158366.fb2 Piratenblut - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 19

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Es war drei Tage später, als Sir Warren Hastings auf seinem Schreibtisch einen an ihn persönlich gerichteten Brief fand. Es war ein einfacher Umschlag von grüner Farbe, wie ihn kleine Geschäftsleute verwandten. Er wollte ihn schon beiseite legen, um die darin enthaltene Post von seinem Sekretär bearbeiten zu lassen. Aber irgendeine Laune veranlaßte ihn zum öffnen. Er fand einen engbeschriebenen Brief, der sich bei genauerem Hinsehen als ein Leitartikel, Manuskript oder etwas ähnliches entpuppte. Auf einem besonderen Bogen aus besserem Papier standen in steiler Handschrift folgende Zeilen :

Dear Sir:

In der Anlage findet Ihr die Kopie eines Berichtes, der in den nächsten Wochen im »Daily Courant« erscheinen wird.

Hochachtungsvoll! R Stineway

Indian Korrespondent des »Daily Courant«

Hastings schüttelte anfangs den Kopf über den lustigen Einf all dieses Zeitungskorrespondenten. Was sich die Leute wohl so dachten? Ob der Mann wohl im Ernst annahm, daß er, Hastings, das seitenlange Geschreibsel tatsächlich lesen würde?

Hastings überflog spaßeshalber die ersten Zeilen. Plötzlich schwand das Lächeln von seinen Zügen. Seine Augen flogen mit Hast über das Papier. Dann knallte seine Faust auf den Tisch.Eine Weile saß er mit starrem Gesichtsausdruck da, bis er den Bericht wieder in den Fingern hielt. Er las ihn zum zweitenmal.

»Unerhört! Unverschämte Provokation«, murmelten seine Lippen.

Da stand es, schwarz auf weiß, und es war vermutlich schon auf dem Weg nach London. Im letzten Absatz hieß es:

Seine Herrlichkeit, der Herr Generalgouverneur, und sein treuer Freund, der Oberrichter Impey, finden anscheinend nichts dabei, Recht wider das Recht zu sprechen. Da befreit ein anständiger Mensch den jungen Radscha aus dem brennenden Palast und rettet ihn vorm Flammentode, damit der Herr Generalgouverneur und der Oberrichter sowohl den Retter als auch den Radscha in ihr Gefängnis in Kalkutta werfen können. Wir Korrespondenten hier warten noch heute auf das Urteil im Prozeß gegen Seine Hoheit, den Radscha von Bihar. Es ist und bleibt eine Schande für Englands Namen, wenn solche Abenteurer wie Seine Herrlichkeit Macht über Leben und Tod der Fürsten eines Volkes haben, dem sie doch abendländische Kultur und Zivilisation bringen sollen. Wir fragen unsere Leser, was sie von der Aburteilung oder auch nur von der Verhaftung eines Fürsten halten, der nichts weiter getan hat, als die Steuern herunterzusetzen, seinen Bauern damit ein besseres Leben zu ermöglichen und sich zu weigern, die untragbar hohen Tribute in die sauberen Taschen der Herren von der Ostindien-Kompanie fließen zu lassen. Sobald das Urteil im Prozeß gegen den Radscha gesprochen ist, werden wir weiter berichten.

Hastings sprang auf. Er riß an der Klingelschnur. Die Ordonnanz stürzte herein.

»Sir Elijah--ich lasse Sir Elijah Impey bitten, sofort zu mir zu kommen. Schickt mir vorher noch Mr. Ten-nessy und Sir Edward William.«

Der junge Offizier hatte seinen Herrn und Meister noch nie in einer solchen Verfassung gesehen.

Er knallte mit den Hacken und rannte davon, um seine Aufträge zu erledigen.

Sir Warren stapfte durch das Zimmer, daß der Deckel des Tintenfasses auf seinem Schreibtisch klirrte. Immer wieder griff er zu dem Brief, der ihn mit magischer Kraft anzuziehen schien. Sir Warren hatte viel erlebt, seit er Clive auf diesem Posten abgelöst hatte. Er vergegenwärtigte sich, wie übel man Clive vor dem Parlament in London mitgespielt hatte. Clive hatte ganz Maisur für die Kompanie erobert. Er hatte Rohilkand den Nordwestprovinzen einverleibt und Teile von Radschputana dazugewonnen. Es hatte ihm alles nichts genützt. Die öffentliche Meinung war stärker als er. Er hatte gehen müssen. Und war bis heute noch nicht rehabilitiert.

Die Ordonnanz kam und meldete William und Tennessy.

