158478.fb2 Sturmfahrt nach Amerika - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

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»Das ist für ihn das Beste«, sagte er laut. »Tragt ihn zu seinem Schlafplatz, und legt euch auch hin! Sonst schmeißt euch der Sturm noch um.«

Erregt diskutierten die Menschen miteinander und kamen zu der Ansicht, daß Jacob recht hatte. Zwei kräftige Burschen zogen ihren Anführer vom Boden hoch und nahmen ihn mit sich. Die Menge zog sich durch den schmalen Gang zu ihren Schlafstellen zurück. Als letzte ging Frau Wickert ihnen hinterdrein. Sie drehte sich noch einmal um und warf Jacob einen seltsamen Blick zu.

Einen Blick, der ihn nachdenklich machte, den er aber nicht einordnen konnte. War sie ihm dankbar dafür, daß alles so glimpflich abgelaufen war? Oder wünschte sie ihm die Cholera an den Hals?

Als sich Jacob auf der Stiege zu seinen Freunden umdrehte, sah er, daß Irene kreidebleich im Gesicht war. Sie schwankte vor und zurück, vergeblich nach festem Halt suchend. Dann knickte sie einfach ein und wurde zu ihrem Glück von den beiden Männern aufgefangen.

*

Vorsichtig, Irene in seinen Armen, stieg Jacob die letzten beiden Stufen hinunter, gefolgt von Jacob.

»Was hat Irene?« fragte sein Freund.

Der Körper war völlig schlaff. Irene bewegte sich nicht und hielt die Augen geschlossen.

Cholera! dachte Jacob mit panischem Schrecken. Irene hat die Cholera!

»Was ist denn los mit ihr?« fragte Martin erneut.

»Ich weiß es nicht. Sie ist ohnmächtig. Wir sollten sie zu ihrer Schlafstätte bringen.«

Er sprach seinen schrecklichen Verdacht nicht aus, und auch Martin brachte das Wort nicht über seine Lippen. Es war, als könnten sie die Gefahr bannen, indem sie einfach nicht von ihr redeten.

Martin packte die Füße der jungen Frau, während Jacob unter ihre Achseln griff. So trugen sie Irene durchs Zwischendeck nach achtern, sich durch laute Rufe Platz verschaffend.

Sie kannten den Teil des Zwischendecks, in dem die unverheirateten Frauen untergebracht waren, weil sie ihn jeden Abend auf dem Weg in die Segelkammer durchquerten. Daher wußten sie auch, wo sich Irenes Schlafstelle befand, und legten sie auf ihren Strohsack.

Irenes Schlafgefährtinnen sprangen sofort erschrocken auf und achteten auf Abstand zu der Ohnmächtigen. Auch sie schienen den unausgesprochenen Verdacht der beiden jungen Männern zu hegen und befürchteten, sich anzustecken.

Eine rundliche Frau kam aus dem Familienquartier und blieb vor Irene stehen.

»Was ist denn hier los?« fragte sie energisch und stemmte die Fäuste in die breiten Hüften. »Was habt ihr mit dem armen Mädchen angestellt?«

»Gar nichts«, sagte Jacob. »Sie ist einfach zusammengebrochen. Ich nehme an, sie hat. sie hat die. Krankheit.«

Er brachte es einfach nicht fertig, im Zusammenhang mit Irene den Namen der Krankheit auszusprechen. Es erschien ihm, als würde er damit ihr Todesurteil fällen. Und das durfte einfach nicht sein!

Die resolute Matrone lockerte Irenes Kleidung und tastete die junge Frau ab. Dann wandte sie sich zu Jacob und Martin um und schüttelte heftig den Kopf.

»Männer!« schnaubte sie verächtlich. »Machen sich immer wichtig, aber haben von den wichtigen Dingen keine Ahnung!«

»Ist Irene denn nicht. krank?« fragte Jacob verwirrt und zugleich voller Hoffnung.

