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»Nun, mein guter Bursche aus Leitrim, wo bleibt denn dein irischer Humor?«
»Wo soll ich denn Humor herhaben, jetzt, wo ich von Euer Gnaden fort muß?« entgegnete Michael.
»Die Trennung tut dir also leid?«
»Das fragen Euer Gnaden noch? Ich habe in Euer Gnaden Gesellschaft mich mit Bären und Wilden herumgeschlagen, und wir haben redlich zusammen gefochten und sind durch die Wälder gewandert trotz aller Marterpfähle, und Euer Gnaden sind ein Herr nach meinem Herzen, und da soll es mir nicht leid tun, zu scheiden?«
»Was denkst du denn nun zu beginnen, Michael?«
»Nun, meiner Mutter Sohn wird arbeiten.«
»Sehnst du dich nicht nach deiner Heimat zurück?«
»Nach Leitrim?« und Michaels Augen strahlten in der Erinnerung an die Heimat, »ja, da ist es doch am schönsten auf der Welt.« Er liebte seine arme, reizlose Heimat von ganzem Herzen. [482]
»Aber,« fuhr er traurig fort, »'s geht nicht, wir sind zu viele dort, die Bursche müssen in die Welt, um ihr Brot zu verdienen.«
»Nun sag mir einmal, Michael, was würde dich auf der Welt am glücklichsten machen?«
»Ach, Euer Gnaden, wenn ich so manchmal sitze und Luftschlösser baue, da denke ich, 's wär' am herrlichsten auf der Welt, wenn ich in Leitrim ein Häuschen, ein Stück Land, eine Kuh und ein paar Schweine hätte, dann heiratete ich die Jane Crickletigg, wenn sie jetzt noch zu haben ist, sie hatte immer ein Auge auf mich, und dann tauschte ich mit keinem großen Lord.«
»Und was könnte ein solches Heimwesen kosten, Michael?«
»Ja, Euer Gnaden, das kostet viel Geld, das wird der arme Michael O'Donnel wohl nie zusammenbringen - das kann so siebzig bis achtzig Pfund kosten.«
»Nun, Michael, ich will dir das Geld geben und dich so zum >glücklichsten der Menschen< machen.«
Der Irländer starrte ihn an mit einem so grenzenlosen Erstaunen, daß der Graf herzlich lachen mußte.
»Das ist - - das wäre,« stotterte Michael, der ganz blaß geworden war, »das - o, Gott - Gott - heiliger Michael - das ist doch nur Spaß von Euer Gnaden?«
»Nein, mein guter Michael, es ist mein Ernst, du hast dich meinethalben selbst den Gefahren des Marterpfahles ausgesetzt, ich bin dir Revanche schuldig. Du fährst mit mir zurück nach Southampton, und ich gebe dir das Geld, damit du Grundbesitzer werden kannst. Hoffentlich harrt Jane Crickletigg deiner noch.«
Das stürmte so gewaltig auf den guten Jungen aus Leitrim ein, daß er immer noch keine Worte für seine Gefühle fand.
»Dann wäre ich ja - Euer Gnaden - dann wäre ich ja - mit einemmal ein reicher Mann.«
»Gut, wenn du dich dafür hältst.«
»Und es ist wahr, wirklich wahr, Euer Gnaden?«
»Willst du es bezweifeln?«
»Nein! Nein!« schrie jetzt Michael, wie besessen umhertanzend, lachte, weinte und stieß dann seinen irischen Jubelruf mit einer Lungenkraft aus, daß das Haus erbebte.
»Ruhig! Willst du wohl ruhig sein!«
»'s geht nicht, Euer Gnaden, 's geht nicht, ich muß schreien, sonst ersticke ich.« Und er stürmte hinaus und füllte das Fort mit seinem Jubel, so daß die ganze Garnison zusammenlief. [483]
Für Athoree hatte der Graf zwei schöne Büchsen, Messer, Pulver und wollene Decken angekauft, für Sumach Schmucksachen, bunte Tücher, Zeuge aller Art, und außerdem die Anordnung getroffen, daß dem Huronen durch Vermittlung des jeweiligen Befehlshabers des Forts eine lebenslängliche Rente von einhundertzwanzig Dollar ausgezahlt würde, wodurch er bei seinen einfachen Bedürfnissen zu einem reichen Manne unter seinem Volke wurde.
Am Abend kam Athoree, um sich zu verabschieden.
Edgar sah in das braune, ernste Gesicht des ärmlichen Sohnes dieser Wälder, dessen große Eigenschaften er schätzen gelernt hatte, und ergriff dann nicht ohne Bewegung seine Hand.
