158366.fb2 Piratenblut - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 5

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Die »Unicorn« unter Captain Grearson und die »Trueno« hatten gedreht. Sie nahmen wieder Kurs auf die Westküste Hinterindiens, auf Unter-Birma, jene Halbinsel, an deren Ostküste Rangun lag.

»Wenn die »Mapeika« sich noch in der Bengalischen See befindet«, sagte Marina, »dann müssen wir sie vor allem an der Küste suchen. Sie sind klüger als ich dachte. Sie haben wahrscheinlich mit einer Verfolgung gerechnet und damit, daß wir sie bei Ceylon suchen würden. Deshalb haben sie nicht gleich versucht, den freien Ozean zu gewinnen.« Nachdem sie gemeinsam zwei Tage unterwegs waren, machte Grearson den Vorschlag, nebeneinander zu fahren. Und zwar wollten sie in Schlangenlinie weitersegeln, um einen größeren Teil der Gewässer im Blickfeld zu haben. Eines Mittags war es soweit. Der Ausguck meldete ein Schiff voraus.

»Kanonen klar!« kam Marinas Befehl. Die Augen der schönen, tollen Gräfin leuchteten in der Vorfreude des Kampfes. »Aber versenkt ihn nicht! Wir wollen unsere Freunde möglichst lebend wiederhaben, wenn sie von den Türken noch nicht umgebracht worden sind.« Drüben auf der »Mapeika« — diesmal war sie es wirklich — wiederholte man den Trick. Der Ausguck konnte durch das Fernrohr erkennen, daß die Weißen an die Masten gebunden waren. Er rief der Kapitänin seine Beobachtung zu.

In diesem Augenblick tauchte auch die »Unicorn« — aus der Schlangenlinie kommend — wieder auf. Voll unterm Wind stieß sie auf die »Mapeika« zu.

»Zum Teufel!« rief Virgen erschrocken. »Wenn Grearson den Kahn von der anderen Seite nimmt, dann kann er die Gefesselten nicht sehen.«

Marina überlegte. Sie rief dem Signalgast zu, er solle der »Unicorn« verständlich machen, welche Teufelei die Barbaren ausgeheckt hatten.

Aber es war schon zu spät. Die »Unicorn« lag jetzt mit der Breitseite in Kampfstellung. Das erste Aufbrüllen der Geschütze klang herüber. In dem Pulverqualm konnte man von drüben kein Flaggenwinken mehr erkennen.

»Maldito«, fluchte Virgen, wußte aber nicht, wie er das Unheil abwenden sollte. Marina zog den Degen aus der Scheide, und ihre Augen blitzten.»Jetzt Bord an Bord mit den Hunden. Wir entern. Dann wird Grearson schon das Feuer einstellen.« Virgen wehrte entsetzt ab.

»Das ist Selbstmord, Senorita Capitan! Sie können ungehindert auf uns feuern, aber wir nicht auf sie!«

»Habt Ihr Angst, Senor Virgen? Seht dort hinüber, seht Euern alten Kapitän! Wollt Ihr nicht das Letzte für ihn wagen?«

»Bueno.« Virgen wandte sich beschämt dem Steuer zu.

»Achtung, companeros, fertig machen zum Entern! Sieg oder Tod für Capitan Porquez !« Rasendes Gebrüll antwortete ihr. Messer blitzten. Schwere Säbel zuckten aus den Scheiden. Revolver wurden geladen. Jeder beteiligte sich diesmal; denn für die Kanoniere gab es keine Arbeit. Die ehemaligen Piraten hingen wie Trauben in den Wanten. Sie hatten die Enterseile gepackt. Es war ein wilder Anblick.

Zwei Meter Abstand noch. An Bord der »Trueno« sah es wüst aus, als sei ein Tornado darüber hinweggegangen.

»Sieg oder Tod für Capitan Porquez!« schrie Marina und stieß sich ab. Es sah aus, als flöge sie direkt in die flammenden Schlünde der Kanonen hinein. Dann war sie verschwunden. Die Piraten glaubten nichts anderes, als daß es diesmal ihre geliebte Senorita erwischt habe. Schauerliches Wutgeheul stieg auf. Hier und da mischte sich bereits ein Schluchzen in das Gebrüll.

