158668.fb2 Treck der Verdammten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 5

Treck der Verdammten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 5

»Nehmen Sie das Pferd meiner Frau, Mister«, sagte Owen und hielt Jacob die Zügel hin. »Ich komme ganz gut mit einem ungesattelten Tier zurecht.«

Er übertrieb nicht. Owen kam genauso schnell auf den Rücken des Ungesattelten wie Jacob in den Sattel des anderen Pferds. Der bärtige Mann riß sein Tier herum, aber Jacob zögerte noch.

»Nun reite schon!« forderte Irene. »Es eilt.« Sie hielt den Army Colt hoch und fügte hinzu: »Wir passen schon auf uns auf!«

»Ich komme so schnell wie möglich zurück«, seufzte Jacob.

Er fühlte sich nicht wohl, als er den Braunen wendete und Ebenezer Owen folgte. Eine innere Stimme warnte ihn. Aber die Ereignisse waren so hektisch, daß er nicht auf diese Stimme hörte.

Es sollte böse Folgen haben.

*

Der große Schatten wartete ruhig im Unterholz zwischen den Gelbkiefern.

Bewegungslos und stumm.

Nur seine Augen wanderten ständig hin und her, als die beiden Männer davonritten. Sein Blick verfolgte die Männer, nur um dann wieder auf den Frauen und dem Kind zu ruhen.

Was sollte er tun?

Die Männer verfolgen und töten, weil sie gefährlicher waren?

Nein! Wo sie hinritten, warteten seine Brüder auf sie.

Erst würde er sich die Frauen und das Kind vornehmen. Sie konnte er gefahrlos töten. Dann war hier alles erledigt, und er konnte sich in Ruhe um die weißen Männer kümmern.

Früher war es nicht die Art der Kaminu gewesen, Krieg gegen Frauen und Kinder zu führen. Sie hatten überhaupt keinen Krieg führen wollen und sich bemüht, mit den Weißen in Frieden zu leben.

Aber die Bleichgesichter hatten den Frieden gebrochen. Und sie hatten keine Rücksicht genommen auf die Alten, auf die Frauen und auf die Kinder der Kaminu.

Deshalb hatten die Krieger ihren Schwur getan: Blut für Blut!

Kein Weißer, der ihnen begegnete, sollte das überleben. Auch nicht Frauen und Kinder.

Bei dem Gedanken an das, was er und seine Gefährten bei der Rückkehr in ihr Dorf vorgefunden hatten, krampfte sich in dem Kaminu alles zusammen.

Seine Rechte faßte den Schaft der Lanze fester. Es war keine Kriegslanze, sondern ein Jagdlanze mit schwerer Spitze.

Auf der Jagd waren die Krieger gewesen, um nach dem strengen Winter erstes frisches Fleisch heimzubringen. Sie hatten viel Wild erlegt, aber niemanden mehr vorgefunden, mit dem sie es teilen konnten.

Der Appaloosa wurde unruhig, als er spürte, daß die Beine seines Reiters einen stärkeren Druck ausübten. Er scharrte mit den Hufen und schnaubte ungeduldig.

Schnell legte der Krieger eine Hand auf die Nüstern des schönen Pferds, das vom Kopf bis zur Mitte braun und hinten weiß mit kleinen braunen Flecken war. Er flüsterte ihm ein paar beruhigende Worte zu.

Noch war die Zeit zum Angriff nicht gekommen. Die beiden weißen Männer waren noch zu nah.

Er würde warten, aber nicht mehr lange.

In ihm brannten Zorn, Haß und Blutdurst.

*

»Tut es sehr weh?« fragte Irene. Ihr mitleidiger Blick ruhte auf Carol Owen.

Sie vermochte nicht zu sagen, ob die Frau des bärtigen Mannes Anfang Dreißig oder Ende Vierzig war. Hier im Westen alterten die Frauen schnell. Strapazen, Hunger, Kälte, Stürme und die Allgegenwart des Todes verwischten die Unterschiede beizeiten, indem sie die Gesichter der Menschen ausmergelten und tiefe Linien in sie zeichneten.