»Mein wilder, tapferer Häuptling, du hast dich in der Gefahr als echter Freund bewährt, als ein Freund, der selbst das Leben hinzugeben bereit war. Ich habe in dir die Leute deiner Rasse achten gelernt. Der Ozean wird bald zwischen uns rauschen, Athoree, aber er hat nicht Wasser genug, um die Erinnerung an dich und die aufrichtigste Dankbarkeit für deinen Beistand auf schwierigen Pfaden aus meinem Herzen fortzuspülen. Der große tapfere Häuptling der Wyandots wird fortleben im Gedächtnis seines Freundes.«
»Gut,« erklang die tiefe Stimme des Indianers, »Athoree und Sumach werden des weißen Kriegers gedenken. Athoree danken. Du ihn und Sumach, alte Mutter, reich machen, dafür danken; du Gutherz. Roter Mann seine Art, weißer Mann seine Art. Wenn Herz gut und Zunge gerade, kommen auf Farbe nicht an, Manitou sehen durch die Haut. Du gutes Herz, armer Wyandot auch. Alles verschieden - Herzen gleich.«
»Ja, du hast recht - auf dem Gebiete des rein Menschlichen begegnen wir uns, und ich bin stolz darauf, einen Freund von solch edlem, heldenhaftem Fühlen in dir zu besitzen.«
So schieden sie, der Sohn der Wildnis von dem deutschen Grafen.
Am andern Morgen führte sie der gemietete Kutter nach Traverse City und der Dampfer von dort nach der Mündung des White-River.
Der Graf begab sich mit seinen Lieben, Heinrich und Michael ans Land, während Johnson zum Kalamazoo weiter dampfte.
Es wurden Pferde erworben, für den überglücklichen Wilhelm ein Pony, und sie traten die Fahrt zum Muskegon an, nicht ohne [484] daß Edgar vorher einen Eilboten mit einem Brief an Baring abgefertigt hatte, in welchem diesem eingeschärft wurde, Luisen gegenüber die Vergangenheit nicht zu berühren, sie vielmehr zu empfangen, als ob sie gestern von ihnen geschieden sei.
In sonnigem Wetter legten sie den Weg durch die Wälder zurück und langten am Abend des zweiten Tages am Muskegon, in der Nähe von Barings Farm, an.
Dessen Name war vor Luisens Ohren absichtlich nicht erwähnt worden, und der Graf wurde, je näher sie kamen, um so aufgeregter, denn niemand konnte voraussehen, was für Folgen für Luise die Begegnung haben würde.
Als sie um die Waldecke ritten, zeigte sich Barings Behausung ihren Blicken, und im leichten Trabe ritten sie darauf zu.
Der früher schon geschilderte Zustand Luisens: freundliche Teilnahme an den gewöhnlichen Vorgängen des Lebens, oftmals unterbrochen von düsterem Sinnen und innerer lebhafter Erregung, hatte sich seit dem Aufenthalte in Traverse und der Dampfbootfahrt noch gesteigert, das Versinken in ein Nachdenken, welches ihr offenbar Pein bereitete, trat häufiger ein. Im Augenblick ritt sie ruhig mit glücklichem Gesicht neben Wilhelm einher.
Sie kamen der Farm näher. Waren sie bemerkt worden? Was würde kommen? Wird Baring Takt genug besitzen, alles der Kranken Anstößige zu vermeiden?
Sie kamen an den Eingang, der durch die Fenz den Weg zum Hause öffnete.
Da stand ein Mann in Weste und Hemdärmeln, den Rücken ihnen zugekehrt, und wenn der Graf sich nicht täuschte, wischte er sich die Augen.
»Hallo!« rief Edgar.
Der Mann wandte sich um, es war Baring, der eben seine Tränen abgetrocknet hatte, die ihm in die Augen getreten waren, als er die Erwarteten heranreiten sah. Aber er spielte seine Rolle wacker! »Hallo!« rief er zurück. »Segne meine Augen, Lady Walther! Hallo! Altes Weib, Lizzy, Hetty - heraus - Lady Walther kommt.«
Das war ganz der Empfang, an den Luise gewöhnt war, wenn sie früher bei Baring anritt, selbst der Mann in Hemdärmeln stand dann gewöhnlich da.
Aus dem Hause kamen Mistreß Baring und ihre Töchter, und alle liefen mit Baring auf Luise zu.
Angstvoll hatte Edgar deren Züge beobachtet.
Als die Stimme Barings zu ihr drang, zuckte sie wie von einem elektrischen Schlag getroffen zusammen, ihr Auge erweiterte sich, sie zitterte, in ihren Zügen drückte sich die lebhafteste Ueberraschung aus.
»Hallo!« schrie Baring, dem die Tränen nahe genug waren, der sie aber männlich bemeisterte, seine Rolle mit Hingebung weiterspielend. »Ist recht, Lady Walther, daß Ihr Euch sehen laßt. Seid willkommen bei Joe Baring. Ist ein Fakt. Gott segne Eure Seele.«