158681.fb2 Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 130

Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 130

Sehr erfreut war sie, als Willy in seiner indianischen Tracht, die sie selbst gefertigt hatte, soviel Beifall fand und geliebkost wurde. [478]

Dann verfiel sie inmitten der Gesellschaft wieder in ernstes Nachdenken.

In solch wechselvollen Aeußerungen verriet sich die Tätigkeit dieses in Unordnung gebrachten Geistes.

Edgar hatte beschlossen, einige Tage im Fort zu bleiben, damit für die Toilette seiner Schwester gesorgt werde und auch Wilhelm passende Kleidung erhalten konnte.

Unter Aufsicht der Damen und der Mitwirkung einiger Unteroffiziersfrauen wurden eilig Kleider und Wäsche gefertigt, und der Militärschneider machte für Willy einen blauen Anzug, wie er ihn gewünscht hatte.

Für die Huronen kaufte Edgar aus den Vorräten reiche Geschenke ein, wie sie diesen Leuten die wertvollsten dünkten, und schwer beladen zogen seine indianischen Begleiter, denen er auch das Pferd als Saumtier geschenkt hatte, unter großen Dankesbezeigungen zu ihren Wigwams zurück.

Athoree, der große Zuneigung zu Edgar gewonnen hatte, blieb im Fort bis zur Abreise.

Johnson hatte sich Haar und Bart schneiden lassen und sah trotz deren schneeiger Farbe nun bedeutend jünger aus.

Sein bisher so ruhiges, von einzelnen Momenten abgesehen, fast apathisches Benehmen war einer bemerkbaren Energie gewichen, welche sich in Gang, Haltung und seinen Worten kundgab.

Die beiden Wilsons benutzten das erste Boot, welches hinunter fuhr, um sich nach Traverse City zu begeben, die Trauerbotschaft vom Tode des Vaters dorthin zu bringen und sich dann in die Wälder aufzumachen, um dessen sterbliche Ueberreste der Erde zu übergeben.

Den unermüdlichen Weller trieb es auch fort, und am Tage nach ihrer Ankunft verabschiedete er sich von dem Grafen.

Die beiden Männer gingen im Hofe des Forts auf und ab.

»Habe Euch lieb gewonnen, Fremder, seid ein Mann, wie wir sie hier gern haben, ist ein Fakt. Hätte nicht leicht einer von jenseits des Wassers das ausgeführt, was Ihr hier getan habt, kalkuliere, hätte es nicht. Ist der liebe Gott Euch gnädig gewesen, habt die Schwester gefunden, müßt dankbar dafür sein.«

»Das bin ich auch. Wäre nicht die schwere Erkrankung vorhanden, so dürfte man mich den glücklichsten der Menschen nennen.«

»Habe die Lady beobachtet, Sir, ist da vor ein paar Jahren durch einen furchtbaren Ruck die Maschine in Unordnung geraten, kalkuliere, kann ein andrer starker Anstoß alles wieder ins Gleiche [479] bringen. Scheint nichts entzwei zu sein, was nicht wieder repariert werden könnte, ist alles da, fungiert nur falsch. Kommt mir die Lady vor wie jemand, der sich an eine ihm einst bekannte Melodie nicht erinnern kann - er sinnt und sinnt, und quält sich und kann sie nicht finden - bis sie ihm mit einemmal und ganz unerwartet einfällt. Kalkuliere, ist so mit Eurer Schwester.«

»Ihr seid ein scharfer Beobachter, und ich glaube, Ihr habt recht. Sie ist doch bereits eine wesentlich andre als zu der Zeit, wo wir die Arme fanden.«

»Was gedenkt Ihr denn nun vorzunehmen, Fremder?«

»Ich gehe nach meiner Heimat zurück und hoffe, daß in der zärtlichsten Pflege dort -«

»Ist ganz falsch, Fremder,« unterbrach ihn Weller in seiner derben Manier, »findet Eure Schwester drüben nur Fäden, die schon zu lange abgerissen sind, um sich leicht wieder verknüpfen zu lassen. Müßt die Lady in eine Umgebung bringen, in welcher sie lebte, ehe das Unglück über sie hereinbrach, wird sich da am ehesten zurechtfinden.«

»Ihr mögt da ganz recht haben,« entgegnete der Graf, den die scharfsinnigen Bemerkungen des schlichten Mannes in Erstaunen setzten.

