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Im Verlauf des Abends bat auch Rudolf Rachel um einen Tanz. Er wurde ihm ohne weiteres gewährt. Rachel war aufgeschlossen und munter. Rudolf von Eberstein machte ihr beim Tanz keine Komplimente. Ganz beiläufig fragte er:
»Gefällt Euch der heutige Abend?«
Sie nickte begeistert.
»O ja, ich hätte nicht geglaubt, daß es so nett werden würde.«
»Ihr gestattet«, lächelte er, »daß ich dieses Kompliment meinem Vater mitteile? Er wird sich sehr darüber freuen.«
»Aber selbstverständlich, Graf.«
»Oh, bitte, laßt den Grafen weg. - Wie gefallen Euch die übrigen Gäste?«
Sie lachte ihn an.
»Teils, teils«, sagte sie. »Manche sind ein wenig komisch.«
»Ich auch?« fragte er.
Sie blickte ihn voll an.
»Nein«, erwiderte sie ernst. »Ihr nicht. Ich muß — ich bin...«
»Sprecht es ruhig aus, gnädiges Fräulein.«
»Ich will es sagen, ich bin angenehm enttäuscht. Nach dem, was man so von Euch hört...«
»Ihr habt mich für einen halben Menschenfresser gehalten, nicht wahr?«
»Wenn auch nicht gerade das, so doch für unnahbar, unzugänglicher.«
Sie schwiegen eine Weile.
»Man soll auf das Geschwätz der anderen nichts geben. Man muß sich immer selbst überzeugen«, sagte er weltmännisch.
»Ich glaube auch. Jedenfalls möchte ich es nicht versäumen, Euch für die Einladung zu danken.«
»Oh, was das anbelangt, so habe ich Euch zu danken, nämlich dafür, daß Ihr gekommen seid.«
Er verbeugte sich galant und küßte ihr die Hand. Der Tanz war zu Ende.
26
An einem der nächsten Tage fragte der alte Eberstein seinen Sohn:
»Na, gefällt sie dir?«
»Nicht übel, Papa.«
»Dann zaudre nicht lange. Mach einen Gegenbesuch. Reite mit ihr aus. Führe sie und ihre Eltern ins Theater.«
»Du mußt mir schon noch ein wenig Zeit lassen. Ich kann mich nicht so schnell daran gewöhnen, daß es mit Charlotte aus sein soll.«
»Was heißt aus sein? Es hatte doch noch gar nicht angefangen.«
»Du verstehst mich nicht.«
»Mon Dieu, ich verstehe alles. Ich kann sogar begreifen, daß die Heirat mit Charlotte Eck zur Vollendung deiner Rache an diesem widerlichen Deserteur Baum gehört. Aber wozu noch Rache an Toten? Geld ist wichtiger.«
Rudolf von Eberstein sah an seinem Vater vorbei. Plötzlich wandte er ihm den Blick zu. »Baum ist nicht tot.«
Dem Alten blieb der Mund offenstehen. »Was — was soll das heißen?«
»Ich habe ihn in die Sklaverei verkauft. Er wird sich, wie ich hoffe, zu einem guten Sklaven entwickelt haben. Der Preis für ihn waren ein paar Fässer Wasser.«
Der Alte ließ sich in einen Sessel nieder. Mit weitaufgerissenen Augen starrte er seinen Sohn an.
»Du — du — hast — ihn — in die Sklaverei — verkauft? — Ich fasse es nicht!«
Rudolf von Eberstein erzählte dem Alten die Umstände, unter denen es geschehen war, wahrheitsgemäß. Der alte Graf schlug sich auf die Schenkel, daß es krachte. Lautes Gelächter kam aus seinem Mund.
»Parbleu, wenn das der alte Baum wüßte! Wenn das Charlotte Eck wüßte ! Es ist köstlich. So hat der Frechling eine Strafe bekommen, von der sich hier kein Mensch eine rechte Vorstellung zu machen vermag. Magnifique — excellent!«
»Nun, es besteht durchaus die Möglichkeit, daß er eines schönen Tages wieder auftaucht. Er war ein unbeugsamer Bursche. Weshalb sollte es ihm nicht gelingen, der Sklaverei zu entrinnen?«
»Nun, und?«
»Stell dir sein Gesicht vor, wenn er wiederkommt und Charlotte Eck mit mir verheiratet ist!
Aber das ist es nicht allein. Ich mußte jener Seeräubergräfin, die mich damalsvon dem verlassenen Schiff rettete, schwören, daß ich Charlotte heimführen würde. Aus unerfindlichen Gründen bestand sie darauf.«
»Ah, bah, Seeräubergräfin. Du lebst hier in einem geordneten Staatswesen. Was will sie dir tun?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich habe ein ungutes Gefühl. Ihr Arm ist vielleicht länger, als wir glauben.«
»Verflucht von Roßbach. Sie soll sich nur hier sehen lassen. Sie wird gehenkt, parbleu.«
»Hoffentlich überlebe ich das.« Rudolf von Eberstein lachte gezwungen auf.
»Daher also deine Vorliebe für Charlotte Eck.«
»Reg dich nicht auf, Papa, ich werde dieser Rachel den Hof machen.«
»Aber laß dir nicht mehr zu lange Zeit damit!«
»Nun, es dürfte mir doch ein leichtes sein, sie zur Frau zu gewinnen. Ob ich vielleicht gleich zum alten Abraham gehe und um ihre Hand anhalte?«