158489.fb2
Rufe des Entzückens wurden laut. Hirschfelder vergaß, wo er sich befand. Er liebte Steine zu sehr und war viel zu sehr Juwelier, um seiner Begeisterung in diesem Augenblick Zügel anzulegen. Er nahm den Ring zur Hand, trat in die Nähe des Leuchters, hielt ihn in den Kerzenschein und studierte das Stück eingehend. Nach einer Weile gab er es zurück.
»Es ist eines der herrlichsten Stücke, das ich je gesehen habe«, sagte er begeistert. »Ich würde ein Vermögen dafür geben, um es zu besitzen.«
»Wie hoch schätzt Ihr seinen Wert, in Geld ausgedrückt?« fragte der Graf.
»Siebentausend Dukaten würden nicht zu wenig sein.«
Aus dem Munde der anderen Gäste hörte man ein respektvolles »Oh«.
»Würdet Ihr mir diesen Ring verkaufen?«
Der alte Eberstein lächelte verbindlich. »Warum nicht? Allerdings müßt Ihr mir schon eine Weile Zeit lassen. Ich möchte den anderen Interessenten nicht vor den Kopf stoßen. Aber da ich glaube, daß siebentausend Dukaten für diesen ohnehin unerschwinglich sein werden, so können wir in den nächsten Tagen noch einmal darüber sprechen.«
»Ich wäre Euch wirklich sehr verbunden, Herr Graf«, sagte Abraham leidenschaftlich. »Es wäre ein Stück, das meine Sammlung seltener Kostbarkeiten in wundervollem Maße ergänzen würde.
Ich habe nur noch ein Stück, dessen Schönheit den Glanz dieses Ringes überstrahlt.«
Der alte Eberstein legte das Kästchen auf den Tisch zurück. Nach und nach begaben sich die Gäste wieder in den Salon.
Noch zwei- oder dreimal kam Abraham an diesem Abend auf den Ring zu sprechen. Der alte Eberstein verstand es, sein Interesse an dem Schmuck immer wieder aufzustacheln. Und er wußte es so einzurichten, daß, wenn Abraham davon redete, stets andere Gäste in der Nähe waren, die es hörten.
Als die Gesellschaft zu Ende war, fragte Rudolf von Eberstein seinen Vater:
»Steht es schon so schlecht um uns, daß wir unseren Schmuck verkaufen müssen?«
»Wenn uns der alte Abraham nicht bald aus der Klemme hilft, dann wird uns tatsächlich nichts anderes übrigbleiben. Na, wollen abwarten. Paß auf, spätestens übermorgen haben wir zehntausend, vielleicht sogar zwanzigtausend Dukaten verdient.«
»Willst du mir nicht deinen Plan endlich auseinandersetzen?«
»Das will ich nicht. Ich habe dir deine Aufgabe zugewiesen. Du hast nichts zu tun, als weiter um Rachel zu werben. Du mußt dir den Anschein geben, als hinge dein ganzes Sein von diesem Mädchen ab. Vergiß das nicht. Und falle morgen nicht in Ohnmacht, wenn sich Dinge ereignen, die dir im ersten Moment unbegreiflich sind.«
»Sprich doch nicht in Rätseln, Papa.«
»Ich spreche nicht in Rätseln, sondern nur verschlüsselt.«
Ein guter Spekulant arbeitet nie mit offenen Karten. Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Rudolf von Eberstein entfernte sich. Der Alte gähnte und wandte sich ebenfalls seinem Schlafzimmer zu. Aber kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, war er so munter, als sei er eben aufgestanden.
»Wo seid Ihr, Baum?« fragte er.
Ein Licht flammte auf. Bald brannten auch die übrigen Kerzen des Leuchters. In ihrem Schein stand Richard Baum.
»Ich habe mich wunschgemäß zu Eurer Verfügung gehalten, Graf.«
»Das ist sehr schön. Und Ihr habt auch Rudolf gegenüber geschwiegen?«
»Ja, ich bin doch kein Waschweib.«
»Hihihi, gut, gut, mein Lieber, aus Euch wird noch mal was. Habe gehört, Ihr steckt bis über die Ohren in Schulden. Stimmt das?«
Richard Baum schlug die Augen nieder. Dann meinte er langsam :
»Ich kann das leider nicht bestreiten. Aber ich möchte doch meine Schulden nicht gerade zum Gegenstand unseres Gesprächs machen.«
»Gegenstand — Gespräch — parbleu, vorzüglich. Natürlich Gegenstand unseres Gesprächs.
Wichtigster Gegenstand sogar.«
»Wie meint Ihr das?«
»Meine, daß Ihr allen Grund hättet, Euch ein paar hundert Dukaten zu verdienen, nicht wahr?«
»Ein paar — hundert — Dukaten?« Richards Stimme klang erregt.
»Ganz recht. Paar hundert Dukaten, sagen wir vierhundert.«
»Vier — vier — vierhundert?«
»Ja.«
»Und was habe ich dafür zu tun?«
»Nicht viel. Morgen früh bei Dienstantritt nehmt Ihr ein Détachement Dragoner und spielt ein wenig Polizei. Das ist vorläufig alles.«
»Polizei?«
»Ja, ja. Nun hört gut zu. Es handelt sich darum, einen Gauner zu fangen. Aber ich möchte die dafür zuständigen Behörden nicht behelligen. Hier mein Plan ...«
Richard Baum verließ eine Stunde später nachdenklich das Haus.
33
Abraham Hirschfelder war Frühaufsteher. Von jeher pflegte er morgens um sechs das Bett zu verlassen. Vor dem Frühstück unternahm er einen kurzen Spaziergang. Gegen halb sieben war er schon in seiner Werkstatt. Mit einem umfangreichen Schlüsselbund öffnete er die durch mehrere Schlösser gesicherten, aus starken Eichenbohlen bestehenden Türen, die ein unbefugtes Eindringen in die Werkstatt unmöglich machten.
So auch an diesem Morgen.
Seine beiden Gesellen erschienen gewöhnlich erst gegen acht Uhr.
Er hatte gerade seine Arbeit aufgenommen, als plötzlich ein halber Dragonerzug auf den Hof geritten kam.Ein paar scharfe Kommandos erklangen, die Reiter saßen ab.
Abraham blickte erstaunt durch das kleine vergitterte Fenster. Im Frühlicht erkannte er den jungen Premierleutnant Baum, der gestern abend ebenfalls auf der Gesellschaft des Grafen von Eberstein gewesen war.
Baum wandte sich dem hinteren Eingang des Wohnhauses zu.