»Ich lasse bitten.«

Die beiden traten ein und wunderten sich über das schlechte Aussehen ihres Chefs. Hastings reichte ihnen das Schreiben und sagte: »Hier, meine Herren, lest.«

William griff nach dem Papier und setzte sich umständlich die Brille auf. Tennessy ging zu einem Sessel, um sich dort niederzulassen, bis William ihm den Brief geben würde. Aber damit war Hastings keineswegs einverstanden.»Lest ihn gemeinsam, meine Herren, strengt euch ein wenig an. Er ist es wert.«

Und dann lasen sie. Ihre Gesichter wurden immer röter, und ihre Bewegungen immer hastiger. Tennessy trat von einem Fuß auf den anderen. Mindestens dreimal nahm Sir Edward William die Brille ab, um sie sofort wieder aufzusetzen. Dann endlich ließ er das Schreiben sinken. »Was sagt Ihr dazu?« kam Hastings Stimme.

»Unglaublich«, sagte William. »Man muß den Schreiber dieser Zeilen verhaften.«

»Und Ihr?« wandte sich der Generalgouverneur an Tennessy.

Tennessy zuckte die Schultern und machte eine wegwerfende Geste.

»Pah, ein Zeitungsartikel, dummes Geschwätz. Zeitungen schreiben immer Unsinn.«

»Ich glaube, diese Ansicht werdet Ihr langsam berichtigen müssen. Ihr unterschätzt die Macht der Presse. Seit diese rebellischen Amerikaner angefangen haben, in ihren Zeitungen Politik zu machen, ist die Presse ein Machtfaktor geworden. Bedauerlich ist nur, daß unsere Verleger auf der Insel den Aufständischen auf der anderen Seite des Ozeans so schnell gefolgt sind.«

»Dennoch«, meinte Robert Tennessy, »was ist schon eine Zeitung und ihre Macht im Vergleich zu Eurer Persönlichkeit, Sir Warren!«

Hastings taten diese Worte offensichtlich wohl; aber sie konnten ihn keineswegs über die Tatsachen hinwegtäuschen.

»Nehmt Platz, Gentlemen. Warten wir, bis Sir Elijah, der andere angegriffene und beleidigte Gentleman, eintrifft.«

Sie setzten sich. Das Schreiben lag wie eine drohende Fahne auf dem Tisch.

Es dauerte nur etwa eine Viertelstunde, bis Sir Elijah Impey vorgefahren war. Er nahm diesmal davon Abstand, sich von einem Gefolge begleiten zu lassen, wie es sonst seine Art war. Als er eintrat, schritt er auf Hastings zu und schüttelte ihm mit Herzlichkeit die Hand.

»Freut mich, daß Ihr wohlauf seid, Hastings. Ich dachte schon, es sei etwas Schwerwiegendes geschehen, daß Ihr mich aus einer Sitzung holen ließet.« »Well, es ist noch nichts geschehen; aber es kann etwas geschehen. Ich habe Euch rufen lassen, damit Ihr darauf vorbereitet seid. Ich möchte keine großen Erklärungen abgeben. Lest dieses Schreiben hier. Und alles wird Euch klar.«

»Sehr gern — — — Was für ein schlechtes Papier!« Er nahm sein Lorgnon vor die Augen und begann zu lesen. Als er etwa bei der Mitte angelangt war, setzte er die Stielbrille für eine Sekunde ab und meinte lächelnd: »Verzeiht, es ist eine sehr schlechte Schrift. Wirklich, man sieht ihr nicht an, daß sie von einem geübten Skribenten zu Papier gebracht wurde.« William und Hastings sahen einander an. Man merkte, daß sie die Ruhe des Oberrichters nicht so ganz verstehen konnten und sie für gespielt hielten.

Nach einer Weile legte Impey das Schreiben sorgfältig geglättet wieder auf den Tisch, klappte sein Lorgnon zu und sagte: »Nun — —«

»Tja«, meinte Hastings, »was haltet Ihr davon?« »Davon kann man nichts halten.«

»Nicht wahr?« mischte sich Tennessy ins Gespräch.»Ich fasse die Sache auch mehr oder weniger als albernen Scherz auf.«

Der Oberrichter sah ihn freundlich an.

»Ach nein, ein Scherz ist es ja nun gerade nicht. Es könnte uns schon gefährlich werden; aber man kann dieser Angelegenheit ja von vornherein den Stachel nehmen.« »Ihr meint, den Schmierfinken verhaften?« fragte William.

»Aber nein, ganz im Gegenteil, ich würde vielleicht eine Gesellschaft für ihn geben, um ihn darüber aufzuklären, daß er einem Märchenerzähler auf den Leim gegangen ist.« »Das ist einfacher gesagt als getan«, warf Hastings ein. »Die Akten über die Verhaftung dieser drei Verräter und ihre Verurteilung zur Deportation liegen vor. Der Prozeß gegen den indischen Bengel, den sie durch die Adoption zum Radscha gemacht haben, ist auch im Gange. Man wird einer Regierungskommission schwerlich klarmachen können, daß diese Akten zufällig abhanden gekommen seien. Ich denke, aus diesem blödsinnigen Artikel könnten uns allerhand Schwierigkeiten erwachsen.«

»Gestattet Ihr, daß ich mich setze?« fragte Impey liebenswürdig und suchte sich einen Sessel. »Verzeiht«, sagte Hastings, »ich bin ein wenig erregt. Was sollen wir tun? Sollen wir überhaupt etwas tun?«

