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»Spielt Euch nicht auf. Wir machen ein Gaunergeschäft. Und Ihr seid ein Gauner.«
»Meine Ehre«, schrie Eberstein, »verbietet mir, daß ...«
»Halt den Schnabel«, fuhr ihm der Vater über den Mund. Dann wandte er sich an Michel. »Ich hielt Euch bisher für einen klugen Menschen. Ihr müßt doch ein-sehen, daß ein wegen Insubordination angeklagter Offizier nicht von heute auf morgen aus dem Gefängnis entlassen werden kann. Schließlich muß man ja die Formalitäten wahren. Alles, was wir tun können, ist, unseren Einfluß aufzubieten, damit die richtenden Offiziere den Premierleutnant freisprechen.
Und ich bin der festen Überzeugung, daß wir diesen Einfluß haben. Ihr seht, ich spiele mit offenen Karten. Wenn Ihr bezahlt, so tue ich mein Möglichstes.«
»Euer Möglichstes nützt mir nichts. Und außerdem dauert mir das zu lange.«
»Drei Tage?« fragte der Alte geschäftig.
Michel überlegte.
Was der alte Eberstein vorgebracht hatte, war stichhaltig.
»Ich gehe noch weiter«, fiel der Alte wieder ein, »mein Sohn wird die Anklage gegen den Premierleutnant Baum zurückziehen. Das ist das einfachste Mittel.«
»Niemals !« rief Rudolf aus.
Sein Vater sah ihn strafend an. Und der sonst so großmaulige Bursche wurde unter diesem Blick weich wie Wachs. Er wandte sich ab und meinte:
»Meinetwegen.«
»Gut«, sagte Michel, »ich bin einverstanden.«
»Und das Geld?«
»Erhaltet Ihr, wenn Ihr mir meinen Vetter übergebt.«
»Hm, Ihr könnt viel erzählen. Zahlt wenigstens die Hälfte an.«
»Gut. Auch darauf soll es mir nicht ankommen.« Er zog einen Beutel unter dem Überwurf hervor, den er umhatte, und warf ihn auf den Tisch. »Das sind zweitausend.«
Die Augen des alten Grafen funkelten gierig.
»Habt Ihr Euch auch nicht verzählt?«
»Hört, alter Gauner, ich gehöre nicht zu Euerm Schlag. Ich mache ein Geschäft und zahle bar und richtig. Aber wehe Euch, wenn mein Vetter nicht in drei Tagen frei ist.«
»Ihr könnt Euch darauf verlassen. Meint Ihr, ich gebe zweitausend Dukaten so ohne weiteres auf?«
»Eben«, sagte Michel, »der Macht des Geldes vertraue ich, mehr jedenfalls als Euch. — Auf Wiedersehen.«
Er ging rückwärts zur Tür. Bevor er sie öffnete, nahm er noch einmal das Wort:
»Noch etwas, meine Herren: es wird euch ja wohl möglich sein, mir einen Besuch bei Richard zu ermöglichen, nicht wahr?«
»Sicher«, nickte der Alte.
»Gut, dann vereinbaren wir die Zeit für morgen nachmittag um vier Uhr. Ich werde in der Nähe des Arrestlokals sein. Ihr sollt mir eine halbe Stunde Sprechzeit verschaffen.«
»Du hast gehört, Rudolf, was er will. Tue das. Morgen nachmittag um vier Uhr also.«Der Alte trat zu dem Tisch, auf dem der Beutel lag, nahm diesen hoch und schüttelte den Inhalt auf die Tischplatte. Die funkelnden Goldstücke kullerten lustig durcheinander. Ohne Rudolf zu beachten, machte sich der Alte ans Zählen. Später, als er etwa die Hälfte der Geldstücke aufgestapelt hatte, meinte er:
»Eine der schönsten Beschäftigungen, die es gibt.«
Rudolf ließ sich in einen Sessel fallen und starrte vor sich hin. Für ihn gab es keinen Zweifel, daß der Vater sein Gaunerwort einlösen würde. Ihm selbst jedoch stand der Sinn nicht danach.
Haß und Rache brannten in ihm mit unauslöschlicher Glut. Er wollte den Pfeifer treffen, und er mußte ihn treffen. Da fiel ihm die Sprechzeit ein, die Michel Baum für morgen beantragt hatte.
