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»Wenn wir freiwillig unsre Skalpe hingaben, ja. Der Saulteux kam auf unsre Reservation und schoß auf meine jungen Leute, da wehrten sie sich.«
»Diese Wilden,« erläuterte der junge Offizier dem Grafen, »liegen beständig im Hader mit unsern Huronen. Sie beschuldigten die letzteren, einen ihrer Männer meuchlerisch getötet zu haben, und ich bin abgeschickt, den Fall zu untersuchen. Unterdes haben sie sich selbst Genugtuung zu verschaffen gesucht. Verwünschtes Volk! Wieviel Leute hast du denn verloren, Hayesta?«
»Fünfzehn Krieger der Wyandots gingen in die seligen Jagdgründe.«
»Und die Saulteux werden natürlich auch Haare gelassen haben.«
»Ließen zwanzig fünf Tote liegen.«
»Da haben wir es. Eine blutige Rasse.«
Er ließ sich dann, während der alte Indianer, der erste Häuptling der Huronen, sich mit Sumach besprach, in eine Unterhaltung mit Edgar ein, der ihm offen die Absicht mitteilte, welche ihn hierhergeführt hatte.
»Hoffentlich bleibt Ihr Eingreifen in den Kampf verborgen; den Saulteux bekannt, würde es Ihrem Zwecke nicht nur hinderlich sein, sondern Ihnen auch Gefahren bringen, wenn Sie sich auf das Gebiet dieses Volkes wagen. Ich gebe Ihnen den Rat, sich schleunigst von den Huronen zu trennen und Ihre Marschroute etwas zu ändern. Es ist nicht unmöglich, daß die Befürchtung, für diesen Friedensbruch, wenn auch nur durch Entziehung ihrer Rationen, bestraft zu werden und die hier erhaltene Schlappe die Saulteux etwas gefügiger gemacht haben und sie Ihnen deshalb leichter Gehör geben.«
Es ward nun beschlossen, den Weitermarsch unverzüglich, trotz der Abwesenheit Athorees, unter Führung Johnsons anzutreten, und sich soweit als möglich von den Huronen zu entfernen.
Sumach erklärte, bei ihrem Volke bleiben zu wollen, und flüsterte dem Grafen, als er lebewohl sagte, zu: »Geh nur, Gutherz, Athoree schon kommen, Gutherz nicht verlassen.«
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Sie verabschiedeten sich von dem jungen Staatenoffizier und von dem alten Huro-nen, der dem Grafen mit Wärme versicherte, daß er stets bei den Wyandots willkommen sei, und drangen wieder in den Wald ein.
Nach einem anstrengenden Marsche über Felsen und Berge hinweg, während das Land um sie wilder und bergiger wurde, lagerten sie am Abend an der Seite eines Felsens, welcher sie vor dem rauhen Wind schützte, der in der Höhe, welche sie bereits erreicht hatten, schon empfindlich kalt war.
Kaum hatten sie Feuer angezündet, als zu aller Freude Athoree unter den Bäumen hervortrat und sich so ruhig, als ob er sie eben verlassen hätte, an ihrer Seite niederließ.
Nach gemessener Pause sagte der Graf: »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Häuptling, schon fürchtete ich, du seiest in deine glücklichen Jagdgründe gegangen.«
»Die Saulteux heulen vor Angst, wenn ein Krieger der Wyandots den Schlachtruf erhebt. Drei der Hunde fielen unter meinen Streichen.«
»Mein Freund Athoree ist ein großer Krieger, ein Held seines Volkes, die Wyandots werden sein Lob singen.«
Ernst entgegnete der Indianer: »Manitou hat mich über das Wasser gesandt, die Wyandots werden ihres befiederten Pfeiles gedenken. - Sumach zurückgeblieben? Gut. Alte Frau hier nichts nützen.«
»So schätzenswert Johnsons Walderfahrung ist, so würden wir doch ohne dich, Athoree, kaum hier Erfolge erzielen. Nur eines fürchte ich, daß du als Hurone hier in die Hand deiner Feinde fallen wirst.«
»Saulteux blind wie neugeborene Hunde. Athoree nicht sehen, nur ihn fühlen. Du sehen, wie Saulteux laufen, er laufen noch.«
»Ich würde es zeitlebens bedauern, wenn dich hier infolge deiner Anhänglichkeit an mich ein Unglück träfe.«
»Was für Unglück? Sterben als Krieger? Müssen alle sterben. Wyandots jetzt das Totenlied für Athoree singen. Das gut.«
»Welche Schritte werden wir nun zunächst tun müssen? Hältst du es für ratsam, daß ich in das Dorf der Saulteux gehe, ihnen Geschenke anbiete und offen mit ihnen verhandle?«
»Morgen sagen. Athoree erst sehen. Kennen hier jeden Schritt, als junger Krieger hier oftmals auf Skalp lauern. Mehr als einmal ganzer Stamm hinter mir her. Athoree nicht fangen.«
»Um so besser, wenn du diese wilde Gegend kennst.«
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»Ihm kennen gut genug, so gut als Saulteux.«
Sie verbrachten die Nacht unter dem Schutze des Felsens.