»Wenn man das als Krankheit bezeichnen will, trägt einer von euch Kerlen die Schuld daran. Das arme Ding bekommt ein Kind, ausgerechnet in dieser verhexten Nacht!«

»Aber. aber es ist doch noch gar nicht soweit«, protestierte Jacob. »Ich dachte, es sind noch zwei Monate bis zur Geburt.«

Die Matrone wackelte fast entschuldigend mit dem Kopf. »Offensichtlich hat das kleine Wurm seine eigene Meinung in der Sache.«

»Ja, aber was. was sollen wir denn jetzt tun?«

»Da wir keinen Arzt an Bord haben, müssen wir die Sache selbst in die Hand nehmen«, meinte die rundliche Frau. »Ihr könnt mir glauben, daß es nicht das erste Kind ist, das ich auf diese bescheidene Welt hole. Ihr zwei Figuren könnt ein paar Frauen zusammentrommeln, die mir helfen. Und der Schiffskoch soll Wasser heiß machen, einen großen Kessel!«

Jacob und Martin überschlugen sich fast, um die Anordnungen auszuführen.

»Ich sage dem Koch Bescheid!« keuchte Jacob und stürmte nach oben. Er brauchte jetzt Luft, viel frische Luft, und atmete an Deck tief durch. Gleichzeitig kam er sich ein wenig albern vor. Er benahm sich, als sei er der Vater.

Er hastete über das glitschige Deck zum Bug, der Küche entgegen, als ihm der Schiffskoch plötzlich entgegengelaufen kam. Er wollte an Jacob vorbei, aber der packte Melzer am Kragen und hielt ihn fest.

»Wo willst du hin?« brüllte Jacob gegen den Sturm.

Melzer zeigte mit seinem ausgestreckten Wurstfinger über Jacobs Schulter auf den Großmast. »Ich will helfen!«

Der Zimmermann drehte sich um und sah, was der Koch meinte. Die von Jacob reparierte Großmastspitze hatte dem Sturm nicht länger standgehalten. Jacob hatte sein Bestes getan, mußte aber mit unzulänglichen Hilfsmitteln auskommen. Der Mast hätte bis New York gehalten, hätte der Sturm ihn nicht fortwährend angegriffen.

Das Schlimmste an der Sache aber war, daß einer der Matrosen, die zum Segelreffen hinaufgeklettert waren, an der Spitze hing und nicht mehr zum Hauptteil des Mastes zurückkam.

Sobald die Spitze ganz abknickte drohte der Mann ins Meer zu stürzen. Bei dieser aufgewühlten See wäre es von vornherein aussichtslos, ihn herausfischen zu wollen. Oder aber er stürzte aufs Deck und würde dabei zerschmettert werden.

»Ich gehe helfen«, sagte Jacob. »Mach du einen großen Kessel Wasser heiß, sofort!«

Melzer schaute ihn an wie einen Betrunkenen. »Wer braucht denn jetzt heißes Wasser?«

»Irene, sie bekommt ihr Kind!« Der Koch zeigte ein erschrockenes Gesicht. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte zurück zur Kombüse.

Jacob lief in die andere Richtung, wo sich immer mehr Seeleute um den Großmast versammelten.

*

Bob Maxwell, der sich ebenfalls am Großmast eingefunden hatte, warf dem jungen Zimmermann tödliche Blicke zu. »Ihre Arbeit ist nicht viel wert, Adler!«

»Das Material, mit dem ich arbeiten mußte, ist nicht viel wert. Wie so vieles hier auf dem Schiff. Aber darüber sollten wir uns nicht streiten. Jetzt geht es um den Mann da oben. Wer ist es?«

»Larry Braden.«

Also einer der Männer aus Maxwells »Leibwache«, wie Jacob und Martin die Männer nannten, die ständig um den Ersten Steuermann herumscharwenzelten. Braden war das baumlange Knochengerüst, das bei dem nächtlichen Überfall auf Irene mitgemacht hatte.

»Ist Ihnen wohl ganz recht, wenn Braden drauf geht, wie?« fragte das Narbengesicht und hatte wieder den lauernden Ausdruck in den Augen.

»Sie sollten nicht von sich auf andere schließen, Maxwell! Nicht jeder hat einen schlechten Charakter.«

Maxwells Hand zuckte zu seinem Messer, aber ein scharfer Ruf seines Namens hielt ihn zurück.

Kapitän Haskin hielt sich am Luftzugrohr fest und fragte im tadelnden Tonfall: »Warum der Streit?«

»Adler hat den Großmast nicht richtig instand gesetzt. Jetzt schwebt Braden in Lebensgefahr. Nur weil dieser Deutsche.«

»Wir sollten uns keine Vorwürfe machen, sondern lieber überlegen, wie wir dem Mann helfen können!« schnitt ihm Jacob den Satz ab.