158489.fb2 T?dliche Feindschaft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 29

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Draußen stieg jemand vom Pferd. Dann ging die Tür auf und herein trat ein schmucker, junger Leutnant, dessen Züge eine unverkennbare Ähnlichkeit mit denen des verlorenen Sohnes aufwiesen, obwohl sie härter waren als Michel Baums, schärfer trotz der Jugend ihres Trägers, und nicht so von Geist und Verstehen geprägt.

Er trug den grünen Waffenrock der hessischen Dragoner. Richard Baum war Premierleutnant in der Dragonerabteilung, die unter dem Befehl des Grafen Eberstein stand. Er war ein Verwandter aus der weitverzweigten Familie der Baums, ein Neffe des alten Andreas und somit ein Vetter Michels.

»Grüß Euch, Oheim«, sagte er mit fröhlicher, vielleicht etwas zu lauter Stimme.

Andreas Baum freute sich immer, wenn er den Besuch seines hübschen, jungen Neffen erhielt.

Was er dem Sohn an Gutem nicht mehr tun konnte, versuchte er, an Richard Baum nachzuholen.

So wanderte manches Häuflein blinkender, goldener Dukaten in die Taschen des jungen Burschen, mit denen dieser im Kreise seiner Kameraden eine fröhliche Zeche veranstalten konnte. Andreas Baum hatte Verständnis für die Dummheiten der Jugend. Zwar hielt er in seinem Innern den Offiziersberuf nicht gerade für eine Idealbeschäftigung der Jugend, verlor jedoch darüber nie ein Wort, um seinen Neffen, der ein begeisterter Anhänger dieses Standes war, nicht vor den Kopf zu stoßen. Es schien ja langsam Mode zu werden, in einem möglichst mit reichen Goldtressen bestickten Rock herumzulaufen, dem lieben Gott den Tag zu stehlen und dem Landgrafen Friedrich II. als Beweis dafür zu dienen, daß er über eine gewisse Macht verfügte, eine Macht, von der er glaubte, daß sie nicht allzuweit hinter derjenigen des preußischen Königs zurückstehe.

Das war zwar ein gewaltiger Trugschluß; aber was tut ein Landgraf nicht alles, um durch Aufmärsche und Paraden seiner Soldaten sein Selbstgefühl zu heben!

»Grüß dich, Brudersohn, du hast einen anstrengenden Dienst gehabt, wie?«

»Ich halte etwas aus, Oheim, obwohl ich es zur Zeit gar nicht schön finde.«

»So?-Weshalb nicht?«

»Nun, es ist eintönig hier in Kassel. Was ist unsere Aufgabe? Immer nur marschieren, immer nur reiten, immer nur darauf achten, daß die Knöpfe blitzen.«

»Was willst du mehr? Es ist doch kein gar so schlechtes Leben!«

Die Augen des jungen Baum blitzten.

»Was ich will, fragt Ihr, Oheim? — Oh, ich lobe mir einen frisch-fröhlichen Krieg. Weshalb zieht der Landgraf nicht gegen einen Feind? Wozu hat er ein so großes Heer, wenn er nichts tut, als mit dem Baumeister du Ry Häuser zu bauen?«

»Ich halte das Häuserbauen für eine sehr vernünftige Beschäftigung.«

»Das mag gut sein fürs Alter«, sagte der Neffe wegwerfend. »Ich möchte reiten, ich möchte stürmen, mit blanker Waffe gegen den Feind ziehen. Ich möchte Heldentaten vollbringen.«

»Dein Tatendrang in Ehren, Brudersohn. Aber wenn keine Feinde da sind, so soll man sich keine wünschen. Sie kommen schneller, als man denkt, und dann hat man seine Last, sie wieder loszuwerden. — Möchtest du ein Gläschen Rheingauer trinken?«

»Oh, recht gern.«

Andreas zog ein Schlüsselbund aus der Tasche und schob es über den Ladentisch.

»Du weißt ja, wo er steht. Geh in den Keller. Bring eine Flasche herauf.«

Das ließ sich der junge Offizier nicht zweimal sagen.

»Er ist gut«, sagte Richard später, als sie aus den geschliffenen, funkelnden Römern getrunken hatten.

»Ja, ja, sehr gut. Eine köstliche Blume. Ich werde mir dazu ein Pfeifchen mit einer neuen Mischung anstecken.«

»Dem Rauchen kann ich nichts abgewinnen«, sagte Richard.

Der Alte nickte und fuhr sich mit der Hand über das weiße Haar.

