158412.fb2 San Francisco in Flammen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 4

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»Wir suchen jemanden«, antwortete Winkler gelassen, als genüge dies als Rechtfertigung für das verbrecherische Tun. »Zwei Weiße und eine Chinesin, Susu Wang, der chinesische Engel. Du weißt nicht zufällig, wo sie sich aufhalten?«

»Nein, das weiß ich nicht«, erwiderte Sun Cheng mit unbewegter Miene.

»Dreckiger gelbhäutiger Lügner!«

Der andere Mann, Charley Wagner, stieß diesen Fluch aus.

Gleichzeitig sprang er vor, hob den in beiden Händen gehaltenen Karabiner und ließ den Kolben schwer auf Sun Chengs linke Schulter krachen.

Beim Aufschlag gab es ein häßliches Geräusch - das Splittern von Knochen.

Der Chinese wurde durch die Wucht des Schlages von den Füßen gerissen und rutschte an dem kupfernen Waschkessel zu Boden. Nicht nur die Schulter stach und brannte, seine gesamte linke Seite schmerzte höllisch.

Wagner baute sich breitbeinig über ihm auf und richtete die Karabinermündung auf den Kopf des Chinesen. Die Augen in Wagners vollbärtigem Gesicht blickten mitleidlos.

»Deine letzte Chance, Chinamann. Sag uns die Wahrheit, oder ich jage dir eine Kugel in den Schädel! Wo hast du Susu Wang und die beiden Weißen versteckt, he?«

»Sie... sie sind nicht hier.«

»Jetzt reicht's!« schrie Wagner und krümmte den Zeigefinger um den Abzug.

»Halt!« fuhr eine scharfe Stimme dazwischen.

Louis Bremer betrat den Raum.

Ihm folgte eine ganze Anzahl Menschen. Bremers eigene Männer, bewaffnet. Und ihre Gefangenen, Sun Chengs Arbeiter.

Und das halbwüchsige Mädchen Fei-yen, Sun Chengs Enkelin!

Sie lebte, schien nicht einmal verletzt zu sein.

Die Erleichterung, die den alten Mann bei dieser Erkenntnis überfiel, währte nicht lange. Sofort machte er sich neue Sorgen, als Fei-yen auf ihn zustürzen wollte.

Er bohrte seinen Blick in den des Mädchens, und Fei-yen verstand. Ein chinesisches Mädchen war daran gewöhnt, den Blicken ihres Gebieters zu gehorchen. Seit dem Tod von Feiyens Eltern war Sun Cheng ihr Gebieter.

Fei-yen war immer ein folgsames Mädchen gewesen. Selbst jetzt, als sie sich um ihren Großvater ängstigte, gehorchte sie. Sie zwang sich, zwischen den anderen Gefangenen stehen zu bleiben, so sehr es sie auch drängte, sich um den am Boden liegenden Sun Cheng zu kümmern.

»Das ist doch der alte Sun Cheng, der Oberboß in diesem Laden«, stellte Bremer fest, der neben Wagner getreten war.

»Ja, das ist er.«

»Wir haben den chinesischen Engel und die beiden Kerle nicht finden können«, sagte der kleine Mann mit dem Rattengesicht. »Sun Cheng könnte uns erzählen, wo sie sich versteckt halten. Und da willst du ihn zur Hölle schicken, Charley?«

Der letzte Satz klang vorwurfsvoll.

»Der redet doch nicht«, verteidigte Wagner sich mit Blick auf den alten Chinesen unter ihm. »Er scheint sich lieber die Zunge abzubeißen, als uns etwas zu verraten.«

»Du hast ihn also schon gefragt, Charley?«

»Ja, Boß, zweimal schon.«

»Hast du ihn auch richtig gefragt?«

»Richtig?« Wagner legte fragend den Kopf schief, während er Bremer ansah. »Wie meinst du das, Boß?«

Bremer seufzte ergeben und erklärte: »Diese Schlitzaugen sind sehr feinfühlige Menschen, Charley. Denen darfst du nicht mit einer plumpen Frage kommen. Du mußt gefühlvoll an die Sache herangehen.«

»Gefühlvoll?« echote der Mann mit dem Karabiner verständnislos.