Mrs. Owen war mittelgroß und von knochigem Körperbau. Ihre Kleidung wirkte ein ganzes Stück zu groß. Wie von einer anderen Frau. Oder so, als hätte die Trägerin in letzter Zeit viel Gewicht verloren.

Die Haube auf ihrem Kopf war nach hinten gerutscht und gab den Blick auf dünnes Haar frei, das einmal tiefschwarz gewesen sein mußte, jetzt aber immer mehr in ein schmutziges Grau überging.

Mrs. Owen nickte und preßte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Durch den scharfen Ritt ist es schlimmer geworden.«

»Kommen Sie mit zum Wagen«, sagte Irene. »Ich will mir Ihre Wunde mal näher ansehen.« In der einen Hand hielt sie Jamie, in der anderen den großen schweren Army Colt.

Achtlos legte sie die schwarze Waffe auf den Fußtritt des Fahrerkastens und kletterte in den Wagen, was ihr auch mit Jamie in den Armen keine Mühe bereitete. In den vergangenen Monaten, während des großen Trecks nach Oregon, hatte sie es oft genug geübt.

Sie verstaute ihren Sohn zwischen dicken Decken, sein provisorisches Bett während der Reise zur Westküste. Sie küßte ihn auf die Stirn, suchte sich ein scharfes Messer aus dem Werkzeugkasten und kehrte nach draußen zurück.

Carol Owen hatte sich auf einen Stein gesetzt, den Rücken gegen ein Wagenrad gelehnt. Sie stöhnte leise. Schweiß perlte auf ihrer Stirn und lief in kleinen Rinnsalen an ihrem Gesicht hinab.

»Ich möchte einen Blick auf die Wunde werfen«, sagte Irene und hielt das Messer hoch. »Darf ich den Ärmel aufschneiden?«

»Nicht nötig.« Die Verwundete wollte den Kopf schütteln, aber es wurde nur eine angedeutete Bewegung daraus. »Der Pfeil muß sowieso raus. Wenn Sie das zuerst machen, bleiben meine Sachen heil.«

»Aber wie?« fragte Irene zweifelnd.

»Sie haben doch sicher einen Hammer dabei.«

Irene nickte.

»Natürlich.«

»Gut.« Mrs. Owen versuchte ein Lächeln, aber heraus kam nur eine Verzerrung ihrer gequälten Züge. »Der Pfeil ist zum Glück ganz durchgegangen. Wäre er auf einen Knochen gestoßen, wäre die Sache nicht so einfach.«

Sie hustete und fuhr dann fort: »Sie müssen den Pfeil hinten abbrechen, aber nicht gleich hinter meinem Arm. Lassen Sie eine knappe Fingerlänge vom Schaft übrig. Den müssen Sie mit dem Hammer treffen, mit einem Schlag, und zwar so, daß der Pfeil vorn rausgeht. Sie müssen kräftig zuschlagen, das ist sehr wichtig! Wenn der Pfeil im Arm stecken bleibt und hinten nicht mehr herausschaut, dann wird es übel.« Sie hob den Kopf und blickte in Irenes Augen. »Trauen Sie sich das zu, junge Lady?«

»Ich muß wohl«, sagte Irene mit heiserer Stimme.

Ihr war nicht wohl dabei. Am liebsten hätte sie auf die Rückkehr von Jacob und Ebenezer Owen gewartet.

Würden sie denn zurückkehren?

Die junge Frau erschrak bei diesem Gedanken und verdrängte ihn schnell. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß Jacob irgendwann nicht mehr für sie und Jamie da sein würde.

Sie stieg wieder in den Wagen, holte den Hammer, festen sauberen Stoff - eine von Jamies Windeln - als Verbandszeug und die Flasche mit Whiskey, die Martin ihnen mitgegeben hatte.

»Man weiß nie, wozu man das Zeug braucht«, hatte er mit einem Grinsen quer über sein heiteres Sommersprossengesicht gesagt. »Es desinfiziert alles, innen wie außen. Und zur Not wärmt es auch, wenn der Regen das Feuer ertränkt.«