»Es ist auch nichts für die Jugend«, meinte er. »Man braucht die Beschaulichkeit des ruhigen Alters, um den Duft fremder Welten richtig genießen zu können. Eine Pfeife, die man nicht in Ruhe vom ersten bis zum letzten Zug geraucht hat, ist eine verlorene Pfeife. Der Rauch ist wie die Philosophie. Man muß sich auf beide konzentrieren, sonst verfliegt der Gehalt zu schnell.«

Als die Gläser geleert waren, stand Richard auf und betrachtete mit begehrlichen Blicken den Damaszenerdegen, der an der Wand hing.

»Eine herrliche Waffe, Oheim, darum beneide ich Euch, seit ich Euch kenne.«

Andreas Baums Augen wurden traurig.

»Ich wünschte, ich hätte sie nicht«, seufzte er. »Die Waffe ist ein Teil von dem Leid, das mir Gott zu tragen auferlegt hat.«

»Ja, ich weiß, Oheim. Ich wollte nicht alte Geschichten wieder aufrühren. Aber immer wenn ich sie sehe, gerate ich in helle Begeisterung.«

Die Flasche, die noch halb voll war, ruhte in den zerfurchten Händen des alten Mannes.

Nachdenklich betrachtete er ihren Hals. Dann goß er die beiden Gläser abermals voll.

Kristall klang an Kristall, als die beiden einander zutranken.

»Auf Euer Wohl, Oheim.«

»Danke, mein Junge.«

Nach einer Weile fragte Richard :

»Ich — ich — möchte . . . Ihr wißt schon, Oheim, ich —«

Andreas Baum lachte.

»Ja, ich weiß, Richard. Ein forscher Premierleutnant braucht eben hin und wieder mal einen Dukaten mehr, als er verdient.«

Er löste einen Beutel vom Gürtel und zählte fünf blanke Goldstücke auf den Ladentisch. Der Junge strahlte.

»Ich danke Euch so sehr, Oheim! Wenn ich erst Rittmeister bin, dann werde ich Euch die Dukaten zurückzahlen.«

»Dann wirst du noch mehr brauchen, als jetzt« , lachte Andreas. »Der Rock eines Offiziers sieht zwar sehr hübsch aus; aber Reichtümer kann man damit nicht erwerben.«

Es schien, als behagte es Richard Baum nun nicht mehr länger in der Gesellschaft des alten Mannes. Der Zweck seines Besuches war erreicht. Fünf schöne blanke Dukaten klimperten in seiner Tasche. So dauerte es dann auch nicht lange, bis er sich verabschiedete.

Andreas Baum hatte ihn bis vor den Laden begleitet. In tiefen Gedanken sah er dem davonjagenden Reiter nach.

»Ja, ja«, murmelte er vor sich hin, »er hat zwar ein Gesicht wie ein echter Baum, das Holz jedoch, aus dem er geschnitzt ist, scheint aus anderem Stamm. Leichtsinniges Vögelchen. Nun, ich hab«s ja. Und wofür, wenn nicht für ihn?«

Er wandte sich zurück und betrat sein Lädchen wieder.

Er blieb nicht lange allein. Schon nach wenigen Minuten öffnete sich die Tür abermals und herein trat ein junger Mann, bei dessen Anblick den alten Andreas jedesmal das Mitleid packte.

Der Ankömmling war der Musiker Jehu Rachmann, ein hochaufgeschossener, schmächtiger Jude, der den Eindruck machte, als stünde er in beständigem Kampf mit der Schwindsucht. Um seine dürre ausgezehrte Gestalt schlotterte ein schwarzer Rock, an dem kein Stäubchen zu sehen war. Das Tuch war sauber und gepflegt, wenn auch schäbig. Die große, schwarze Schleife unter dem Kinn war sorgfältig gebunden. Das dunkle, füllige Haar saß wie eine riesenhafte Krone auf der bleichen, hohen Stirn. In seinen dunklen, brennenden Augen loderte ein Feuer, das ihn innerlich zu verzehren schien. Die scharf hervorspringende Nase bildete einen eigenartigen Kontrast zu dem weichen, gefühlvollen Mund. Die Lippen milderten den asketischen Eindruck etwas ab.

Jehu Rachmann war ein guter Kunde. Zweimal in der Woche erschien er im Laden Andreas Baums, um sich seinen Beutel mit Tabak füllen zu lassen. Da Andreas wußte, daß es ihm nicht leichtfiel, die zwei Kreuzer, die ein solcher Beutel voll kostete, aufzubringen, wog er für den jungen Musikus immer besonders reichlich.