158668.fb2 Treck der Verdammten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 14

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Die Zeit seiner Rache würde kommen!

*

Etwas riß Irene aus der Halbwelt zwischen Traum und Wirklichkeit. Jener Welt, in der man weiß, daß man träumt, und doch noch nicht erwacht.

Es war nur ein leises Geräusch. Aber Irene hatte sich einen leichten Schlaf angewöhnt, seit sie Jamie hatte.

Doch diesmal war es nicht ihr kleiner Sohn. Er schlummerte friedlich, in seine Decken eingemummelt, in dem Kinderbett, daß Jacobs geschickte Zimmermannshände für ihn angefertigt hatten und das sich im Planwagen fest verankern ließ; es wurde fast schon zu klein für Jamie.

Ihr Sohn war in dem Alter, in dem man sich mit jedem Tag veränderte. Vielleicht war es Einbildung, doch Irene fand, er sah seinem Vater immer ähnlicher.

Carl!

Es war beinah zwangsläufig geworden: Wann immer sie an Carl dachte, stellte sie Vergleiche zu Jacob an. Obwohl sie wußte, daß es nichts brachte.

Deshalb war sie fast dankbar für die Ablenkung, die das leise Geräusch ihr brachte, das sie irrtümlich ihrem Sohn zugeschrieben hatte.

Ein schmerzhaftes Stöhnen!

Sie dachte an Jacob, der unter dem Wagen schlief. War etwas mit ihm nicht in Ordnung?

Sie schälte sich eilig aus dem Schlafsack und öffnete mit Fingern, die noch steif von der nächtlichen Kälte waren, die Schnüre, mit deren Hilfe die Segeltuchplane zum Schutz gegen den Nachtwind zusammengebunden war.

Die Sonne hatte sich noch nicht über die Berge erhoben. Nur ihre Vorhut, ein schwacher hellroter Schimmer, sorgte für ein diffuses Licht. Immerhin schon hell genug, daß die Sterne verblaßt waren.

Das Lager lag noch im nächtlichen Frieden. Mit Ausnahme des Stöhnens.

Mit nackten Füßen stieg sie vom Wagen auf den Boden, der noch kalt und hart war.

»Jacob?« fragte sie vorsichtig.

Aber der Platz unter dem Wagen war leer, der Schlafsack zusammengepackt.

Als der erste Schreck verflogen war, erinnerte sie sich, daß John Bradden Jacob und Ebenezer Owen die Morgenwache zugeteilt hatte. Jacob sollte auf die Herde aufpassen und Owen auf das Lager.

Ja, sie entdeckte die Silhouette des bärtigen Mannes, der auf dem natürlichen Schutzwall der Felsbarriere kauerte.

Das Stöhnen schien aus seinem Wagen zu kommen, der vor dem Wagen von Jacob und Irene stand.

Hastig kletterte die junge Deutsche wieder unter die Plane und sah nach ihrem Sohn. Er schlief noch genauso ruhig wie bei ihrem Erwachen. Sie konnte ihn unbesorgt eine Weile allein lassen.

Sie zog sich Schuhe an und streifte ihre dicke Wolljacke über das Nachthemd. Dann verließ sie den Wagen wieder und kletterte in den der Owens.

Ja, das Stöhnen kam von der kranken Frau.

Carol Owens Lager war vollkommen zerwühlt. Unablässig wälzte sich die knochige Frau im fiebrigen Traum von einer Seite auf die andere und stöhnte.

Ein dicker Schweißfilm bedeckte ihr Gesicht. Das durchnäßte Nachthemd klebte wie eine zweite Haut an ihrem Körper.

Während Irene vorsichtig das nasse Hemd über Mrs. Owens Kopf zog, dachte sie an die Missionsstation von Molalla Spring. Es sah so aus, als könnte wirklich nur noch dieser Arzt und Missionar, Simon Mercer, der Frau helfen. Sie mußten dorthin, und das möglichst schnell!

