158366.fb2 Piratenblut - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 22

Piratenblut - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 22

21

Noch am Sonnabendmittag war der Pfeifer unschlüssig, ob er der Einladung Folge leisten sollte oder nicht Andererseits mußte er sich sagen, daß man es nicht wagen würde, sich nach dieser Gesellschaft noch an seiner Person zu vergreifen; denn schließlich rückte er damit wieder in das Licht der Öffentlichkeit.

Das Rollen von Rädern rüttelte Michel aus seinen Gedankengängen.

Eine Kutsche kam, auf deren Bock der Zeitungsmann saß.

»Hallo«, rief er, »ich bringe Garderobe für Euch und gute Nachricht.«

»Gute Nachrichten sind immer willkommen, Mr. Stineway. Laßt sie hören.«

»Es ist gekommen, wie ich es vorausgesagt habe. Der Radscha von Bihar ist freigesprochen.

Man hat ihm sogar eine Entschädigung von tausend Pfund bezahlt.«

»Wo ist er?« fragte Michel freudig.

»Er wohnt im gleichen Hotel wie die Gräfin.«

»Dann könnten wir doch eigentlich sofort aufbrechen. Was hält uns noch hier?« »Ihr werdet es nicht glauben; aber dieser Hastings hat die Unverschämtheit besessen, dem Radscha sofort nach dem Freispruch ebenfalls eine Einladung zu seiner Gesellschaft zukommen zu lassen.«

»Und? Hat er sie angenommen?« »Soviel ich weiß, ja.«

»Konntet Ihr in Erfahrung bringen, ob weitere indische Persönlichkeiten zugegen sein werden?« »Ich glaube nicht. Es ist nichts davon laut geworden.«

»Paßt auf, dann wird Tscham der Mittelpunkt der Gesellschaft sein! Eine raffinierte Bande! Ich bin gespannt, wie die Sache noch ausgeht.«

Zahlreiche Gäste hatten sich im Hause Hastings' eingefunden. Die verschwenderische Menge der Kerzen strahlte gleißendes Licht aus. Lakaien gingen würdevollvon Gast zu Gast und reichten auf silbernen Tabletts Whisky, Cognac oder andere Erfrischungen.

Von der Ankunft Michels, Ojos, Jardins und Stineways wurde kaum Notiz genommen. Der Hausherr umging die Pflicht der Begrüßung.

Ojos verkrampfte Miene hellte sich auf, als einer der Diener mit einem Tablett voller Gläser vor ihm stehenblieb. Ojo langte nach einem Whisky. Der dienstbare Geist wollte weitergehen. Da Ojo nicht wußte, was auf englisch »warten« hieß, hielt er ihn einfach am Ärmel fest. Mit der rechten Hand setzte er das Glas an, trank es mit einem Zug leer, stellte es auf das Tablett zurück, ließ den Diener los und griff gleich zwei Gläser. Der Lakai war bestürzt. Aber seine gute Erziehung gewann die Oberhand. Er blieb höflich und zog sich zurück. Michel und Stineway unterhielten sich.Da kam Hastings auf sie zu und tat, als bemerkte er sie jetzt erst. Jovial reichte er ihnen die Hand und sagte: »Freut mich, Gentlemen, euch bei mir zu sehen.« Er wandte sich an Michel und fuhr fort: »Ich hoffe, Doktor Baum, Ihr habt die kleine Unannehmlichkeit vergessen und verziehen.Ihr wißt, auch der gerechtesten Justiz unterläuft hier und da einmal ein kleiner Irrtum.« Michels Augenlider verengten sich zu einem Spalt. »Da wir gerade miteinander sprechen, gestattet eine Frage.« »Bitte?«

»Bekommt Captain Jardin sein Schiff wieder?«

Hastings stutzte. Man sah deutlich, daß er darauf nicht vorbereitet war.

»Wir können darüber noch sprechen, Mr. Baum. Aber nicht heute und hier. Wir haben ja noch soviel Zeit.«

»Ihr vielleicht. Wir nicht. Wir haben genug Wochen hinter Gefängnismauern versäumt.« Hastings hatte eine Ausrede gefunden.

»Äh — ja — wenn Ihr meint? Ihr werdet Euch aber wohl doch gedulden müssen, bis die »Lundi« wieder im Hafen liegt. Sie ist zur Zeit auf Fahrt.«

»Das wollte ich nur wissen. Ihr laßt also Schiffe für Euch fahren, die Euch gar nicht gehören.

Das ist, gelinde gesagt, eine eigenartige Methode der Schiffsraumbeschaffung.«

»Nun ja, nun ja. Wir sprechen noch darüber. Habt Ihr die Absicht, nach Diamond Harbour zu gehen?«

»Ja«, sagte Michel fest und so schnell, daß ein weniger kluger Mann wie Hastings es geglaubt hätte. Der Generalgouverneur dachte: du schlauer Fuchs, ich weiß besser, wo entlang deine Straße geht.

