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Der Graf verließ ihn und ging wieder zu Heinrich.
Athoree, war es Zufall oder hatte er etwas von der Unterredung des Grafen mit dem Iren erhascht, blieb jetzt ebenfalls stehen und erwartete Michaels Herankommen.
Der kluge Indianer hatte sehr bald bemerkt, daß er dem Manne aus Leitrim unsympathisch war, aber dies nicht beachtet, und da er das gutmütige, ehrliche Wesen des Burschen nicht verkannte, ihm [110] den Widerwillen, den er gegen ihn zu haben schien, nicht nachgetragen. Bis jetzt hatte er aber auf den langen Märschen und abends an dem Lagerfeuer noch nicht einmal das Wort an ihn gerichtet.
Michael war höchst erstaunt und gar nicht angenehm berührt, als Athoree, nachdem er zu ihm gelangt war, ihn erst mit seinen dunklen Augen anstarrte und dann ruhig neben ihm herging. Er brummte auf Gälisch in sich hinein: »Hol dich der Teufel, brauner Bursche, was willst du hier neben meiner Mutter Sohn?«
Noch größer ward die Ueberraschung Michaels, als ihn der Indianer jetzt, zum erstenmal seit ihrem Zusammensein, anredete.
»Warum trägt, Rothaar,« es war nicht zu leugnen, Michael erfreute sich eines ungewöhnlich starken, blondrötlichen Haarwuchses, der unter seiner wollenen Mütze in wirren Locken hervorquoll, »keine Waffen?«
»Rothaar? Rothaar? Wen meinst du denn damit?«
»Ihn meinen.«
»So? Na,« brummte Michael, »hättest du mir das wo anders gesagt, so sauste jetzt mein Shilallah[Shillalah] auf deinen Schädel, daß dir Hören und Sehen vergehen sollte. Was so ein Kerl einem für Namen gibt? Rothaar?«
Der Indianer wiederholte ruhig seine Frage.
»Waffen? Waffen? Was sagst du denn hierzu, Indianer?« und er zeigte seinen gewichtigen zugespitzten Stock aus ebenso zähem als festem Holze. »Damit fertige ich ein Dutzend von deiner Art ab.«
Ueber des Indianers Angesicht zog ein kaum bemerkbares Lächeln.
»Büchse trägt weiter als dicker Stock, he?«
»So gescheit bin ich auch, um das zu wissen.«
»Puff, kleines Loch in Brust und der Irisch tot.«
»Nu, nun hör auf mit solchen Geschichten, unheimlicher Kerl,« brummte er dazwischen, »wer soll denn hier schießen, es sind doch hier keine Räuber und Mörder?«
»Gutherz tragen Flinte, andrer Mann, Athoree tragen Flinte, warum du keine Flinte?«
»Ach, ich versteh' mit dem Schießeisen nicht umzugehen, ich habe in meinem Leben noch keine Büchse abgefeuert. Nein, Indianer, im gesegneten Erin machen wir die Sache ehrlich mit dem Shilallah[Shillalah] ab.«
»Flinte gut, kommen jetzt zu wildem Indianer, nicht wissen, ob nicht fechten müssen.«
»So? Fechten? Das ist mir schon recht, aber es muß dann [111] regelrecht hergehen,« und er schwang den gewichtigen Stock mit einer Leichtigkeit ums Haupt, die auf außerordentliche Körperkraft schließen ließ.
»Fechten? Mit der braunen Bande? Na, da haben wir es ja. Ich habe es Seiner Gnaden gesagt, daß hier nicht zu trauen ist. Na, wehren werde ich mich,« sagte der Ire, dem es weder an Mut, noch an Kampfeslust fehlte.
»Rothaar müssen Flinte tragen.«
»Ich will dir einmal etwas sagen, Indianer, wenn wir gute Freunde bleiben sollen. Der Herr Graf sagt ja, du wärst ein ganz reputierlicher Kerl trotz deiner verwünschten Hautfarbe, also wenn wir gute Freunde bleiben sollen, dann nennst du mich Michael, wie ich getauft bin, der heilige Michael ist mein Schutzpatron. Verstehst du?«
»Warum nicht nennen Rothaar? Guter Name, he?«
»Ich sage dir, laß es gut sein, Rotfell,« brummte Michaels der anfing ärgerlich zu werden, mürrisch.
