158366.fb2 Piratenblut - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 76

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Am nächsten Morgen nahm man die Arbeit des Lotens wieder auf. Der Erfolg war in den ersten Stunden gleich Null.

Mutatulli und sein Hund waren ebenfalls in eins der Boote geklettert. Und da sie einmal drin waren, ließen die beiden Ruderer sie sich auf den Boden am Bug hinhocken. Virgen sah das und rief:

»Laßt Mutatulli rudern. Und einer von euch beschäftigt sich mit dem Staken. Dann brauche ich euch keinen dritten Mann mehr zu schicken.«

Virgen hatte eine sehr schlechte Meinung von dem eingeborenen Häuptling. Seiner Meinung nach führte dieser dunkelhäutige Gauner sie alle an der Nase herum. Aber weshalb Mutatulli daran ein Interesse haben sollte, wußte auch Virgen nicht zu erklären. Kurz, die Abneigung war da, und er wollte sie den armen, bedauernswerten Flüchtling dadurch entgelten lassen, daß er ihn rudern ließ. Mutatulli reagierte aber anders als erwartet. Er bedeutete den beiden Ruderern, nachdem sich das Boot etwas weiter vom Schiff entfernt hatte, daß sie sich lang auf den Boden legen und schlafen sollten. Die beiden Burschen hatten an diesem Vorschlag nichts auszusetzen. Sie grinsten sich an und ließen dem verrückten Häuptling beide Ruder. Mutatulli wandte jetzt das Boot und ruderte weiter nach Nord-Osten. Auch er tauchte die Stangen wiederholt ins Wasser, um nach unterirdischen Korallenriffen zu suchen. Aber das schien er nur mechanisch auszuführen. In Wirklichkeit strebte er einem ganz bestimmten Ziel vor der Küste zu. Er zog auf einmal die Ruder ein.Die Schlafenden erwachten, als das gleichmäßige Geräusch nachließ. »Willst du nicht mehr?« fragte der eine.

»Ach, laß ihn, ist ja doch alles Quatsch«, meinte der andere und blinzelte in die Sonne, richtete sich langsam auf, und sah sich erstaunt um. »Verdammt, wo sind wir?«

Mutatulli machte beschwichtigende Handbewegungen.

Aber nun wurde auch der erste wieder aufmerksam. Auch er richtete sich auf.

»He, hombre, was hast du mit uns vor?«

Der Häuptling verstand kaum Spanisch. Vor allem konnte er sich so gut wie gar nicht in dieser Sprache ausdrücken. Abermals hob er die Hände und streckte sie beruhigend gegen die beiden aus.

Der eine verstand dies falsch.

»Der Kerl bedroht uns«, schrie er. Ungeachtet des schwankenden Bootes wollte er sich auf Mutatulli stürzen, hatte aber nicht mit dessen Hund gerechnet. Karo stand plötzlich hoch aufgerichtet, auf den Hinterbeinen, legte dem Überraschten die Vorderpfoten auf die Schultern und knurrte drohend.

Der Mann griff in seiner Verwirrung nach dem Messer in seinem Gürtel. Aber da ließ er es mit einem Aufschrei ins Meer fallen. Karo hatte nach seinem Handgelenk geschnappt und leicht zugebissen.

Mutatulli rief den Hund zurück. Er gehorchte. Der Häuptling deutete sich mit der Hand an die Stirn, wie es die Weißen zu tun pflegten, wenn sie ihrem Gegenüber klarmachen wollten, daß sie ihn für verrückt hielten.

»Maldito, was will der verfluchte Kerl?« sagte der zweite Mann im Boot. Mutatulli deutete auf das Wasser, dann auf sich selbst und vollführte dann schwimmende Bewegungen. Die beiden verstanden immer noch nicht. Da verlor der Eingeborene die Geduld und sprang einfach über Bord.

»Dios, was wird Don Silbador sagen, wenn wir den Kerl nicht wieder zurückbringen? Weshalb will er sich ersäufen?« Sie standen im Boot und starrten erschrocken in die Tiefe. Zuerst sahen sie nichts.

Aber nach ein — zwei — drei Minuten stiegen in einer Entfernung von etwa vierzig Fuß vom Boot Blasen auf.

»Da — da, jetzt geht ihm die Luft aus! Was machen wir bloß?« »Der Hund — könnte man den Hund nicht hinterherjagen?«

»Verstehe gar nicht, daß das Vieh hier so ruhig sitzt. Ist doch sonst unzertrennlich, das Paar!« Karo ließ sich durch das Verschwinden seines Herrn nicht im geringsten stören. Er hatte auch ohne menschlichen Verstand instinktiv gespürt, daß Mutatulli, nachdem er freiwillig ins Wasser gesprungen war, lebend wieder herauskommen würde.