Seine Augen blitzten auf. Aber nur für eine Sekunde; dann nahmen sie ihre frühere Gleichgültigkeit wieder an. Er wollte gern auf die zweitausend restlichen Dukaten verzichten, wenn er Michel Baum die größte Schlappe seines Lebens beibringen konnte. Er erhob sich.
»Gute Nacht, Papa.«
51
Bereits am ersten Verhandlungstag hatte Richard Baum gemerkt, daß ihm das Militärgericht nicht freundlich gesonnen war. Er hatte sich den Kopf zergrübelt, um eine plausible Erklärung für seine Handlungsweise zu finden. Aber es war ihm nichts eingefallen; denn von der Wahrheit durfte er keinen Gebrauch machen. Natürlich hätte er einen anderen Zivilisten erfinden können, der zufällig zu dem schändlichen Handeln Ebersteins hinzugekommen war. Aber dann würde auch die Rolle, die er selbst gespielt hatte, zur Sprache kommen. Er mußte an Rachel denken, an das, was er dem alten Hirschfelder mit der Haussuchung angetan hatte, daran, daß er zumindest dazu beigetragen hatte, den alten Juwelier durch einen Herzschlag ins Jenseits zu befördern. Der Fluch der bösen Tat lastete schwer auf seinem Gewissen.
Richard Baum war nicht schlecht. Nur leichtsinnig. Vor sich selbst entschuldigte er seinen Leichtsinn mit dem Gefühl echter Freundschaft, das er für Rudolf von Eberstein empfunden hatte.
Er erhob sich und ging unruhig in der Zelle auf und ab.
Wenn ihm je ein Mensch gesagt hätte, daß Rudolf von Eberstein so schlecht sei, er hätte es nicht geglaubt und hätte seinen Freund verteidigt. Und doch hatte dieser Kerl ein ganzes Haus von Lügen um sich herum aufgebaut. Er schien sich nicht im geringsten Skrupel darüber zu machen, daß er dem Onkel Andreas die Geschichte vom Tod seines Sohnes aufgebunden hatte. Es gehörte schon ein sehr hartes Herz dazu, einem alten Mann, der erklärlicherweise an dem einzigen Sohn hing, derartiges anzutun.
Richard Baum hielt es für ein so giftiges Bubenstück, daß er es kaum begreifen konnte.
Onkel Andreas war immer gut zu ihm gewesen. Er hatte gesorgt für ihn wie für den eigenen Sohn. Alles, was Richard war, verdankte er dem Oheim. Und nun hatte sein bester Freund, eben diesem Oheim, einen solchen Schmerz zugefügt.
Es war unfaßlich. Unfaßlich war schließlich auch, daß er, Richard Baum, hier in der Zelle saß, und einem Gerichtsurteil entgegenwartete, zu dem die Initiative von Rudolf von Eberstein ausgegangen war.
Der Teufel mochte ihn holen.
Richard fand auch Muße, über das nachzudenken, was der Vetter ihm bei der ersten Begegnung über das Offiziersdasein schlechthin und das Heldentum im besonderen gesagt hatte. Langsam verstand er die Ablehnung des anderen.
So sehr, wie Richard auch an dem Beruf hing, so sehr wünschte er jetzt, fern von allem zu sein.
Und was würde nun werden, wenn er die wahrscheinliche Festungshaft verbüßt hatte? Sollte er sich nach Preußen wenden, um dort, in der Armee des Großen Königs, das Offizierspatent zu erwerben?
So, als ob ihn jemand beobachtete, schüttelte er den Kopf.
Das gütige Gesicht des Onkels schien plötzlich in der Zelle zu sein. — Richard schöpfte neue Hoffnung. Onkel Andreas würde ihm weiterhelfen. Der alte Mann hatte einen Blick für die Dinge, wie sie wirklich waren. Sein weltoffener Verstand würde den richtigen Weg sehen, den der Neffe zu gehen hatte.
52
Michel und Ojo gingen einer sonderbaren Beschäftigung nach. Der Pfeifer hatte eine Feile vor sich auf dem Tisch liegen. In der rechten Hand hielt er einen scharfkantigen Diamanten, mit dem er die Rillen auf der Oberfläche der Feile nachzog.
Indessen war Ojo damit beschäftigt, Schwarzpulver in einen Lederbeutel zu schütten und eine Substanz hinzuzufügen, die bei der Verbrennung starken Rauch entwickelte.