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Der General maß Michel mit einem prüfenden Blick. Aber er hatte bessere Menschenkenntnis als die Frauen. Er schätzte Leute nicht nach ihrer Kleidung ein.
»Es sind meine Frau und meine Tochter«, erwiderte er.
»Ich bin Arzt«, sagte Michel. »Gestattet Ihr, daß ich den Damen behilflich bin?«
Der General nickte. Michel winkte Ojo und befahl diesem, die Alte aufzuheben und auf ihr Zimmer zu tragen. Zwei Pagen folgten mit der jüngeren.
Kaum waren sie jedoch oben, als die beiden Ohnmächtigen wie auf Kommando die Augen öffneten.
»Laß die beiden einsperren, Hernán«, kreischte Josephina.
Der General war verwundert.
»Aber sie haben dir doch geholfen, Liebling !«
Nun sprudelte auch Isabella hervor und erzählte, was geschehen war.
Der General wandte sich an Michel.
»Stimmt das, Señor Baum?«
Michel konnte nicht umhin, alles zu bestätigen.
»Hm«, machte der General. Dann wandte er sich langsam Ojo zu.
»Ihr habt meine Damen beleidigt, Señor. Ist Euch das klar?«
Ojo fuhr sich durch den Bart. Dann meinte er:
»Wenn Ihr das so auffaßt, Señor, dann kann ich nicht widersprechen.«
Der General war offensichtlich ein wenig pikiert, daß Ojo ihn mit Señor ansprach. Einfach mit Señor.
»Hm«, machte er wieder. »Ihr werdet die Beleidigung zurücknehmen und Euch entschuldigen?«
Da lachte ihm Ojo mitten ins Gesicht.
»Entschuldigen? — Hombre, seid Ihr des Teufels? Eher beiße ich mir die Zunge ab.«
Da wich mit einem Schlag die Gelassenheit des Generals. Als Offizier, Gatte und Vater dieser Damen hatte er gewisse gesellschaftliche Pflichten, die er nicht außer acht lassen durfte, wollte er den Schild seiner Ehre rein halten. So nahm er also stramme Haltung an, verbeugte sich leicht vor Ojo, der diese Höflichkeit höchst albern fand, und sagte:
»So bleibt mir nicht anderes übrig, Señor, als Genugtuung mit der Waffe von Euch zu verlangen.
Ihr könnt wählen. Degen oder Pistole.«
Ojo warf Michel einen verblüfften Blick zu. Daß es wegen einer solchen Lappalie zu einem Duell kommen konnte, hätte er nie für möglich gehalten. Aber warum nicht?
Der General würde sein blaues Wunder erleben, ob er die Ehre seiner Frauen nun mit der Pistole oder dem Degen verteidigte.
»Hombre«, sagte er, »wenn Ihr durchaus Euer kostbares Leben wegwerfen wollte, bitte sehr.
Wählt die Waffe, die Euch genehm ist. Ich schlage einen Faustkampf vor. Das ist für Euch nicht so gefährlich. Ein Schlag von mir und die Sache ist erledigt.«
Wenn er geglaubt hatte, dem General mit diesem Duellvorschlag einen Gefallen zu tun, so hatte er sich geirrt.
»Señor«, brauste der General auf. »Was fällt Euch ein, ich lasse mich nicht beleidigen! Ihr werdet Eure Frechheit büßen!«
»Ja, ja, ja«, schrien die beiden Frauen. »Und der Empfangschef, der nicht weniger unverschämt ist, muß entlassen werden! Darauf bestehe ich.«
»Ja«, schloß sich Josephina an, »darauf bestehen wir.«
Der Pfeifer nagte an der Unterlippe. Dieser Zwischenfall behagte ihm absolut nicht. Er war sich zwar vollkommen darüber im klaren, daß ein Duell für Ojo keine Gefahr bedeutete. Aber er dachte an die Konsequenzen, die sich daraus ergeben mußten, wenn hier, auf portugiesichem Hoheitsbesitz, einem portugiesischen General ein Leid zugefügt wurde. So wandte er sich denn in ehrlicher Besorgnis an den General und sagte:
»Hört, Señor, wollt Ihr nicht auf dieses Duell verzichten, wenn ich mich für das schlechte Benehmen meines Freundes bei Euch entschuldige? Er ist leider ein Grobian.«
Aber der General war nicht mehr zu sprechen. Mit einer unmißverständlichen Geste deutete er auf die Tür.
»Verlaßt das Zimmer, bitte.«
»Aber Señor ...«
»Kein Aber«, des Generals Stimme war schneidend. »Ich nehme an, daß Ihr Euerm Freund sekundieren werdet. Wohin darf Euch mein Sekundant die Forderung bringen?«
»Wir wohnen in diesem Hotel hier«, sagte Michel kurz. »Erkundigt Euch bei dem Empfangschef nach der Zimmernummer.«
Er öffnete die Tür und ging hinaus. Ojo folgte ihm.
»So ein Verrückter«, sagte Ojo, als sie allein waren. »Wie kann er nur Lust haben, sich mit mir zu raufen?«
»Er muß wohl«, antwortete Michel. »Die Herren Offiziere haben einen ganz besonderen Kodex.
Das, was sie Ehre nennen, verpflichtet sie, wegen einer solchen Narrheit ihr Leben aufs Spiel zu setzen.«
»Ich werde nicht zu kräftig zuschlagen«, beruhigte Ojo den Pfeifer. »Ich werde ihn zart am Kinn kitzeln, daß er wohl sein Bewußtsein, nicht aber seinen Geist aufgibt.«
»Du glaubst doch nicht im Ernst, Diaz, daß sich der General in einen Faustkampf einläßt.«
»Er wäre schön dumm, wenn er es nicht täte; denn wenn er es auf den Degen ankommen läßt, dann kann ich nicht garantieren, daß ihm der meinige aus Versehen nicht doch durchs Korsett bis in die Haut dringt.«
»Du wirst ihn auf keinen Fall töten«, sagte Michel.
»Um Gottes willen«, entsetzte sich Ojo. »Wie könnt Ihr so etwas von mir denken. Señor Doktor?«
»Was willst du also tun?«
»Ihm einen Klaps geben, daß ihm der Säbel aus der Hand fällt.«