Und es währte nicht lange, so tauchte der dunkelhaarige Kopf wieder auf. In langen, ruhigen Zügen schwamm der Mann an das Boot heran und kletterte so geschickt, daß man kaum ein Schwanken verspürte, wieder an Bord.

Er machte, zu den beiden gewendet, eine bedauernde Geste, deutete auf die Ruder, setzte sich auf die Bank und legte sich erneut in die Riemen. Jetzt ließen ihn die beiden kopfschüttelnd gewähren.

Er trieb das Boot mit harten Schlägen etwa zweihundert Meter weiter und wiederholte das Manöver.

Er kam wieder heraus, diesmal schon nach zwei Minuten.So ging es fünf-, sechsmal. Den beiden Piraten dämmerte es langsam.

»Hombre«, sagte der eine, »der taucht und besieht sich die Weltgeschichte von unten.« »Wie kann er das? Dazu müßte er doch die Augen aufmachen.« »Vielleicht tut er das.«

»Unmöglich. Meine Mutter hat mir erzählt, daß man davon blind werden würde.« »Der vielleicht nicht. Ist ja kein zivilisierter Mensch.«

Man muß wissen, daß in diesen Zeiten die wenigsten Menschen schwimmen konnten, ja, daß sie sich vor dem Wasser scheuten. Hierin machten auch die Seeleute keine Ausnahme. Auch auf der »Trueno« gab es, nachdem die Mannschaft in Akjab aufgefrischt worden war, einige, die überhaupt nicht schwimmen konnten. Die anderen vermochten sich zwar schlecht und recht über Wasser zu halten, aber richtig tauchen, das war ihnen eine gänzlich unbekannte Sache. Es gibt in der Südsee Eingeborene, Perlenfischer, die bis zu sieben Minuten unter Wasser bleiben können. Für eine europäische Lunge ist das eine unvorstellbar lange Zeit.

Mutatulli kam jetzt wieder zum Vorschein. Kaum hatte er genug Luft, so stieß er einen Jubelruf aus. Im Boot deutete er auf die Schiffe. Nach der anstrengenden Arbeit jedoch dachte er nicht daran, wieder selbst zu den Rudern zu greifen.

Die Spanier blickten einander an, zuckten mit den Schultern und legten sich dann in die Riemen. Mutatulli war gerade an Bord der »Trueno« geklettert und suchte den Pfeifer, als sich von Norden her ein fremdes Schiff näherte. »Es hält direkt auf uns zu«, sagte Ojo zum Pfeifer.

Michel blickte angestrengt durch das Glas, setzte es aber bald ab und zuckte mit den Schultern. »Beobachtet es, bis es vorbei ist, Diaz. Ich glaube kaum, daß es eine feindliche Haltung an den Tag legen wird. Wir sind immerhin drei. Aber man kann nicht wissen.«

»Es führt keine Flagge, Senor Doktor. Sollen wir anfragen, wer es ist?«

»Nein. Laß es gehen, wenn es friedlich bleibt. Wir können im Augenblick ohnehin keine Gesellschaft gebrauchen.«

Er wandte sich ab und sah Mutatulli auf sich zukommen.

»Nun, Herr«, meinte der Häuptling, und Freude glänzte auf seinem Gesicht. »Wir können die Anker lichten.«

»Wieso? Hat jemand eine Durchfahrt gefunden?«

»Ich. Ich bin weiter oben« — er deutete mit der Hand nach der Stelle — »getaucht und habe mit meinen Augen unter dem Wasser gesucht und habe ein korallenfreies Stück Meer gefunden. Die Riffkette ist dort ein weites Stück unterbrochen.«

Michel konnte nichts sagen. Da hatte der von allen bedauerte Eingeborene — in den Augen der anderen ein armer, farbiger Mensch — eine Meisterleistung vollbracht, die ihm hier an Bord der drei Schiffe niemand nachmachen würde. Er reichte ihm die Hand und meinte : »Ich danke Euch, Mutatulli. Ich werde den Steuermann hinschicken, damit er nachloten kann.« »Das ist nicht nötig. Ich weiß die Stelle genau. Wir können nicht auflaufen.« — Michel dachte nach. Wenn Mutatulli das sagte, so würde er zweifelsohne eine einwandfreie Beobachtunggemacht haben. Jede Nachprüfung seiner Angaben mußte ihn unter diesen Umständen beleidigen. Dennoch, kein einziger außer ihm selbst würde den Angaben des Eingeborenen trauen. Das Nachloten ließ sich nicht umgehen.

Es zeigte sich bald, daß Mutatullis Entdeckung auch der genauesten Lotung standhielt. Die Durchfahrt war gefunden. Ein Aufatmen ging durch die Männer. —