»Ja, sehr gefühlvoll.« Bremer zeigte auf eine große Wäschemangel, die in der Nähe stand. »Bringt Sun Cheng dorthin!«

Wagner schwenkte den Karabinerlauf in die von Bremer bezeichnete Richtung.

»Los, Schlitzauge, beweg dich. Mach schon!«

Sun Cheng wollte aufstehen. Aber als er dabei den linken Arm belastete, raubte ihm der neue Schmerzschub für Sekunden die Besinnung. Er hatte das Gefühl, in ein schwarzes Loch zu stürzen. Als die Dunkelheit zurückwich, lag er wieder am Boden.

»Dir werde ich Beine machen!« zischte Wagner mit verzerrtem Gesicht und stieß den Karabinerlauf hart zwischen Sun Chengs Rippen.

Der alte Mann stöhnte schmerzerfüllt auf.

Jetzt hielt es Fei-yen nicht mehr auf ihrem Platz. Ohne auf die bewaffneten Weißen und auf den beschwörenden Blick ihres Großvaters zu achten, eilte sie zu ihm und sagte: »Stütz dich auf mich, Sun Cheng. Ich helfe dir.«

Kluges Kind, dachte der alte Mann. Sie hat nicht verraten, daß ich ihr Großvater bin.

Mit ihrer Hilfe gelang es ihm aufzustehen. Er ging mit schleppenden Schritten zu der großen Mangel und stützte sich an ihrem gußeisernen-Gestell ab.

Wieder sah er Fei-yen an, und sie gehorchte. Unauffällig reihte sie sich wieder zwischen den anderen Gefangenen ein. Es waren außer ihr vier Personen, zwei Männer und zwei Frauen.

Mit Entsetzen fragte sich Sun Cheng, ob alle anderen, die für ihn gearbeitet hatten, tot waren.

Louis Bremer trat zu der Mangel und steckte seinen Pepperbox-Revolver in eine Tasche seiner abgetragenen Anzugjacke. Die Geste war eindeutig: Er war Herr der Lage und benötigte keine Waffe mehr.

Bremer blieb so dicht vor Sun Cheng stehen, daß der Chinese Bremers schlechten Atem riechen konnte.

Er schob die zu große Melone in den Nacken, musterte den alten Mann eingehend und meinte kopfschüttelnd: »Ihr Chinesen seid wirklich ein merkwürdiges Volk. Die Männer tragen bei euch längere Zöpfe als bei uns die Frauen. Seid wohl zu faul und zu geizig, um zum Barhier zu gehen, was?«

Während er sprach, nahm Bremer Suns langen grauen Zopf in die Hand und ließ ihn langsam durch seine Finger gleiten.

Die Bemerkung rief bei Bremers Männern Gelächter hervor.

»Hast recht, Louis«, kicherte Al Winkler. »Diese geizigen Schlitzaugen sparen jeden Cent, den sie verdienen, um so 'ne stinkige Wäscherei wie diese aufzumachen oder 'ne Opiumhöhle. Selbst beim Kartenspiel setzt so ein Gelber nie mehr als einen Vierteldollar, und auch dann nur, wenn er sicher ist zu gewinnen!«

Erneutes Gelächter war die Folge.

Charley Wagner brüllte: »Schneid ihm den Zopf doch einfach ab, Boß! Damit sich das Schlitzauge endlich mal wieder fühlen kann wie ein richtiger Mann.« »Abschneiden?« Versonnen betrachtete Bremer den Zopf und schüttelte dann entschieden den Kopf. »Nein, dazu ist das schöne Haar viel zu schade. Man kann es besser verwenden!«

Sun Cheng hatte in seinem langen Leben schon vieles erlebt, Gutes und Böses. In der alten Heimat, auf dem Auswandererschiff und hier in der Neuen Welt. Er war der Meinung gewesen, daß nichts und niemand ihn mehr ängstigen könne.