ungut, alter Säufer. Du bist ja auf normalem Wege nicht wachzukriegen. Vielleicht gewöhnst du dir mal einen leiseren Schlaf an. Es ist eine ewige Plage mit dir.« »Schon gut«, brummte Ojo. »Wer kommt?«

»Die Senorita Capitan mit einem baumlangen rotgebrannten Kerl, den ich noch nie gesehen habe.«

»Ist er länger als ich?« fragte Ojo und reckte die Fäuste, daß es knackte.

»Das kann ich nicht unterscheiden. Warte, bis er hier ist, dann wirst du es schon sehen.«Der Hufschlag war ganz nah herangekommen und verstummte jetzt.

»Hier ist es, Mr. Stineway«, sagte Marina auf englisch. Dann wechselte sie die Sprache und fragte zur Hütte hin:

»Senor Baum, können wir hineinkommen? Ich habe Besuch mitgebracht.«

Die Matte wurde vollends zurückgeschlagen, und Jardin trat ins Freie.

»Buenas tardes, Senorita. El Silbador ist noch nicht da. Er wollte aber nicht lange bleiben. Er wird in Kürze zurück sein.«

»Bien, Jardin, verbergt unsere Pferde. Come on, Mr. Stineway, gehen wir in die Hütte. Der Mann, der Euch die Geschichte erzählen wird, ist noch unterwegs, muß aber bald zurück sein.« Jardin kam herein. Ojo erhob sich und staunte den Engländer an, der noch eine halbe Handbreit größer war als er.

»Demonio«, schrie er begeistert, »ein Riese, ein richtiger Riese !« Seine Augen blitzten, und mit seiner mächtigen rechten Pranke schlug er dem armen Stineway voller Freude derartig auf die Schulter, daß der Engländer in die Knie ging und ein lautes »Au weh« ausstieß. Marina lachte.

»Halt ein, Diaz, hau unsere Freunde nicht zusammen! Wir werden sie noch brauchen.« Und zu Stineway gewandt fuhr sie fort: »Dieser Schlag bedeutet keine Feindseligkeit. Es war lediglich der Ausdruck einer übergroßen Freude unseres Diaz. Diaz ist immer begeistert, wenn er einmal einen ebenso langen Menschen trifft.« »Ein schmerzhafter Freudenbeweis«, sagte Stineway, dessen Gesicht noch immer verzerrt war, und fuhr sich nach der Schulter.

Wieder klang Hufschlag auf. Von Süden her kam ein einzelner Reiter. Bald war er heran. Es war der Pfeifer.

Er begrüßte Marina. Und diese stellte ihm den Engländer vor.

»Wo wart Ihr, Miguel?« fragte sie. »Ist es nicht zu gefährlich für Euch, in der Stadt herumzureiten?«

Aus Höflichkeit gegen den Besucher hatte sie sich der englischen Sprache bedient. Und so antwortete Michel ebenfalls auf englisch:

»Bevor ich nach Kalkutta kam, hatte ich mein Gewehr vergraben. Ihr wißt, was für eine Kostbarkeit es darstellt. Ich war eben fort, um es wieder zu holen.«

Er deutete auf ein längliches Bündel, das in eine schmutzige Decke gehüllt hinter dem schlechten Sattel befestigt war.

»Ein Pferd habt Ihr auch gekauft?« fragte Marina.

»Ja. Leider habe ich für meine beiden Freunde keine mitbringen können; denn der persische Händler war zu unverschämt mit seinen Preisen.«

Michel wandte sich nunmehr an Stineway.

»Was verschafft mir die Ehre Eures Besuchs?«

Stineway sah Marina an und meinte:

»Mylady hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß Ihr ein guter Geschichtenerzähler seid. Ihr müßt wissen, daß ich Berichterstatter beim »Daily Courant« bin. Geschichten aus Indien fesseln den Leser immer.«

Michel blickte fragend zu Marina. Diese meinte:

»Ja, Ihr habt richtig verstanden, Miguel. Mr. Stineway interessiert sich besonders für die Story über den Radscha von Bihar.«

Stineway schüttelte den Kopf.»Davon habe ich nichts gesagt. Das Thema ist Euch überlassen.« »Es ist ein gutes Thema«, sagte Michel, der Marinas Absichten sofort verstanden hatte. »Ein Thema, über das sich so mancher Leser seine Gedanken machen wird. Ich war nämlich mit Lord Hawbury in Bihar und habe die Geschichte der Eroberung und die persönlichen Schicksale der Würdenträger des Fürstentums vom ersten Tag an miterlebt. Wenn Euch ein Augenzeugenbericht interessiert, so laßt Euch auf die Matte nieder und hört mich an.« Der lange Engländer setzte sich und nickte.