Das Gespräch wurde durch den Stock des Zeremonienmeisters unterbrochen. Er schlug dreimal auf den Boden und verkündete mit lauter Stimme: »Seine Hoheit, der Radscha Tscham.«

Die Flügeltüren schwangen zurück, und Tscham trat ohne jedes Gefolge schnellen Schrittes in den Saal. Wie in alten Zeiten war er von Kopf bis Fuß in weiße Seide gehüllt. Aber seine Armut wurde dadurch offenbar, daß weder an seinem Gewand noch an seinen Händen ein einziger Brillant glitzerte. Dafür blitzten seine Augen drohend in dem fahlen, von der langen Kerkerhaft eingefallenen Gesicht. Die Damen und Herren der Gesellschaft hatten ihm samt und sonders ihre Blicke zugewandt.

»Ladies und Gentlemen«, sagte Tscham plötzlich mit heller Stimme, »ich nehme diesen Augenblick wahr, um den Gastgeber vor euch allen anzuklagen. Hastings hatdie Stirn besessen, mich nach all seinen Verbrechen, die er an meinem Volk und mir begangen hat, zu sich einzuladen. Ich weiß nicht, wem ich meinen Freispruch und meine plötzliche Freiheit verdanke. Ich weiß nur, daß eine größere Macht am Werke sein muß, eine Macht, vor der selbst Kreaturen wie Hastings und Impey Angst haben. Ihr werdet mich vielleicht für unhöflich halten, daß ich die eben genannten Gentlemen nicht mit ihren Titeln nenne. Nun, dazu kann ich sagen, daß eben diese Herren so unhöflich waren, einen indischen Fürsten wochenlang in ihrem schmutzigen Gefängnis schmachten zu lassen.«

Er richtete sich noch höher auf, streckte die Hand aus und wies mit dem Finger auf Hastings. »Ich bin jetzt frei. Ich weiß, daß Ihr es nicht wagen werdet, noch einmal Hand an mich zu legen. Bihar habt Ihr genommen, seine Schätze geraubt, seine Paläste zerstört und seine Menschen versklavt. Ihr konntet mich einsperren; aber den Geist Indiens könnt Ihr nicht brechen. Ich werde midi sofort einschiffen. Ich werde nach England gehen und beim König Klage gegen Euch erheben. Ich werde Euch in London bei Euren eigenen Mitbürgern anprangern. Ihr nennt Euch »Herrlichkeit«, aber Ihr seid nichts als ein elender Räuber und Handlanger von Krämern. Hoffentlich fallen Eure Schandtaten nicht einmal auf England zurück.« Er wandte sich dorthin, wo Michel stand und sagte: »Kommt, meine Freunde und Retter, wir werden die Gastfreundschaft dieses ehrenwerten Herrn Generalgouverneurs nicht länger in Anspruch nehmen.«

Damit wandte er sich um und verließ den Saal.

Hastings war kreidebleich geworden. Die Umstehenden senkten die Köpfe und blickten auf die Schnallen ihrer Schuhe. Sie waren nicht etwa verlegen, weil ihr oberster Herr von einem Knaben angeklagt worden war, sondern weil sie alle selbst kein reines Gewissen hatten. Impey, der in der Nähe von Hastings stand, war der einzige, der die Fassung behalten hatte. »Laßt ihn nach England gehen«, zischte er dem Generalresidenten ins Ohr. »Hoffentlich wird ihm der Weg nicht zu lang.«

Michel bedeutete Ojo und Jardin, ihm zu folgen, und verließ ebenfalls die Gesellschaft. Nach kurzem Zögern schloß sich auch Stineway an. Sie wollten dem Kutscher Weisung geben, nach Osten zu fahren; da aber sprang Tscham an ihren Wagen und flüsterte:

»Ins indische Hotel. Pferde, Proviant und alles, was wir brauchen, ist dort bereit. Die schöne Dame, eure Freundin, hat für alles gesorgt. Wir können sofort aufbrechen.«

»Das geht nicht«, sagte Michel, »unsere Sachen und vor allem mein Gewehr sind noch in der Hütte.«

»Nein. Eure Freunde haben dafür gesorgt, daß ihr alles im Hotel vorfindet. Wir brauchen also keine Zeit zu verlieren.«

Michel nickte sein Einverständnis.

Er gab dem Kutscher Weisung, zum Hotel zu fahren.

»Was wird mit Euch, Mr. Stineway?« fragte er den Engländer.

»Wenn Ihr nichts dagegen habt, begleite ich Euch. Ich glaube, mit Euch zusammen werde ich mehr Stories erleben, als der »Daily Courant« jemals drucken kann.« »Und Eure Sachen?«

»Pah, ich besitze nichts als einen Hut, und einen vernünftigen Anzug werde ich unterwegs auftreiben.«

»Also dann los«, sagte Michel. »Kutscher«, rief er, »fahrt dem Wagen des Radschas nach.«Als sie im Hotel ankamen, war alles bereit. Marina stürmte auf Michel zu.

»Gott sei Dank, Miguel, ich dachte schon, sie würden Euch wieder verhaften. Ich konnte den Jungen nicht überreden, sich seine Vorwürfe gegen Hastings für später aufzuheben. Nun aber auf die Pferde und fort!«

»Habt Ihr einen Gaul für Mr. Stineway?«

»Por Dios, ich konnte ja nicht wissen, daß er mitgehen würde! Aber wartet, ich werfe die Sachen von meinem Packpferd. Die Abendkleider und den ganzen Plunder brauche ich sowieso nicht.«