158668.fb2 Treck der Verdammten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 18

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Der zerklüftete, steinige Boden der Schlucht lag etwa dreihundert Fuß unter ihnen. Diesen Sturz konnte niemand überleben.

Aber Jacob lag dort nicht.

Sie entdeckte seinen reglosen Körper auf einem Felsvorsprung, nicht ganz auf halber Höhe.

Über diesem Vorsprung wuchsen einige Sträucher fast waagrecht aus der Wand. Sie mußten Jacobs Fall gebremst haben.

Offenbar bestand die Wand nicht nur aus Gestein, wie es auf den ersten Blick aussah, sondern auch aus Erde. Das war auch der Grund gewesen, weshalb sich der Boden hier oben gelöst hatte.

Irene konnte noch nicht ganz fassen, was geschehen war.

Beim Kampf gegen John Bradden hatte sie mitgefiebert. Jeder Hieb und jeder Tritt, der Jacob getroffen hatte, hatte auch ihr Schmerzen zugefügt. Als Bradden nicht mehr aufstand, war sie so froh gewesen!

Und dann der Revolver in Frazer Braddens Faust, der fehlgehende Schuß und Jacobs Absturz - es war so schrecklich!

Sie riß sich zusammen und schrie Jacobs Namen in die Tiefe, immer und immer wieder. Auch wenn er schwer verletzt war, würde er als Antwort auf ihr Rufen sicher ein Zeichen geben!

Doch er rührte sich nicht. Auch nicht, als sie sich fast die Seele aus dem Leib brüllte.

»Er kann Sie nicht hören, Lady.«

Irene blickte über ihre Schulter und sah Ebenezer Owen.

»Sie haben recht«, nickte sie. »Er liegt viel zu tief, um mich hören zu können.«

»Nein«, widersprach der bärtige Mann. »Daran liegt es nicht. Es ist ziemlich windstill. Er müßte sie hören - wenn er noch am Leben wäre.«

Irene sah wieder hinunter auf den schmalen Felsvorsprung, gerade mal so lang wie ein Mensch und nicht ganz doppelt so breit. Es war ein Wunder, daß Jacob dort gelandet war.

Und er sollte tot sein?

Das konnte, das wollte sie nicht glauben. Der Herr ließ doch nicht solch ein Wunder geschehen, um einen Menschen dann sterben zu lassen!

»Vielleicht ist er auch nur ohnmächtig!« rief sie.

»Yeah, das wäre möglich«, stimmte Owen ihr zu.

»Wir müssen uns abseilen, um nach Jacob zu sehen.«

»Wird wohl das Beste sein«, brummte Owen.

Irene wandte sich an die Umstehenden und rief erregt: »Holt Seile, rasch!«

»Kommt nicht in Frage!«

Der das sagte, war John Bradden. Der vierschrötige Treck-Captain stand auf ziemlich wackligen Knien, bemühte sich aber um einen festen Schritt, als er auf Irene und Owen zu ging.

Sein Gesicht, sein ganzer Kopf sah aus wie ein ungeschütztes Feld nach einem schweren Hagelsturm: Wunden, Blut und Schmutz. Immer neues Blut floß aus den aufgeplatzten Lippen und dem aufgerissenen Mundwinkel. Das linke Auge war fast ganz zugeschwollen. Die Narbe schien noch roter zu leuchten als sonst.

Sein Unterhemd war zerrissen, befleckt von Blut und Dreck. Einer der Hosenträger hatte sich gelöst und baumelte traurig an der Seite herunter.

Obwohl er sich um einen bestimmenden Eindruck bemühte, ganz der Treck-Captain, konnte jeder sehen, wie sehr ihn der Kampf mitgenommen hatte. Das Zittern seiner Hände, das pausenlose Zwinkern des nicht verschwollenen Auges und sein schwankender Gang - als befände er sich auf einem Schiff bei schwerer See - sprachen für sich.

»Hast du eine bessere Idee, um dem Dutch zu helfen, John?« fragte Owen.

