158489.fb2 T?dliche Feindschaft - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 54

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»Es wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben; denn ich denke, daß die Desertion eines Soldaten auch in zehn Jahren nicht verjährt. Wenn Eberstein zum Beispiel merkt, daß ich wieder in Kassel bin, wird er keine Minute ungenutzt lassen, um mich hinter Schloß und Riegel zu bringen oder — gar noch Schlimmeres.«

Andreas nickte.

»Daran habe ich in diesem Augenblick nicht gedacht. Tja, deine Flucht ist also noch nicht zu Ende. Nun, diesmal lasse ich dich freudig gehen. Habe ich doch die Gewißheit, daß du lebst und daß du dir irgendwo in einer freieren Welt ein eigenes Leben aufbauen wirst.«

»Ja, und hinzukommt, daß es von Amerika aus leichter sein wird, mit dir brieflich in Verbindung zu treten, Vater.«

»Du hättest dich nicht einer Gefahr aussetzen sollen, indem du hierhergekommen bist. Mir hätte es genügt, wenn irgend jemand eine Nachricht gebracht hätte, aus der ich ersehen hätte, daß du lebst. Aber — aber — ich denke, es gibt wohl noch einen anderen Grund als nur deinen Vater, nicht wahr?«

Andreas lächelte ermunternd. »Und ich glaube, du bist noch zur rechten Zeit gekommen, mein Junge. Seit Jahren schon macht Eberstein Charlotte den Hof. Erfolglos allerdings. Es sind noch nicht zwei Stunden her, daß sie bei mir war und mir versicherte, sie würde ihn nicht heiraten. Sie hat in all den Jahren ein besseres Gefühl für seinen wahren Charakter bewiesen als ich; denn ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich ihm alles geglaubt habe, was er mir sagte. Er ist ein grandioser Schauspieler. Als er mir den Degen wiederbrachte, den ich dir einst auf die Reise mitgab, als er mir vom Tode erzählte, der dich an seiner Seite kämpfend ereilte, da übermannte ihn selbst die Erinnerung an jene Szene, und die Erschütterung schnitt ihm die Sprache ab. Es war so echt, daß ich nicht daran zweifeln konnte.«

Michels Miene verfinsterte sich.

»Er ist ein Teufel. Er geht nicht nur über Leichen, sondern er zertritt rücksichtslos Seelen, wenn es ihm von Nutzen erscheint. Er erzählte offensichtlich dieses Märchen doch nur, um Charlotte klarzumachen, daß ich nie wiederkehren würde und sich durch die angebliche Freundschaft mit mir ein Ansehen bei Charlotte zu verschaffen, das ihm nicht zukommt. Nun, ich werde mit ihm abrechnen.«

»Willst du ihn töten? Das kannst du nicht, Junge. Du bist hier nicht unter Wilden, du bist nicht in Afrika. Man würde dich wegen Mordes verfolgen.«

»Keine Sorge, Vater. Ich habe noch nie aus Rache oder aus dem Drang nach Vergeltung einen Menschen getötet. Auch die Afrikaner oder die Südsee-Insulaner sind Menschen. Und wenn mich auch das Gesetz wegen ihrer Tötung nicht belangen würde, so doch mein eigenes Gewissen. — Nein, ich will Eberstein nicht ans Leben. Aber einen Denkzettel muß er erhalten.

Ich würde mit den ordentlichen Gerichten wegen Verleumdung gegen ihnvorgehen, wenn ich nicht selbst ein Verfolgter wäre. Aber ich glaube, auch ohnedies würde ich kein Recht bekommen; denn viel scheint sich ja in den Jahren während meiner Abwesenheit nicht geändert zu haben. Wahrscheinlich herrschen noch die alten Vorurteile, wahrscheinlich ist der einfache Bürger noch immer Mensch zweiter Klasse, und vermutlich haben die Grafen und Fürsten nach wie vor das Heft in der Hand.«

Andreas Baum nickte.

»Du hast leider recht, mein Sohn. Und ich glaube, weder du noch ich werden es erleben, daß es hier bei uns anders wird. Viele Jahre werden noch darüber hingehen.«

Andreas schenkte die Gläser wieder voll.

»Es ist ein Unglück, daß ich meinen Freund nicht mitgebracht habe«, lächelte Michel, »er sitzt beim Krugwirt und trinkt schlechtes Bier. Dabei würde er seine Seligkeit für ein gutes Glas Wein hergeben.«

»Weshalb hast du ihn nicht mitgebracht?«

»Diese Stunde sollte nur dir und mir gehören, Vater.«

»Recht, mein Junge, aber nun kannst du ihn holen. Im Haus ist Platz genug. Solange ihr hier seid, müßt ihr bei mir wohnen.«

»Ich glaube, ich werde in den nächsten Stunden noch etwas anderes zu erledigen haben. Erlaubst du, Vater, daß ich mich entferne? Ich möchte — ich möchte — Charlotte aufsuchen.«

»Natürlich, mein Junge. Es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt als einen Menschen, den man liebt. Geh hin und hol sie dir. Sie hat es verdient. Wirst du sie mitnehmen nach Amerika?«

Michel nickte.