»Kalkuliere, habe es. Will Euch sagen, Fremder, was ich zunächst tun würde an Eurer Stelle. Ginge mit der Schwester an den Muskegon zu Joe Baring. Findet niemand auf der Welt, die Eure Schwester mit größerer Liebe aufnehmen, als Joe und sein altes Weib. Ist ein Fakt. Läßt sich, denke ich, dort leichter die Vergangenheit mit der Zukunft verknüpfen.«

»Ja, Konstabel,« sagte Edgar, der mit lebhafter Freude diese Idee aufgriff, »das ist wahr. Daran habe ich nicht gedacht. Ihr habt ganz recht, ganz recht. Dort findet sich vielleicht die Brücke, über welche der Weg aus dem Dunkel ins Licht führt.«

»Würde so tun, schaden kann es nicht.«

»Es soll geschehen, mein nächster Weg führt zu Baring. Kommt Ihr in die Gegend?«

»Gehe an den Muskegon.«

»Wollt Ihr mir einen Brief an Baring mitnehmen?«

»Gebt ihn mir, soll an seine Adresse gelangen.«

Als Weller ihm nun die Hand zum Abschied reichte, sagte der Graf: »Mister Weller, Sie haben dem Fremden Wohlwollen erzeigt und aufrichtige Teilnahme erwiesen -«

»Nicht der Rede wert, Sir.«

»Ich werde es nie vergessen. Wollen Sie mich noch mehr [474] verpflichten, so geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen einen Wunsch zu erfüllen. Ich bin reich - und -«

»Will Euch sagen, Fremder, habe genug für mich - ist das auch reich - aber, na, wenn Ihr mir eine Freude machen wollt - hm - na, wenn Ihr das Ding, Euer Fernrohr, nicht mehr braucht, ist ein vorzügliches Glas, würde es gern haben.«

»Aber mit Freuden, Mister Weller, mit Freuden - nehmt mehr -«

»Gerade genug,« entgegnete trocken der Konstabel, »wird mich an Euch erinnern. Ist ein Fakt.«

Am Mittage segelte der so biedere als energische Beamte davon. -

Die Damen waren eifrig mit den Arbeiten beschäftigt, und die Kommandantin zeigte eine Feinfühligkeit und einen Takt im Verkehr mit Luisen, die bewundernswert waren.

Mit Freuden konnte Edgar bemerken, daß immer mehr und mehr Erinnerungen an Entlegenes aus dieser Geistesnacht emportauchten, aber stets, unter bemerkbarer Erschütterung aller seelischen Kräfte, vor der Katastrophe, welche der Umnachtung dieses Geistes vorherging, Halt machten. Eine instinktive Scheu vor dem Berühren des Furchtbaren, dem Gespenste der Vergangenheit, schien hier hindernd zu walten.

Heinrich beschäftigte sich viel in diesen Tagen mit Wilhelm, er ging mit ihm in die Wälder, lehrte ihn zu dessen großer Freude die Büchse handhaben und erzählte ihm vom fernen Vaterlande, vom Großvater und vom großen Kriege der Deutschen gegen die Franzosen.

Der kleine Wilde begann sich rasch an die Zivilisation zu gewöhnen und seine indianische Haut abzustreifen.

So war der Tag der Abreise gekommen. Es war beschlossen, in einem Kutter nach Traverse City hinüberzusegeln, dort den nächsten nach Süden gehenden Dampfer zu besteigen, am White-River zu landen und von da den Weg nach dem Muskegon zu nehmen.

Alle die Personen, welche solch große Fährlichkeiten mit ihm geteilt hatten, standen dem Herzen des Grafen nahe, und nicht zum wenigsten der ernste, bescheidene Johnson.

Noch vor ihrer Abreise suchte ihn Edgar auf.

»Was haben Sie, mein werter Freund, über Ihre Zukunft beschlossen?«

»In meinem Inneren, Herr Graf, kreuzen sich wirr Gedanken und Gefühle. Sie kennen das große Unglück meines Lebens. - Es [481] hatte mich zermalmend getroffen, so schwer, daß selbst die Empfindungsfähigkeit gemindert war und ich unter dem Druck der Erinnerung mehr vegetierte als lebte. Die letzten Wochen haben mich zu neuem Leben erweckt, die Lethargie ist abgeschüttelt, ich fühle wieder Kraft und Mut zu handeln.«

»Das freut mich von Herzen.«

»Ich werde die Gräber meiner Lieben aufsuchen und nach meinem Eigentum sehen, ob ich gleich fürchte, nichts mehr davon zu finden, selbst das Land des Verschollenen wird der Fiskus genommen haben.« »Recht, Johnson, beginnen Sie ein neues Leben voll Tatkraft und Energie, und die Zeit, die alles lindert, wird auch das tiefe Leid Ihres Herzens minder schmerzlich machen. Bedürfen Sie Geld zum Ankauf einer Farm, es steht Ihnen zu Gebote.«

»Will es mit Dank annehmen, Herr, wenn mein Eigentum verloren ist; soll redlich jeder Cent zurückgezahlt werden.«

»Reden Sie nicht davon, das findet sich mit der Zeit.«

»Kann am Kalamazoo nicht bleiben, ist die Erinnerung eine zu traurige. Will nur beten am Grabe meines Weibes und meiner Kinder und Ihnen dann an den Muskegon folgen, höre, soll gutes Land dort sein.«

»Und gute Menschen, unter denen Sie sich wohl fühlen werden.«

So war auch dies geordnet.