158366.fb2 Piratenblut - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 65

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Kurz nachdem der Pfeifer das Schiff verlassen hatte, war eine Barkasse vom Ufer abgestoßen. In dieser Barkasse saßen, wild gestikulierend und laut redend, Benjamin van Groot, Frans Termeulen, einige Offiziere der Garnison und der Sergeant der Wache, auf der de Musset inhaftiert worden war.

»Die erzählen sich wilde Geschichten«, grinste Ojo, als er durch sein Glas das näher kommende Boot beobachtete.

»Wir möchten Herrn Baum sprechen«, schrie van Groot schon von weitem. »Sagen Sie ihm Bescheid, daß er sich bereit halten soll.«

Er hatte sich der deutschen Sprache bedient. Und so trat der kuriose Fall ein, daß ihn auf einem unter preußischer Flagge fahrenden Schiff niemand verstand. »Que hay?« rief Ojo.

»Wir möchten den Kommodore sprechen«, wiederholte van Groot laut und deutlich. »Was will er?« fragte Marina, die hinter Ojo stand. »Weiß nicht, Senorita.« Der Riese zuckte die Schultern.

Man ließ die Gangway hinab. Und es dauerte nicht lange, so waren die holländischen Gäste an Bord.

Da standen sie nun und wußten nicht weiter. Sie stellten sehr schnell fest, daß ihre Sprache von niemand verstanden wurde.

»Do you speak English?« fragte ein Offizier.

Gott sei Dank. Hier vermochte Marina einzuspringen.

Sie wiederholten ihre Bitte, Michel sprechen zu dürfen.

»Der Kommodore ist im Augenblick nicht an Bord«, entschuldigte Marina das Fernsein Michels. Die Holländer sahen einander an. Mißtrauen mochte in ihnen sein. Da war die Befreiung von Monsieur de Musset, da war die Flucht seines Schiffes. Ob dieser Preuße wohl seine Finger dabei im Spiel hatte? Er hatte schon eine ablehnende Haltung an den Tag gelegt, als man de Musset verhaftet hatte. Nun war der Bursche entkommen. Und der Befreier hatte sich Dieuxdonne genannt. Niemand glaubte, daß wirklich Dieuxdonne dagewesen sei; denn soviel Frechheit traute man selbst diesem Mann nicht zu.

Marina führte die Herren in die Messe und ließ sie mit Wein bewirten. Die Niederländer wunderten sich einmal mehr über die seltsamen Preußen, deren Gebräuche einen absolut spanischen Charakter hatten. Die Messe war gemütlich, fast luxuriös eingerichtet. Jeder aber kannte, wenn nicht von eigenem Ansehen her, so doch vom Hörensagen die sprichwörtliche preußische Sparsamkeit. Nichts, aber auch gar nichts deutete hier darauf hin. Eine halbe Stunde mußten sie warten, bis der Kommodore eintraf. Endlich stand er in der Tür. »Gut, daß Sie kommen, Herr«, meinte van Groot und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Denken Sie, Musset ist heute nacht befreit worden!« Michel nickte erfreut.

»Das macht mich froh, meine Herren. Sie werden jamittlerweile gemerkt haben, wie ich über die Verhaftung dachte. Wir sind uns wohl darüber einig, daß er mit Dieuxdonne so wenig identisch ist wie ich selbst, nicht wahr?«

Die Herren erhoben sich langsam von den Plätzen. Ihre Mienen waren drohend. Der Reeder schoß vor.

»Sie haben an unseren Maßnahmen nichts auszusetzen, Herr«, zischte er. »Wer will mir das verbieten?« fragte Michel heiter.

»Ich — — wir — — das heißt, die Ostindien-Kompanie wird sich solche Dinge nicht bieten lassen, Herr.«

»Was für Dinge? Sie meinen doch damit nicht etwa die Freiheit des Gedankens?«

»Doch, das meine ich. Sie haben es gewagt, eine unserer Maßnahmen nicht gutzuheißen--

Der Pfeifer lachte ihm offen ins Gesicht.

»Ich heiße noch ganz andere Dinge nicht gut. Ich heiße vor allen Dingen nicht gut, daß Sie mir verbieten wollen, so zu denken, wie ich will. Haben die Niederlande vielleicht deshalb einen jahrzehntelangen Kampf gegen die spanischen Tyrannen geführt, damit ihre Bürger die Grundrechte der Freiheit mit Füßen treten? Ich verstehe Sie nicht, mein Herr.« »Sie werden mich gleich verstehen. Ich will deutlicher werden.« — Er machte eine Kunstpause. »Sie haben sich nicht nur die Freiheit des Denkens, sondern auch die Freiheit des Handelns genommen. Sie waren es, der Musset befreite.« Michel schüttelte den Kopf. Dann sagte er spöttisch:

»Ich danke Ihnen für das große Zutrauen, das Sie in mich setzen, muß Sie aber leider enttäuschen, meine Herren. Ich war nicht so glücklich, Monsieur de Musset seine Freiheit wiedergeben zu können.«

Er wandte sich um und ließ die Besucher einfach stehen. Irgendwann würden sie ja wohl dann auch gehen.

Die Ankerwinde rasselte.

Flaggensignale flogen herüber und hinüber. Auch die Segel der »Dimanche« blähten sich jetzt im Wind.

Die Kommandorufe wurden häufiger, und bald nahm die »Trueno« langsam Fahrt auf. Van Groot und Termeulen kamen an Deck gestürzt. Sie suchten Michel. Als sie ihn gefunden hatten, rief der Reeder mit weinerlicher Stimme:

»Verlassen Sie uns jetzt für immer? Wollen Sie sich nicht für die Beschießung Ihres Schiffes rächen?«

Michel blickte ihn ärgerlich an.

»Wir werden sie verfolgen. Wir werden vielleicht mit ihnen kämpfen; aber wir werden das für uns und allein tun. Ich werde Dieuxdonne, wenn er es war, bestrafen; aber es wird mir leid tun, daß ich Ihnen damit zwangsweise einen Dienst erweise.«

»Lassen Sie sofort das Schiff stoppen! Wir werden Sie begleiten. Ich will meine Flotte klarmachen. Je mehr Schiffe wir sind, um so einfacher wird es sein, Dieuxdonne zu erwischen.« »Tun Sie, was Sie wollen. Wir fahren jetzt. Und ich werde mich nicht darum kümmern, was Sie machen. — Ich empfehle Ihnen, schleunigst von Bord zu gehen, sonst wird der Weg zum Ufer für Ihre Barkasse zu weit.«

Die Gangway war bereits eingezogen. Und so blieb den Herren nichts weiter übrig, als den beschwerlichen Weg über die Strickleiter zu nehmen.

Michel hörte, wie der Reeder den Ruderern den Befehl zurief, sofort zu seinem Flaggschiff zu pullen.

Und als die »Trueno« die Hafenausfahrt hinter sich hatte, nahm Ojo wahr, daß die Holländer die Segel setzten.

Der Pfeifer wunderte sich. Mochte dieser van Groot auch ein noch so unangenehmer Bursche sein, Mut hatte er. Nochmals gegen den weit überlegenen Dieux-donne auszulaufen, zeugte immerhin von einem nicht alltäglichen Kampfgeist. Wahrscheinlich trieb ihn die Verzweiflung zu diesem Schritt. Vielleicht auch die Hoffnung, daß die drei »preußischen« Schiffe den Gegner so schwächen würden, daß er dann den Rest übernehmen konnte.