»Weiß Gott, Stories von einem Augenzeugen sind das Interessanteste, was es gibt. Ich bin gespannt. Ihr gestattet, daß ich mir einige Notizen mache.«

»Oh, ich bitte darum. Die Einzelheiten sind wesentlich. Und der Sinn einer Zeitung ist doch, so wahrheitsgetreu wie möglich zu schildern. Ja, das war also im Sommer vorigen Jahres. Zu dieser Zeit kamen wir in Kalkutta an, und ich wurde als Begleiter für Lord Hawbury angestellt. Wir gingen, das heißt, wir ließen uns alle in Sänften nach Bihar tragen. Eine angenehme Art des Reisens übrigens.«

Michel gab einen ausführlichen Bericht über seine Abenteuer bis zur Verhaftung Tschams. Er ließ auch nicht die schmutzigen Geschäfte des Mr. Fox außer Betracht. Er nutzte die Gelegenheit, um die Schuldigen anzuklagen und um seiner Meinung über die Verhaftung, die eigene sowohl wie die des Radscha, Ausdruck zu verleihen. Stunde um Stunde verrann.

Zuerst glitt der Bleistift Stineways nur zögernd über die Seiten. Er mochte vieles, was der Pfeifer erzählte, als Verleumdung gegen die Maßnahmen der Kompanie auffassen. Aber nachdem eine Weile vergangen war, spürte er doch heraus, daß da vor ihm ein Mann saß, den nicht nur die Erbitterung und der Zorn zu dieser Geschichte trieben, sondern der inneren Anteil nahm an den Geschicken eines geistig so hoch entwickelten Landes und an den Schicksalen seiner fähigsten Söhne.

Die Kirchenglocken von Kalkutta sandten ihre verhallenden Schläge bis hierher. Als Stineway sich erhob, war es zehn Uhr geworden. Das Papier, das er beschrieben hatte, war ausgegangen. Und so bekritzelte er auch noch die Ränder der neuesten Zeitung, die er zufällig bei sich hatte. »Ein Skandal«, sagte er. »Eine Ungeheuerlichkeit. Und Ihr seid fest davon überzeugt, daß Hastings über diese Dinge Bescheid weiß?«

»Er weiß nicht nur Bescheid, er ist der Urheber. Er und Impey stecken unter einer Decke. Das Recht wird beim Obersten Gerichtshof in Kalkutta mit Füßen getreten. Der einzige Wahlspruch, der über all diesen Handlungen steht, lautet: Recht ist, was einzig und allein der Kompanie nützt.«

Stineway steckte sorgfältig die beschriebenen Seiten und die Zeitung in seine Ledertasche. »Ihr also, den man den Pfeifer nennt, seid jetzt auf der Flucht.«

»Ja«, sagte Michel. »Fragt einmal in Kalkutta nach, weshalb man ein ganzes Rifleregiment nach Islamabad und Kumilla entsandt hat. Die Soldaten sollen uns dort fangen. Das heißt, sie sollen uns den Fluchtweg an der Küste abschneiden. Für uns gibt es nur eine Rettung, nämlich hier zu warten, bis den Herrschaften das Suchen nach uns zu langweilig wird. Ich hoffe, ich kann mich auf Eure Verschwiegenheit verlassen.« Der lange Engländer sah empört auf.

»Kein Mensch erfährt von mir ein Sterbenswörtchen. Bin doch mal gespannt, was die Londoner sagen, wenn sie diesen Bericht serviert bekommen. Ich darf doch von Euch als dem Pfeifer sprechen?«

»Das dürft Ihr. Ihr braucht nichts zu verschweigen als unser augenblickliches Versteck. Allerdings — bis der Artikel in London ist, sind wir sicherlich längst über alle Berge.« »Ja, das Original. Aber Mylady bat mich doch, dem Generalgouverneur eine Kopie zu schicken. Na, wir können das so machen, daß ich aus der Kopie den Namen des Augenzeugen weglasse. Das wird am einfachsten sein.« Michel reichte ihm die Hand.

»Ihr werdet der Menschlichkeit damit einen Dienst erweisen. Ein unerschrockener Zeitungsmann ist mindestens soviel wert wie eine ganze Armee.« Stineway schüttelte herzlich des Pfeifers Rechte.

»Ich danke Euch wirklich für die Story. Sie wird in Schlagzeilen erscheinen. Und mein Chef wird es dann verstehen, für mich in London größere Vollmachten zu erwirken, so daß ich hier in Indien tatsächlich tun kann, was mir beliebt.«

Ojo holte die Pferde, und Marina sagte mit leuchtenden Augen zu Michel: »Bis morgen, Miguel. Unternehmt nichts bis dahin.« Michel trat ganz nahe zu ihr und flüsterte:

»Euer Gedanke mit der Kopie für Hastings war genial. Ich schätze, wir können hier in Ruhe abwarten.«

Dann stoben die Pferde in die Nacht hinaus.