158366.fb2
Die übriggebliebenen Schiffe der zur Vernichtung Dieuxdonnes ausgelaufenen Reedereiflottille drehten bei und nahmen Kurs auf Batavia. Leon de Musset schloß sich an.
Der kleine lebhafte Franzose saß in seiner Kajüte und prostete seinem Steuermann zu. Eigenartigerweise schienen die beiden Männer keine Trauer um die verlorenen Schiffe zu tragen, obwohl auch über ihren Toppen ein schwarzes Band wehte.
»Der arme van Groot«, lachte Leon. »Er wird einen schönen Schreck ausgestanden haben, als seine beiden Kähne auf Grund gingen. Hast du die Rettungsarbeiten beobachtet?« Der Steuermann nickte.
»Ja, es scheint niemand umgekommen zu sein. Sie haben alle aufgefischt. Dieuxdonnes Breitseiten saßen hart an der Wasserlinie. Die Schiffe haben nicht nur gebrannt, sie sind auch von unten her vollgelaufen.«
»Es ist ein Vergnügen, den Piraten kämpfen zu sehen.«
Der Steuermann lachte breit, griff aber statt zu einer Antwort zum Becher und leerte ihn mit einem Zug. —
In der Kabine van Groots war die Stimmung keineswegs ausgelassen oder heiter. Benjamin ließ den Kopf hängen.
»Jetzt habe ich nur noch zehn Schiffe, der Lump hat es bald geschafft. Ich möchte nur wissen, was ich ihm getan habe, daß er sich ausgerechnet meine Frachter aussucht! — Ist Euch zu Ohren gekommen, daß er je an einem anderen Schiff sein Mütchen gekühlt hätte?« »Nein, Mynheer«, antwortete der Kapitän. »Er bleibt bei der Reederei van Groot.« Der Reeder schwieg eine Weile. Doch dann sagte er:
»Meine ganze Hoffnung setze ich jetzt auf meinen Bruder, daß er mir Kredit für die vier Schiffsladungen Muskatnüsse gibt. Ferner hoffe ich, daß Dieuxdonne Laarsens Flottille nicht findet.« —
Drei Tage später liefen sie in Batavia ein. Die Kunde von dem Mißerfolg der Expedition verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Auch die Verwünschungen Unbeteiligter wollten kein Ende nehmen. Es machte die Holländer rasend, sich dieser Gottesgeißel fast schutzlos ausgeliefert zu wissen.Benjamin van Groot hatte sich gerade ein wenig von diesem Schlag erholt, als ihn neue, bestürzende Nachrichten beinahe die Fassung verlieren ließen. Ein Schiff brachte von den Banda-Inseln die Neuigkeit, daß der Seeräuber zwei Frachter von Laarsens Muskatnußflotte versenkt hatte. Van Groot sprach beim Gouverneur vor.
»Was soll ich tun, Mynheer«, verteidigte sich dieser. »Ihr selbst sagt, daß dem Freibeuter kein Schiff gewachsen ist. Ich kann es unmöglich verantworten, Einheiten der Kompanie gegen ihn einzusetzen. Nicht nur, daß wir keinen Schiffsraum überzählig haben, wir setzen uns zudem noch der Gefahr aus, uns diesen Dieuxdonne zum erbitterten Feind zu machen. Ich glaube nicht, daß die Aufsichtsräte der Niederländischen Ostindien-Kompanie mit solchen Maßnahmen einverstanden wären.«
»Was wollt Ihr«, erregte sich Benjamin. »Ich selbst gehöre zu den Aktionären der Kompanie. Und mein Aktienanteil ist nicht unbedeutend. Mein Geld ist euch Herren willkommen. Aber wenn ihr mir Schutz gewähren sollt, dann windet ihr euch in Ausreden. Ich habe fast den
Eindruck, als hätten verschiedene Herrschaften in der Kompanie gar nichts dagegen, daß ich bald als ernstzunehmender Konkurrent erledigt bin.«
»Ich bitte Euch, Mynheer, ich finde es unfair, der Kompanie solche Gedanken zu unterstellen. Betrachtet doch die Lage auch einmal von unserer Seite. Es ist einfach so, daß wir den anderen Aktionären die Folgen einer Seeräuberjagd nicht zumuten können.« Der Reeder stöhnte.
»Das habe ich alles schon hundertmal gehört, nicht zumuten — — Risiko — — Aktienverluste --und wer fragt nach mir, nach meinem Risiko? Selbst wenn ich meine Ostindienroute einstellen würde, wäre ich nicht sicher. Meine Flaggen können sich weder auf dem Atlantik noch auf dem Pazifik oder sonstwo zeigen. Sie sind überall gefährdet.« Der Gouverneur, der den reichen Reeder nicht verärgern wollte, enthielt sich jeglicher Äußerung und zuckte nur bedauernd die Achseln.
Van Groot lief rot an. Er sprang auf. Seine Faust sauste auf den Tisch. »Ich werde mir mein Recht zu verschaffen wissen«, schrie er zornbebend. »Wenn mir die Kompanie nicht hilft, so werde ich meine Anteilscheine an die Franzosen oder Engländer verkaufen. Und verlaßt Euch darauf, wenn neue Aktionäre zu mir kommen, um sich Auskünfte über die Kompanie zu holen, dann werden sie die richtigen erhalten. Dessen seid sicher.« Er wandte sich ab, ergriff Hut und Stock und verließ das Büro des Gouverneurs. Dieser schaute ziemlich unglücklich drein. Es gab kein Gesetz, das den Verkauf von niederländischen Ostindienaktien an Ausländer verbot. Daß dies bisher noch nie geschehen war, entsprang einer stillen Übereinkunft der holländischen Kaufmannschaft. Man wußte, daß man sich mit solchen Verkäufen nur selbst schaden würde. Aber was konnte diesen Verzweifelten, der sowieso vor dem Ruin stand, abhalten?
Der Gouverneur nahm Tinte und Gänsekiel und schrieb einen geheimen Bericht nach Den Haag.