Auch der Armverband war naß, nicht nur von Schweiß. Eiter trat aus der angeschwollenen Wunde.

Irene machte sich Vorwürfe, daß sie die Wunde nicht richtig desinfiziert hatte. Aber anderseits hätte sie kaum mehr Whiskey darüber gießen können. Vielleicht war die Infektion zu diesem Zeitpunkt schon eingetreten. Vielleicht war der Alkohol auch nicht tief genug in die Wunde eingedrungen. Schließlich hatte der Nez-Perce-Pfeil den ganzen Arm durchschlagen.

Sie fand ein sauberes Tuch, tauchte es ins Wasserfaß, reinigte die Wunde durch sorgsames Betupfen und legte einen frischen Verband an. Es war eine schwierige Arbeit, weil Carol Owen sich immer wieder in Krämpfen wand.

Irene wusch die Frau, trocknete sie ab und wollte ihr ein frisches Nachthemd anziehen. Aber sie konnte keins finden.

Als sie die den Wagen nach einem geeigneten Kleidungsstück absuchte, hielt sie plötzlich etwas Seltsames in der Hand - wie seidige Strähnen. Sie zog es zwischen den Kleidern hervor und erschrak.

Schwarze Haare!

Ein Skalp!

Sie dachte an die Nez-Perce-Krieger, deren Skalps an Fred Myers' Wagen gehangen hatten. Sie steckte den Kopf nach draußen und stellte fest, daß die Skalps noch immer dort hingen.

Aber offenbar nicht alle. Anders war es kaum zu erklären, daß sie die Haare im Wagen der Owens gefunden hatte.

Doch Ebenezer Owen hatte sich nicht am Skalpieren beteiligt! Er war die ganze Zeit bei Jacob und Irene gewesen.

Ein Ungewisser, schrecklicher Verdacht suchte Irene heim. Sie kramte tiefer an der Stelle, wo sie den Skalp gefunden hatte.

Ihr Verdacht bestätigte sich. Sie fand dort einen ganzen Haufen getrockneter Skalps. Zusätzlich indianische Arbeiten, Ledertaschen und Stickereien, Kleidungsstücke und Kämme. Ein richtiges Warenlager.

Aber am erschreckendsten waren für sie die vielen Büschel schwarzer Haare!

Mit zitternden Händen streifte Irene der kranken Frau das erstbeste Kleid über und legte eine Wolldecke über sie. Widerwillig nahm sie einen der gefundenen Skalps mit, als sie aus dem Wagen kletterte.

Das Lager war immer noch ruhig.

Irene duckte sich in den Schatten des Owen-Wagens und wartete, bis sie sicher sein konnte, daß Ebenezer Owen dort drüben auf der Felsbarriere in die andere Richtung blickte.

Sie stieß sich ab und rannte zu der Felsbarriere. Als Irene mit den Schatten der Felsen verschmolz, atmete sie auf.

Noch einmal mußte sie vorsichtig sein, als sie durch die Felsen stieg. Dann tauchte sie zwischen ein paar Kiefern ein und lief zu dem mit Büschelgras bewachsenen Hang, auf dem die Reit- und Zugtiere weideten.

Jacob hockte, in eine bunte Wolldecke gehüllt, auf einem Stein und beobachtete scheinbar die Tiere. Aber sein Blick ging durch sie hindurch in weite Ferne. Nach Deutschland?

Ruckartig stand er auf und wirbelte herum. Es klackte metallisch, als er den Hahn des Sharps-Karabiners zurückzog.

»Keine Angst, Jacob!« rief Irene. »Ich bin es nur!«

Er senkte den Karabinerlauf und fragte: »Konntest du auch so schlecht schlafen wie ich?« »Ich komme nicht, weil ich nicht schlafen kann, sondern weil ich dies hier gefunden habe.«

Sie hielt das schwarzen Haarschopf hoch.

Jacob betrachtete ihn mit einigem Ekel und meinte: »Einer der Skalps, die Fred Myers den Nez Perce abgenommen hat. Was ist damit?«