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Als Rene auf sein Schiff zurückkehrte, trat ihm der Oberbootsmann mit Leichenbittermiene entgegen.
»Es ist wie verhext, mon Capitain«, sagte er. »Wir haben nicht herausfinden können, wann die »Utrecht« in See sticht. Entweder wissen es die Matrosen nicht, oder es ist ihnen eingeschärft worden, nichts darüber verlauten zu lassen.« Der junge Kapitän schlug dem Alten gutmütig auf die Schulter.
»Mach dir nichts draus, Pierre. Dafür weiß ich es. Ich kenne sogar die genaue Route. Sie stechen morgen in See und fahren nach Batavia.«
»Ihr seid ein Teufelskerl. Wer hat Euch das gesagt?«
»Mynheer de Witt.«
»Und wer ist dieser Monsieur?«
»Der Kapitän der »Utrecht««, lachte Rene.
»Teufel, Teufel! Ausgerechnet der hat Euch das verraten? Man sollte es nicht für möglich halten!«
»Wundere dich nicht. Der Rachegott ist mit uns. Morgen früh um sechs laufen wir aus, und zwar zuerst nach Norden. Dann schlagen wir einen Bogen und fassen die »Utrecht« auf offener See in der Flanke. Vielleicht schon morgen abend, vielleicht aber auch erst in den nächsten Tagen. Wer weiß.« —
Als der Morgen graute, hievten sie den Anker ein und gingen in Wind. Als sie den Hafen hinter sich hatten, kreuzten sie ein Stück nach Norden, bis gegen Mittag, um bald darauf auszuscheren. Gegen Abend kam schwere Dünung auf.
»Wir werden doch keinen Sturm kriegen«, sagte Rene zu Pierre und betrachtete kritisch den Zug der Wolken.
»Es sieht fast so aus, mon Capitain.«
»Dann müssen wir damit rechnen, daß wir die »Utrecht« verfehlen.«
Die Wogen schlugen immer höher. Der in diesen Breiten übliche Ostpassat änderte schlagartig seine Richtung und kam aus Süden. Dunkle Wolken türmten sich am Himmel. Die Sonne versank, und das dunkle Grau ging bald in eine blitzzerrissene Nacht über.
Pierre bekam plötzlich einen heftigen Schreck. Er schlug sich mit der flachen Hand vor den Kopf, daß es knallte. Dann stürmte er auf die Back, wo sich der Kapitän, Ausschau haltend, aufhielt.
»Was ist, Pierre?«
»Oh, ich Esel, ich Unglückswurm, ich habe das Wichtigste vergessen! Ich habe die weiße Farbe nicht abklopfen lassen.«
»Mon Dieux«, der Kapitän ließ das Glas sinken, »eine schöne Bescherung. Nun können wir sie nicht einmal angreifen, selbst wenn sie uns jetzt vor die Rohre kämen.« »Soll ich Befehl geben, daß die Leute es sofort in Angriff nehmen?«
»Bei diesem Sturm? Das wäre Selbstmord. So bleibt uns nichts übrig, als zu warten, bis die See wieder ruhig geht. Wir müssen den Angriff eben verschieben. Wir haben ja auch genügend Zeit; denn von heute auf morgen fährt kein Schiff nach Batavia.«
Gegen Morgen erst wurde das Wetter ruhiger. Und als die Sonne wieder klar am Himmel stand, hingen die Männer der Freiwache außenbords angeseilt und klopften die Kalkfarbe vom Rumpf.
Am Mittag meldete der Ausguck ein Schiff.
Man ließ es fahren und kümmerte sich vorläufig nicht darum, denn noch immer waren große Flächen des Rumpfes weiß.
Bei Eintritt der Dunkelheit war die Arbeit getan. Der Kapitän gab das Kommando, die Segel zu wechseln. Die weißen wurden eingetauscht und durch rote ersetzt. Dieuxdonnes schwarzes, namenloses Schiff lag auf der Lauer.
Fünfzehn Stunden vergingen in schneller Fahrt. Dann hatte der Ausguck die »Utrecht« im Rohr. »Klarschiff!« donnerte die Stimme des Oberbootsmannes über Deck. Die Piraten jubelten auf. Endlich bekamen sie etwas zu tun. Vielen sah man an, daß sie am liebsten gar nicht erst geschossen, sondern gleich herangefahren wären und geentert hätten. —