»Helfen?«

John Bradden zog die Braue über dem gesunden Auge hoch und stieß ein Lachen aus, das in einem Hustenanfall endete. Er spuckte Blut auf den Boden - und einen Zahn.

»Wir werden dem verfluchten Dutch gar nicht helfen«, keuchte er, als er sich von dem Hustenanfall einigermaßen erholt hatte. Er sprach sehr undeutlich, weil seine Zunge im Mund herumwanderte und vorsichtig die neue Zahnlücke betastete. »Wir sollten froh sein, daß wir ihn los sind. Hat uns genug Arbeit gemacht, der Indianerfreund!«

»Aber, John!« begehrte Owen auf. »Das kannst du nicht machen. Wir können Adler doch nicht da unten verrecken lassen. Ohne Hilfe kommt er niemals aus der Schlucht, weder nach oben noch nach unten. Es sei denn, er springt in den Tod.«

Bei dem letzten Satz zuckte Irene zusammen.

Jamie spürte die Angst und Verzweiflung seiner Mutter; er stieß auf einmal heisere, fast hysterische Schreie aus.

John Bradden trat einen Schritt näher an den abgebröckelten Rand der Schlucht und sah nach unten zu der kleinen Felsplatte, auf der Jacob lag. Obwohl sein Gesicht fast unbewegt blieb, las Irene Befriedigung in seinen Zügen.

»Schätze, der Dutch macht gar nichts mehr«, meinte der Treck-Captain. »Weder einen Sprung in die Tiefe noch überhaupt einen Atemzug. Der sieht so tot aus wie die Nez Perce, die Fred gestern um ihre Haartracht erleichtert hat.«

Vielleicht sollte es ein Scherz sein, aber niemand lachte.

»Das können Sie doch nicht einfach so sagen, Bradden!«, schrie Irene. »Wir müssen uns wenigstens davon überzeugen!«

»Warum?« Bradden blickte sie an, hart und mitleidslos. Er zeigte mit der blutigen Hand in den Abgrund. »Was für einen Grund sollte ich haben, mich um den da zu kümmern?«

»Ich weiß, warum Sie Jacob nicht helfen wollen!« stieß Irene hervor.

»So? Warum nicht?«

»Weil Sie sich dafür rächen wollen, daß er Sie eben im Kampf geschlagen hat!«

»Und wenn es so wäre?«

»Dann haben Sie nichts weiter verdient als Verachtung. Jacob hat gestern sein Leben eingesetzt, um Ihnen und Ihren Leuten gegen die Nez Perce beizustehen. Er hätte es nicht gemußt, er hat es freiwillig getan. Sie aber wollen ihn aus purer Bosheit verrecken lassen!«

»Verdammt, John, die Lady hat recht«, sagte Ebenezer Owen. »Ohne den Dutch wären wir gestern nicht so gut weggekommen. Vielleicht hingen dann unsere Skalps an den Waffen und Schilden der Roten. Mag sein, daß der Dutch unsere Ansichten nicht teilt, aber er ist ein Weißer wie wir. Wir müssen ihm beistehen, wenn auch nur die geringste Möglichkeit dazu besteht!«

Während er sprach, trat Owen auf Bradden zu.

Der Treck-Captain packte den bärtigen Mann mit raschem Griff am Jackenaufschlag und schüttelte ihn durch.

»Verdammt, Ebenezer, wie redest du mit mir?« fauchte der Mann mit der Narbe. »Ich bin der Captain dieses Trecks. Ihr habt mich dazu gewählt. Bis wir den Pazifik erreicht haben, ist mein Wort Gesetz!«

Frazer und Lewis Bradden traten neben ihn. Der Bruder des Treck-Captains hielt einen 44er Kerr-Revolver in der Faust und sein Sohn eine lange Mississippi-Rifle in den Händen. Sie bedrohten Ebenezer Owen nicht offen, aber wie zufällig zeigten die Läufe der Waffen auf seinen Bauch.

Der Narbengesichtige ließ den Bärtigen los.