»Nicht verstehen.« Er deutete auf sich: »Roter Mann du sagen, ich sage Rothaar -Rothaar schön.«
»Nun, ja, schlecht ist es ja nicht, es tragen's bei mir zu Hause ziemlich viele,« sagte der Irländer, der sich doch geschmeichelt fühlte, daß der Indianer seine Haarfarbe schön fand.
»Warum Rothaar nicht Flinte tragen?« fuhr der hartnäckige Indianer fort.
»Bei St. Patrick, ich habe es ja schon gesagt, ich kann nicht schießen.«
»Womit dann Skalp verteidigen, wenn Feinde kommen, wollen nehmen Skalp?«
»Was ist das? Was wollen sie nehmen? Skalp? Meinen Skalp?«
»Wenn roter Mann Krieg, er schießen Feind tot, puff, gehen zu ihm, fassen Skalplocke so,« er fuhr mit der einen Hand nach seinem Kopfe und faßte einen Büschel seines schwarzen, lang herunterhängenden Haares, während er mit der andern sein Messer zog, »und schälen Kopfhaut ab,« hierbei fuhr er mit der messerbewehrten
Hand ums Haupt, »so - das Skalpnehmen.« Dies und der grimmige Gesichtsausdruck des Indianers erschreckten den guten Michael sehr.
»Jässus? Was meinst du, Indianer? Willst du damit sagen, daß sie einem hier die Haut vom Kopfe abziehen?«
»Das gerade so - jeder Krieger nehmen Skalp.«
»Na, da bin ich in eine schöne Gegend gekommen.« [112]
»Aber erst schießen tot,« sagte beruhigend der Indianer, »erst tot, dann Skalp.«
»Darin kann ich nicht viel Tröstliches finden,« brummte Michael.
»Manchmal auch nehmen Skalp, wenn noch leben.«
»Heiliger Michael, schütze uns,« sagte der Ire und fuhr unwillkürlich mit der Hand nach seinem Haupte, »das ist ja schauderhaft. Gott bewahre jeden Christenmenschen davor.« Dann murmelte er in sich hinein: »Ich werde jetzt den Grafen nicht sitzen lassen, aber ich wollte, ich wäre zu Hause geblieben, schon dieses unheimlichen Kerls wegen mit seinem Skalpnehmen.«
»Darum du tragen Büchse,« sagte der Indianer, »und retten Skalp.«
»Rette du nur deinen,« brummte wieder Michael, »vor meinem Shilallah[Shillalah], der dir gelegentlich darauf sausen könnte.«
Der Graf blieb mit Heinrich vorn stehen, zog sein kleines Fernglas und lugte nach dem Walde. Mit einigen Sprüngen war der Indianer, als er dies bemerkte, bei ihm. »Was ist das dort am Walde, da wo die Tanne ragt, Athoree?«
Er wollte dem Indianer ein Glas reichen, aber dessen Falkenaugen hatten schon erkannt, was dem Grafen selbst durch das Glas nicht genügend deutlich wurde, und sagte mit einem leisen Ausrufe: »Bären!«
»Alle Wetter, ja. Wahrhaftig, jetzt erkenne ich sie auch. Bären, Heinrich!«
»O, Herr Graf,« sagte dieser und riß die Büchse von der Schulter, während ihm die Jagdlust aus den Augen blitzte.
Sie hatten zwar auf ihrer Fahrt vom Manistee herauf wiederholt Bären gesehen, die sich aber beim Anblick von Menschen stets so hastig entfernten, daß ein Anpirschen nicht möglich gewesen war.
»Was meinst du, wollen wir einen Gang mit Meister Braun machen?«
»Mit tausend Freuden, Herr Graf, einen Bären habe ich doch noch nicht geschossen.«