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Dem schnittigen Segler, der einige Tage später in den Hafen von Makassar auf Celebes einlief, sah man nicht an, daß er kurze Zeit vorher noch pechschwarz gewesen war. Seine weißen Segel blähten sich herausfordernd im Wind. Die Matrosen waren in blendendweiße Anzüge gehüllt, die allerdings nicht recht zu ihren Galgenvogelgesichtern passen wollten. In dem Beiboot, das nach dem Ankerwerfen vom Schiff abstieß, saß ein elegant gekleideter, mittelgroßer junger Mann: der Kapitän. Ein freches Bärtchen zierte seine Oberlippe. Anmutig hing der zierliche Degen an seiner schlanken Hüfte.
»Hör zu, Pierre«, sagte er zu seinem bärtigen Gegenüber. »Wenn ihr mich abgesetzt habt und wieder an Bord seid, so weist jeden fremden Besucher ab. Niemand hat auf dem Schiff etwas zu suchen, solange ich nicht da bin. Gebt gut acht auf alles. Vor allem darauf, daß die weiße Kalkfarbe nicht vom Schiffsrumpf abblättert. Sollte das Schwarz irgendwo durchkommen, dann sofort den Farbtopf heraus und nachgepinselt! Du weißt, das Leben hängt von unserer Wachsamkeit ab.«
»Oui, oui, mon Capitain, auf mich könnt Ihr Euch schon verlassen.« »Bien, so begebe ich mich in Ruhe in die Arme meiner Braut.« -
Jessie van Meeren war die Tochter des Distriktsresidenten von Celebes, ein schönes, blondes, aber etwas hochfahrendes Wesen, ein bißchen zu verspielt und im Grunde ohne innere Vornehmheit.
»Rene«, rief sie erfreut, als der Verlobte bei ihr eintrat. »Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Ein halbes Jahr hast du dich nicht bei uns sehen lassen«, meinte sie vorwurfsvoll.
»Aber Kind«, antwortete er lachend, »du bist nun einmal eine Seemannsbraut und mußt dich damit abfinden, daß ich den größten Teil meines Lebens auf dem Meer verbringen werde. Das ist nun einmal nicht zu ändern.«
Sie schmollte.
»Hast du das nötig? Papa hat dir schon oft angeboten, dir eine gute Stelle bei der Kompanie zu besorgen. Verkauf dein Schiff und bleib zu Hause. Dann können wir bald heiraten.« Rene wurde ernst.
»Ich habe Aufgaben zu erfüllen, meine Liebe. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die dulden keinen Aufschub. Und zudem habe ich keine Lust, mein Dasein auf einem Büroschemel zu vertrauern und Fett anzusetzen. Ich werde nie ohne Wasser sein können.«
»Ach, die See. Immer und ewig der Ozean. Wasser, Wasser, Wasser. Was kann daran schön sein? Manchmal habe ich den Eindruck, du liebtest die See mehr als mich.«
Der Mann erwiderte nichts. Er legte den Degen ab.
Die Tür öffnete sich, und der Distriktsresident trat ein.
»Hallo, mein Lieber, wieder einmal an Land? Guten Erfolg gehabt draußen? Gute Geschäfte gemacht?«
»Jetzt fängst du auch noch an, von Geschäften zu reden, Papa! Gibt es denn für euch Männer nichts anderes als dieses Thema?«
»Nun, jeder muß sehen, wo er bleibt. Ich jedenfalls bewundere Rene. Man hört so allerhand über Juwelen und Schätze, die er auf den Banken deponiert hat.«
»Nicht der Rede wert«, entgegnete Rene. »Ich verdienegut. Ich will ja meiner zukünftigen Frau etwas bieten, wenn wir verheiratet sind.« »Recht so, Rene. Das ist das Wort eines Mannes«, sagte der Resident.
Rene blieb ein paar Stunden bei seiner Braut. Als er das Haus verlassen hatte, sagte Jessie zu ihrem Vater:
»Du hast deine Auffassung aber merkwürdig geändert. Früher warst du auch auf meiner Seite und wolltest Rene eine Stellung auf dem Land besorgen. Heute klangen deine Worte wie eine Aufmunterung für ihn. Du denkst wohl nicht mehr an mein Glück?«
Der Resident lehnte sich im Sessel zurück.
»Was hat Vater denn gesagt?« fragte Frau Cornelia ihre Tochter.
Jessie erzählte ihr von der Sinnesänderung des Vaters.
»Das verstehe ich aber auch nicht«, wandte sich Frau Cornelia an ihren Mann. »Damals, als sich das Kind verlobte, hat uns Rene versprochen, die Seefahrt bald aufzugeben. Davon ist schon lange nicht mehr die Rede.« Der Alte wand sich in seinem Stuhl.
»Ja, ja, ihr habt ja recht; aber auch bei uns hat sich verschiedenes geändert. Wenn ihr schon so jammert, dann muß ich euch eben reinen Wein einschenken. Wir können es uns nicht leisten, einen armen Angestellten zum Schwiegersohn zu haben; denn unsere Finanzen stehen nicht mehr zum Besten.«
»Was soll denn das heißen?« fragte Cornelia mit gerunzelter Stirn.
»Wenn ihr es schon wissen wollt, bitte. Ich habe spekuliert. Ich habe von meinen Ersparnissen Aktien der Reederei Benjamin van Groot gekauft, die früher einmal sehr hoch im Kurs standen. Sie sind im Augenblick fast wertlos. Der Seeräuber Dieuxdonne hat van Groot an den Rand des Ruins gebracht. Nun aber verfügt Rene über sehr viel Geld, wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß. Geld ist immer gut. Sollte sich van Groot nicht erholen, so haben wir wenigstens einen Schwiegersohn, dessen Reichtum uns ein standesgemäßes Leben garantiert. Hinzu kommt noch, daß ich einen Plan gefaßt habe, zu dessen Ausführung Rene und sein Geld beitragen sollen. Rene könnte nämlich sein Schiff zu einem Kampfschiff mit vielen Kanonen umbauen lassen, um dem verteufelten Dieuxdonne zu Leibe zu rücken.« Die beiden Frauen waren zunächst bestürzt. Jessie hatte sich schnell gefaßt. Sie war immerhin klug genug einzusehen, daß sie sich mit der veränderten Situation, das heißt der Verringerung des van Meerenschen Vermögens, abfinden mußte. So dünkte sie der Plan des Vaters gut. Frau Cornelia dagegen war einer Ohnmacht nahe. Und nur das Riechfläschchen hielt sie aufrecht. »Kennt Rene deinen Plan schon, Vater?« »Nein. Aber diesmal will ich die Zeit ausnützen, die er an Land verbringt, um ihm die Jagd auf den Seeräuber schmackhaft zu machen.«