Dann flogen sie, alle zusammen, hinüber aufs feindliche Deck. Blutunterlaufen waren ihre zornigen Augen. Sie sahen rot. Wie tolle Hunde schlugen sie die Sklavenhändler nieder. »Donde la Senorita? — Donde la Senorita?« klangen ihre Rufe über Deck. Marina war bei ihrem Sprung direkt auf den dicken Mustapha geprallt. Diesmal machte sie nicht viel Federlesens. Der Dicke starrte noch erschrocken drein. Dann traf ihn der Blitz aus Marinas Hand. Tief bohrte sich der Stahl in sein Herz. Mit einem Wehlaut stürzte sein schwerer Körper auf die Planken.

Die Frau stand schon bei Porquez und schnitt ihn vom Mast. Don Hidalgo sank, von den Fesseln befreit, stöhnend zusammen. Herumfliegende Spitter hatten ihn schwer getroffen. Fernando war der einzige Unverletzte. —

»The deuce«, fluchte Grearson. »Das Weib hat die Hölle im Leib! Ich glaube gar, sie wollen entern, mitten in den Kugelregen hinein! Unglaublich!« Mr. Frings, der Geschützoffizier, stand neben dem Captain.

»Sind und bleiben eben Seeräuber. Das Leben gilt ihnen nichts. Nicht einmal das eigene.« »Was ist das, Frings? Sie feuern ja gar nicht! Sie sind doch nicht etwa außer Gefecht?« Frings strengte seine Ohren an.

»In der Tat, Captain. Sie fahren ohne zu schießen in den Kugelregen hinein. Hat man sowas schon erlebt?«

»Feuer einstellen!« schrie Grearson. »Weshalb?«

»Feuer einstellen! Oder wollt Ihr vielleicht die Besatzung der »Trueno« beim Entern mit Euren verdammten Kugeln beglücken?«

»Feuer einstellen!« gab Frings den Befehl weiter, setzte dann aber brummend hinzu: »Schaden würde es nichts, wenn sie hinterher ein paar weniger wären.« Die Geschütze der »Unicorn« schwiegen.

»Pfui, Frings«, meinte Grearson. »Seit wann hat einEngländer keinen Respekt mehr vor der Tapferkeit? Ihr erniedrigt Euch selbst, Frings.«

»Sind doch nur Piraten. Und dazu lassen sie sich von einem Weib kommandieren«, meinte der Geschützoffizier entschuldigend.

»Sie waren Piraten, vergeßt das nicht! Piraten stehen nicht in den Diensten der OstindienKompanie.«

Von drüben winkte ein Signal.

»Kampf beendet. Kommt auf die »Mapeika«, Kapitän.«

Nun legte sich auch die »Unicorn« Deck an Deck mit dem türkischen Schiff.

Grearson ging über den Laufsteg. Die Besatzung der »Trueno« war dabei, die eigenen Toten bei sich aufzubahren. Es waren viele gefallen, nicht im Nahkampf, sondern durch die Kanonen der Sklavenhändler.

Marinas Augen füllten sich mit Tränen, als sie zählte. Fünfzehn Tote und ebenso viele Schwerverwundete.

Capitan Porquez erholte sich langsam. Als er wieder klar denken konnte, schweiften seine Blicke über das Trümmerfeld auf seinem alten Schiff. Erschüttert starrte er auf die, die sich für ihn geopfert hatten. Langsam hob er den Blick zu Marina und sah ihr fest in die Augen.

»Ich habe gesehen, daß Ihr zuerst gesprungen seid, Gräfin. Es gehört der Mut eines Helden dazu, sich über die feuernden Schlünde zu setzen, als seien sie nicht vorhanden.«

»Aber bitte — bitte«, sagte Marina verlegen. »Seht Euch unsere Männer an. Da liegen die wahren Helden.«

Sie deutete auf die Toten und Verwundeten.

»Ich weiß«, sagte der Alte, »sie haben sich für mich geopfert. Aber hätten sie es mit der gleichen Unbedenklichkeit getan, wenn Ihr nicht vorangegangen wäret?«

»Bestimmt! Es sind doch alles Eure Leute gewesen.«

Porquez lächelte. In seiner Stimme war keine Bitterkeit, als er sagte:

»Gewesen! Ihr habt recht, Marina«, — er nannte sie zum erstenmal Marina — »es sind einmal meine Leute gewesen. Sie haben mir gehorcht; aber Euch liebten sie. Als sie riefen: Sieg oder Tod für Kapitän Porquez, da meinten sie in Wahrheit Euch. Ich habe sie heulen hören, als Ihr hinter dem Rauchvorhang verschwandet. Diese letzte Schlacht hat mir bewiesen, daß Ihr mehr seid als eine Abenteurerin. Ihr könnt Menschen führen und Schiffe.«