»Natürlich. Ich sagte ja bereits, wir sollen die Sache an sich bereinigen. Dann wird das Wesen, das darum gemacht wurde, unwesentlich. Irren kann sich selbst einmal ein Oberrichter.« »So wollt Ihr wirklich etwas Entscheidendes gegen die Presse unternehmen?« fragte Tennessy. »Nicht gegen die Presse, sondern für die Presse. Ihr müßt wissen, Mr. Tennessy, daß man gegen die Presse nie etwas unternehmen kann. Die Zeitung, ob gedruckt, oder gesprochen, findet stets Gläubige. Ich würde mich hüten, jemals gegen das gefährlichste Instrument, das es für Menschen wie uns gibt, zu polemisieren.«

»Ihr habt also Angst vor der Zeitung«, sagte Tennessy mit halbem Spott. Das Lächeln Impeys verlor sich zum erstenmal. Er nickte ernst.

»Sie ist das einzige, wovor ich jemals Angst haben könnte, mein Lieber. Wenn Ihr einmal im Blickfeld der Öffentlichkeit steht, so werdet Ihr vielleicht dieses Gefühl teilen.« »Also, was schlagt Ihr vor?« fragte Hastings ungeduldig. Der Oberrichter lächelte wieder.

»Wir werden den Prozeß gegen den Radscha beschleunigt zu Ende führen. Es wird mir nicht schwerfallen, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. Der Offizialverteidiger wird mit Nachdruck auf Freispruch plädieren, obwohl er die Inder nicht leiden kann. Ich schlage vor, Ihr erhöht sein monatliches Einkommen, damit er sich bei der Verteidigung wirklich Mühe gibt. Dieser Tscham ist ja an sich ein netter Junge. Die eigentlichen Verbrecher, die ihn erst zum Radscha gemacht haben, sind tot. Und Tote sind im allgemeinen am leichtesten anzuklagen. Die Haltung der Kompanie und ihre Exekutive gegen arme verführte Menschen, wie der Pseudoradscha ohne Zweifel einer ist, waren von jeher edel und großmütig. Nun, und die drei Verräter, sagen wir besser Idealisten, die ihn vor unserem Zugriff verbergen wollten, sind ohnehin ausgebrochen. Ich werde noch heute eine Revision ihrer Urteile beantragen. Sie können dann auch in Abwesenheit freigesprochen werden. Damit wäre das Problem wohl gelöst.« »Ich weiß, daß Ihr immer das Richtige tut, Impey«, sagte Hastings. »Ihr seid groß im Nachgeben. Aber diesmal wird es uns kaum etwas nützen; denn der Pressemann wird nicht versäumen, seiner Zeitung mitzuteilen, daß wir auf den Druck seines Artikels hin so gehandelt haben.«

»Dieser Beweis dürfte ihm schwerfallen. Die Prozeßakten werden ja das Protokoll der Verhandlungen enthalten. Der Generalstaatsanwalt wird weiterhin auf dem Standpunkt seiner scharfen Anklage verharren. Der Verteidiger wird mit Entschiedenheit auf Freispruch drängen, und das Gericht unter meinem Vorsitz wird sich für Freispruch entscheiden. Wir sind gern bereit, dem »Daily Courant« das Verhandlungsprotokoll zum Abdruck auszuhändigen. An echter Schärfe wird es weder auf Seiten des Staatsanwaltes noch auf Seiten des Verteidigers fehlen.« »Schön«, nickte Hastings. »Und was wird man sagen, wenn das Revisionsverfahren gegen die drei Flüchtigen erste heute oder morgen aufgenommen wird? Auch das Datum steht dummerweise in den Akten.«

»Aber nicht doch, es wird ja gar nicht heute aufgenommen! Es war schon vorgestern soweit! Ich kam nur nicht dazu, die Verhandlung zu eröffnen, weil die Inhaftierten geflohen waren. Das wird jeder Mensch einsehen.«

»Ich sehe, Ihr habt nichts vergessen, nur eine ganz winzige Kleinigkeit.« »Und die wäre?«

»Da ist die Freiheit der drei Verurteilten und des Radschas als Realität. Dieser deutsche Doktor wird in jedem Land schnellstens Vertrauen gewinnen. Er drohte mir bereits einmal, selbst in London Anklage gegen mich zu erheben. Wer kann ihn hindern, dorthin zu reisen, wenn er auch offiziell freigesprochen ist?«

»Offiziell niemand, Hastings. Aber es gibt Katastrophen, Schiffsuntergänge, Überfälle durch räuberische Banden, Angriffe von Seiten der Thags, denen vier Reisende ohne weiteres zum Opfer fallen können. Ich werde den Zeitungsartikel unschädlich machen. Etwas müßt aber auch Ihr tun.«

»Ehem«, räusperte sich Hastings.

Der Oberrichter erhob sich, reichte den Herren freundlich die Hand und verließ das Zimmer.