Mit Tagesanbruch erhoben sie sich und schritten unter Athorees Führung immer höher in die Felsenwildnis hinein.
Düstere Nadelhölzer umgaben sie auf allen Höhen. An Abgründen vorbei über schäumende Gießbäche ging der Weg, oftmals gefährlich genug, einmal rettete nur Johnsons Riesenkraft den Iren vor einem jähen Absturz.
In tiefster Einsamkeit lagen diese Felsenschlünde da, in deren verschlungenem Labyrinthe sich Athoree mit wunderbarer Sicherheit zurecht fand.
Es war eine Gegend von wilder, großartiger Schönheit, durch welche sie ihr verstohlener Pfad führte, aber von jener Schönheit, welche schaudernde Bewunderung abnötigt.
Jetzt begriff der Graf, wie schwierig es war, die Saulteux in ihrem eigenen Lande zu bekriegen.
Still war es hier oben zwischen den zerrissenen Felsen, nur der heisere Schrei eines Adlers, der sich von seinem Horst erhob, aufgescheucht durch den seine Einsamkeit störenden Menschenfuß, unterbrach hie und da das feierliche Schweigen dieser rauhen Wildnis.
Die Sonne stand fast im Zenith, als Athoree vor einer Felsenöffnung Halt machte.
Ein schmaler Pfad hatte sie zu dieser emporgeführt. Vor derselben befand sich ein tiefer Abgrund, aus dem das Rauschen eines Wildbaches empordrang.
Der tiefe Felsenspalt war durch einen Baumstamm überbrückt; drüben mußte der Weg abwärts führen, da sie jenseits einen entfernten, bewaldeten Höhenzug erblickten.
Neben der dunklen Felsöffnung erhoben sich junge Tannen und Birken und verdeckten sie fast zur Hälfte. Auch drüben auf der Felswand, zu welcher der Baumstamm leitete, zeigte sich junges Holz, über das hinwegeilend das Auge auf düsterem Nadelwald ausruhte, während der Blick nicht ins Tal zu dringen vermochte.
Rechts und links erhoben sich starre Felsmassen, deren Gipfel von Wald gekrönt war, wie in gleicher Weise die Wand, in welcher sich die Oeffnung befand. Athoree schritt über den dicken Baum hin und legte sich jenseits in den Büschen nieder.
Nach einigen Minuten kehrte er zurück und forderte die Männer auf, in den Felsen zu treten, dessen Oeffnung sie zu einer geräumigen Höhle führte. [407]
Auch hier zeigten Feuerstätten an, daß sie öfters besucht wurde.
Der Raum war groß und dunkel in seinem rückwärts liegenden Teile.
Athoree blickte aufmerksam um sich und ging dann nach dem Innern der Höhle zu und verschwand dort hinter einem Vorsprung.
Als er zurückkehrte, forderte er den Grafen und Johnson auf, ihm zu folgen.
Er führte sie in einen engen Gang, welcher nach oben auslief.
Gebückt konnte ein Mensch, wenn auch mit Schwierigkeit, darin gehen.
Bald erblickten sie durch eine Spalte Tageslicht.
Der Indianer deutete darauf hin und sagte zu Johnson: »Toter Mann sehr stark, er gehen und sehen, ob dort Felsblock fortschieben. Saulteux legen ihn davor.«
Johnson bewegte sich darauf zu und bemerkte, näher gekommen, daß die Oeff-nung, welche gerade groß genug war, einen Menschen durchzulassen, von zwei schweren Felsstücken verschlossen war.