Er reichte ihr die Hand. »Hört, Kind, bis heute war ich nie so recht einverstanden damit, daß Ihr mich von meiner »Trueno« verdrängt habt. Ab heute aber gehört sie Euch, und zwar diesmal nach Recht und Gesetz. Kommt in die Kajüte. Wir setzen die Übereignungsurkunde auf.« Marina war blaß geworden. In ihr regte sich etwas, was lange Jahre verschüttet war, was vielleicht noch nie in ihr gelebt hatte. Ihr war seltsam weich zumute. Sie brachte kein »Danke« über die Lippen.

Glücklicherweise wurde diese Szene von der dröhnenden Stimme Captain Grearsons unterbrochen:

»Glückwunsch, Madam. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Aber sagt mir, weshalb sich Eure Leute in den Tod gestürzt haben, statt erst die Kanonen des Gegners außer Gefecht zu setzen! Ihr solltet noch ein wenig mehr von der Seekriegführung lernen, Madam«, setzte er belehrend hinzu. . »So?« sagte Marina spöttisch.

»Ich wollte Euch nicht beleidigen, Madam. Aber Ihr könnt von einem in vielen Seeschlachten erprobten Offizier schon noch einige Feinheiten lernen. Die vielen Toten brauchten nicht zu sein.«»Fragt Capitan Porquez, weshalb sie sein mußten«, meinte Marina mit einem abweisenden Ton in der Stimme.

Porquez suchte sein Englisch zusammen und radebrechte:

»Ich--wir alle--hier auf dieser Seite an Mast gebunden. »Trueno« feuern--wir tot.«

»Oh«, sagte Grearson. Sein Gesicht rötete sich. »Verzeiht, Madam. Das konnte ich natürlich nicht ahnen.« Er wollte sich zurückziehen.

»Bleibt«, meinte Marina versöhnlich. »Wir müssen noch einiges besprechen. Ihr seht, daß meine Mannschaft recht zusammengeschmolzen ist. Die Türken sind alle tot. Ich habe nurmehr zwanzig Mann übrig. Könnt Ihr einige Leute auf die »Mapeika« abstellen, damit Kapitän Porquez Mannschaften hat?« Grearson überlegte. Er zögerte.

»Ich darf es eigentlich nicht. Es ist gegen die Vorschriften. Aber in diesem Fall werde ich es auf eigene Verantwortung tun.« »Danke«, sagte Porquez.

»Ich möchte vorschlagen«, fuhr Grearson fort, »daß Ihr bis in die Nähe der Küste geht und in ihrem Schutz langsam nach Norden bis Kalkutta fahrt. Die offene See ist bei dem geringen Bestand an Mannschaften nicht gerade das Richtige.« Marina nickte.

»Ja, einen Sturm könnten wir kaum bewältigen. Ich werde Euerm Rat folgen. Bleibt Ihr im Verband?«

Jetzt war es an Grearson, nachdenklich zu werden. An sich hatte er keine Eile, nach Kalkutta zu kommen. Aber er dachte wohl an die langsame, jedem echten Seemann widerstrebende Küstenfahrt und bedauerte höflich.

»Ich nehme geraden Kurs auf Kalkutta, Madam. Kann ich vielleicht etwas für Euch ausrichten, einen Gruß oder - - -«

»Ja«, sagte Marina. »Wenn Mr. Baum schon wieder in Kalkutta sein sollte, so sagt ihm, er möchte dort warten.«

Grearson mußte an das denken, was er von dem Krieg gegen Bihar gehört hatte. Man glaubte in Kalkutta felsenfest, daß Mr. Baum und sein Freund, der lange Spanier, verschollen waren. Wenigstens war das das letzte, was Grearson vor seinem Auslaufen gehört hatte. Sollte er der Frau, die diesen ungewöhnlichen Mann offensichtlich liebte, sagen, daß dieser vielleicht längst von den Thags gefangen und erdrosselt war? — Nein. Er entschloß sich zum Schweigen und verbeugte sich leicht.

»Es wird mir ein Vergnügen sein, Madam, Euern Gruß auszurichten. In ein paar Minuten werde ich Euch zehn Mann herüberschicken. Jetzt darf ich mich verabschieden.«

Er küßte ihr galant die Hand.

»Auf Wiedersehen in Diamond Harbour, Madam.«

»Auf Wiedersehen, Captain Grearson, und gute Fahrt.«