»Wenn sie mitgeht.«

Michel erhob sich. Sie gingen hinunter. Bevor er sich jedoch von seinem Vater verabschiedete, meinte er:

»Ich möchte gern noch einen Blick in den kleinen Laden werfen. Wie oft habe ich ihn mir vorgestellt ! Wie oft habe ich an die vielen tönernen Dosen gedacht, in denen du deinen Tabak mischtest ! Sieht er noch so aus wie früher?«

Andreas nickte und schloß die Tür auf. Sie traten ein. Langsam ließ Michel seinen Blick umherschweifen. Doch plötzlich blieb er an dem Degen haften, der seinen Platz an der Wand hatte. Mit einem Schritt war er dort und nahm ihn in die Hand.

»Darf ich ihn mitnehmen, wenn ich nach Amerika gehe?«

»Natürlich, mein Junge. Ich bin zu alt, um ihn zu gebrauchen.«

Michel hängte ihn wieder auf, und dann ging er. — Je näher er dem Eckschen Hause kam, um so schneller wurden seine Schritte. Sein Herz klopfte. Würde ihn Charlotte wiedererkennen? Würde sie noch dasselbe für ihn fühlen wie vor zehn Jahren? Was mochten die alten Ecks sagen, wenn er plötzlich vor ihnen stand?

Fast hatte er das Haus erreicht, als er einen Reiter und eine Reiterin aus dem Hoftor kommen sah. Zuerst nahm er weiter keine Notiz davon. Aber dann elektrisierte ihn die Stimme der Frau.

Dann klang die des Mannes an sein Ohr, und nun erkannte er die beiden.

Es waren Rudolf von Eberstein und Charlotte.

Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Schnell trat er in den Schatten eines Baumes, so daß ihn die Reiter nicht sehen konnten. Im Schritt gingen die Pferde an ihm vorbei. Wortfetzen klangen zu ihm herüber.

»So bitter es für Euch sein mag«, hörte er Charlotte sagen, »Ihr müßt auf mich verzichten. Ich habe es mir reiflich überlegt und lange darüber nachgedacht, ich kann Euch nicht heiraten.

Meine Erinnerungen sind noch zu frisch und lebendig.«

»Aber einmal müßt Ihr diesen Schemen doch aus Euerm Herzen lösen. Ihr könnt doch nicht ewig einem Traumbild nachjagen«, sagte Eberstein verzweifelt.

Michel sah noch, wie Charlotte den Kopf schüttelte. Dann waren sie außer Hörweite, Sein Herz tat einen kräftigen Schlag. Er stand eine Weile unschlüssig und überlegte, ob er zuerst die alten Ecks besuchen sollte. Aber irgend etwas war in ihm, was ihn mit Macht zwang, den langsam Dahinreitenden mit Abstand zu folgen. Er wandte sich zum Gehen.

44

Charlotte und Eberstein nahmen Richtung auf die Stelle, die der Graf und Premierleutnant Baum zur Ausführung ihres Vorhabens ausgesucht hatten.

Die Pferde gingen immer ruhigen Schritts weiter. Die Glockenschläge der Sankt Martinskirche verrieten Eberstein, daß er sich noch Zeit lassen konnte. Sie nahmen ihren Weg am Ufer der Fulda entlang, die links und rechts von dichtem Gebüsch gesäumt war.

Nachdem Eberstein eine Weile verstockt geschwiegen hatte, redete er jetzt um so heftiger auf Charlotte ein. Er verstieg sich sogar zu Vorwürfen.

»Ich mache mich bei den Herren des Offizierskorps schon langsam lächerlich mit meiner erfolglosen Werbung. Und für einen Mann in meiner Stellung gibt es nichts Schlimmeres, als lächerlich zu sein.«

Charlotte runzelte ganz leicht die Stirn.

»Soll das eine Erpressung sein«, fragte sie.

»Um Gottes willen, faßt es nicht falsch auf«, versicherte ihr Eberstein. »Ihr sollt lediglich wissen, wie sehr ich um Euch leide.«

»Das ist einzig und allein Euer eigenes Pech, Graf«, erwiderte sie, und es lag leichter Spott in ihrer Stimme. »Aber es soll nicht an mir liegen, wenn dieses Leiden fortgesetzt wird. Gebt endlich den Wunsch auf, mich zur Frau zu gewinnen, und Ihr seid Meister der Situation.«

»Ich kann nicht«, erwiderte Eberstein und vergaß nicht, seiner Stimme einen traurigen Ausdruck zu verleihen.

»Nun, wenn Ihr nicht könnt, ich kann. Wir wollen nicht als Feinde auseinandergehen. Ihr wart der Freund Michel Baums, und als solchen will ich Euch betrachten. Scheiden wir ohne Bitterkeit. Nehmen wir diese Stunde als Stunde des Abschieds.«

»Niemals.«

»Doch, um Eurer selbst willen muß es sein.«

»Nehmt keine Rücksicht auf mich, Charlotte.«