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»Auf!« schrie er seine müden Krieger an, »Müdigkeit gibt's nicht. Sie können nicht weit vor uns sein. Reitet, was das Zeug hält!«
Michel hatte in der Nacht den schlafenden Posten und dessen Pferd gesehen. Er hob die Hand und flüsterte zurück :
»Leise reiten, wir wollen den Guten nicht in seiner verdienten Ruhe stören.« Die Pferde gingen im Schritt über den weichen Sand, bis die Postenkette hinter ihnen lag. »Ich weiß zwar nicht«, wandte sich Michel zurück, »ob der Bursche dort auf uns warten sollte oder ob die Begegnung nur zufällig war. Dennoch ist Vorsicht am Platze. Ich werde mit Jardin und Ojo von jetzt an die Nachhut bilden. Ihr reitet schnell weiter. Den Weg könnt ihr nicht verfehlen; denn Mr. Stineway hat die Karte bei sich.«
Ojo, Jardin und Michel ließen ihre Pferde im Schritt gehen, während die anderen im Galopp davonjagten.
»Hört zu, amigos, weicht nicht von der Spur unserer Freunde ab. Sollten wir wirklich verfolgt werden, so brauchen die Verfolger nicht zu sehen, daß wir als Nachhut zurückgeblieben sind.« Michel behielt von der Minute an, da es tagte, sein Fernrohr dauernd in der Hand. Alle paar hundert Meter zügelte er sein Pferd und suchte aufmerksam die Gegend ab, die hinter ihnen lag.
Am Nachmittag nahm er eine Staubwolke wahr, die sich mit großer Schnelligkeit näherte. »Sie scheinen uns wirklich auf den Fersen zu sein. Reitet ihr beiden. Ich will warten, bis ich Einzelheiten erkennen kann.«
Er ließ kein Auge von der nahenden Staubwolke. Es dauerte gar nicht lange, so konnte er die ersten Reiter unterscheiden. Sein Glas war scharf genug, daß er rote Farbflecke wahrnahm. Dafür gab es nur eine Erklärung: Uniformen. Er wandte sein Pferd und gab ihm die Sporen.
Als sich die Sonne dem westlichen Horizont näherte, erreichte Michel die lagernden Freunde. Obwohl er Ojo und Jardin vorausgeschickt hatte, um die anderen zu warnen, hatten diese in aller Sorglosigkeit ein lustig flackerndes Feuer entzündet, über dem ein Kessel mit brodelndem Wasser hing.
»Löscht das Feuer! Sie sind dicht hinter uns. Wir wollen über den Fluß gehen. Das weitere wird sich finden.«
Der Fluß bildete an dieser Stelle eine Furt, wenigstens schien es im Anfang so. Die ersten Schreie stiegen jedoch auf, als ziemlich weit in der Mitte die Pferde plötzlich den Grund unter den Hufen verloren. Die Reiter verschwanden bis über die Brust im Wasser. Die meisten von ihnen, ungeschult in Abenteuern zu Lande, hatten vergessen, Waffen, Kugelbeutel und Pulver über den Kopf zu halten.
Als sie das jenseitige Ufer erreichten, waren nur Michels, Ojos, Jardins und Ibn Kuteibas Waffen gebrauchsfähig.Am Horizont stieg die Staubwolke der nahenden Verfolger auf. »Madonna«, sagte Michel zu Marina, »Ihr seid die einzige, der ich vertraue, die Leute in Sicherheit zu bringen. Ibn Kuteiba, Ojo und Jardin bleiben bei mir. Ihr führt den Rest in schnellem Galopp davon. Reitet in Gänsereihe, damit sie nicht erkennen können, wie viele ihr seid.«
»Ich möchte bei Euch bleiben, Miguel«, sagte Marina und ritt dicht an ihn heran.
Aber der Pfeifer dachte nicht daran, sich in diesem Augenblick mit Kavalierspflichten zu belasten.
»Eure Waffe ist naß«, meinte er barsch. »Ihr könnt uns also nichts nützen. Nun, reitet doch endlich!«
Tscham warf einen Blick auf seinen Freund, sah aber ein, daß dieser jetzt keine Zeit mehr hatte, um auf seine, Tschams, Wünsche zu hören. Tscham wäre ebenfalls lieber bei den Zurückbleibenden gewesen.
Marina schoß davon. Die anderen folgten. Tscham bildete den Schluß. Michel konnte durch das Glas jetzt einzelne Reiter unterscheiden.
»Los, amigos«, sagte er, »auf die Pferde und querfeldein. Bevor sie über den Fluß sind, müssen wir in dem Wald und dort hinten verschwunden sein. Setzt scharfen Galopp an. Aber laßt die Pferde möglichst etwas tänzeln, damit wir eine recht breite Spur hinterlassen. Zwei Packpferde laufen an je einer Flanke, die übrigen drei nehmen wir am langen Zügel hinter uns.« Ein letztesmal setzte er das Fernrohr an. Und dann preschten sie davon. Ihre breite Spur bildete zu der dünneren von Marinas Gruppe einen offenen Winkel von fast sechzig Grad. — Die anderen waren den Blicken der Verfolger durch eine größere Buschgruppe entzogen, die etwa tausend Meter weit vom Fluß entfernt eine Oase im sandigen Gelände bildete.