158681.fb2 Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 30

Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 30

»Deine Meinung über Athoree hat nun wohl eine Umwandlung erfahren, Michael, nicht wahr?«

»'s ist ein urbraver Kerl, Euer Gnaden, und wenn er einmal einen Schädel entzwei geschlagen haben will, so will ich's für ihn besorgen, so wahr ich meines Vaters Sohn bin.«

Der Graf ergötzte sich höchlich über seines Irländers Jagdabenteuer sowohl, als seine Aeußerungen.

Da die Sonne sich zum Untergang neigte, nahmen sie außer der Haut und den Pranken einiges Fleisch des Bären mit und begaben sich nach dem nahe gelegenen Walde, an dessen Rande, wie der Indianer vermutet hatte, ein Bächlein floß.

An seinem Ufer ließen sie sich nieder, zündeten Feuer an und bald schmorte das Bärenfleisch am Spieße und kochte Wasser in dem

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Blechkessel, um den im Walde so unentbehrlichen und wohltuenden Kaffee zu bereiten.

Nachdem dann die Begierde nach Speise und Trank gestillt war, zogen Heinrich und der Indianer ihre Pfeifen, und aus der am Feuer behaglich hingestreckten Gruppe erhob sich bald der Duft des Virginiakrautes.

Das Maultier war seiner Last entledigt und an langer Leine angepflockt, um weiden zu können.

Ein eigener Reiz von Poesie liegt über solch nächtlichem Lager im Urwald. Ringsum die schweigende Wildnis, oben der glänzende Sternenhimmel, die nächste Umgebung von dem lodernden Feuer malerisch beleuchtet, es ist herrlich, in lauer Sommernacht so im Walde zu ruhen, und wohl begreift sich's, daß es Menschen gibt, welche ein beschwerliches aber ungebundenes Leben im Walde dem in den Ansiedlungen oder Städten vorziehen.

Das Feuer knisterte und dann und wann rauschte der leichte Wind in den Bäumen; sonst regte sich nichts weit und breit.

Graf Edgar war in Nachdenken versunken. Er dachte der fernen Heimat, dachte der nächsten Zukunft, die ihm hoffentlich Gewißheit über das Schicksal seiner Schwester bringen würde, und dazwischen tauchte das Bild von Frances Schuyler in seinem Herzen auf und leise erklangen die Töne von Orpheus' Klage vor seinem inneren Ohr.

Heinrich rauchte nachdenklich dieselbe kurze Pfeife, welcher er im deutschen Walde Dampfwolken entlockt hatte. Auch er dachte wohl der Heimat. Der Indianer sprach überhaupt wenig, und nur Michael schien das Bedürfnis zu fühlen, eine Unterhaltung anzuknüpfen, doch traute er sich nicht in des Grafen Gegenwart das allgemeine Schweigen zu stören.

Nach einiger Zeit nahm jedoch der Graf das Wort, indem er zu dem Jäger in deutscher Sprache sagte: »Welch ein Friede, welch feierliche Stille liegt über diesen endlosen Wäldern, Heinrich.«

»Ja, Herr Graf, sie stimmen das Herz zur Andacht; oft wenn ich im schweigenden Hochwalde weile, habe ich das Gefühl, als ob ich in der Kirche wäre.«

»Mit Recht, Heinrich, er ist der Tempel der Natur und der Geist des Ewigen flüstert in den Zweigen. Wohl begreife ich es, daß unsre Vorfahren ihre Götter in heiligen Hainen anbeteten. Kein Werk von Menschenhand ist zu vergleichen mit dieser erhabenen lebendigen Wölbung.«

Eine Weile herrschte wieder Schweigen. Michael hatte aufmerksam [119] den ihm unverständlichen Lauten gelauscht, während der Indianer teilnahmlos mit seinem gewöhnlichen, ruhigen Gesichtsausdruck seine Pfeife rauchte.

»Sagen Sie mir, Herr Graf, haben denn diese Wilden hier auch eine Religion, oder sind es bereits Christen?« Endlich hatte Michael, dem das Schweigen sehr lästig war, den Mut gefunden, es zu brechen.

»Soviel ich gelesen habe, besitzen sie religiöse Vorstellungen, sind auch wohl heutzutage, wenigstens die in den Reservationen, zum größeren Teile getauft. Wir wollen übrigens doch einmal Athoree fragen.« Er wandte sich an diesen mit den Worten: »Bekennt sich Athoree zu dem Glauben an den Gott der weißen Männer?«

Der Indianer wandte langsam das Auge auf den Grafen und sagte: »Als Athoree jung war, kam oft Bruder Missionar und sprach vom Gotte der Weißen, hören ihm zu, er guter Mann, aber nicht alles glauben, was er sagen. Er, weißer Mann, lieben seinen Gott, roter Mann andern Gott, lieben ihn auch; weißer Mann gehen in sein Himmel, Indianer in glückliche Jagdgründe. Das gut für Indianer, gut für Weißen.«

»Aber du glaubst doch an einen Gott?«

»Sehr wohl,« entgegnete der Indianer. »Glauben an großen Geist, er guter Geist, geben armen Indianer alles, Sieg über seine Feinde, Skalpe, Wild, Waffen, gutes Weib, Freunde, gute Kinder, er geben alles. Böser Geist, Degschuhvenoh, bringen alles Schlechte, Hunger, Not, Schnee und Eis - Krieger verliert Skalp, wenn böser Geist es haben will, dann nimmer kommen in glückliche Jagdgründe.«

»Aber du glaubst an eine Fortdauer nach dem Tode?«

»Schon sagen,« fuhr Athoree ernst fort, »guter Indianer gehen in glückliche Jagdgründe, er dort nie Not, viel Wild, gute Freunde, nicht Schmerz, nur Freude. Nur rote Männer dort, Streitaxt begraben, kein weißer Mann.«

»Und die Bösen?«

»Er gehen dahin, wo ewig Eis und Schnee, zum bösen Geist, er nie in glückliche Jagdgründe.«

»Auch dann, wenn er sonst auch brav ist, wenn er nur seinen Skalp verloren hat? nicht wahr?«

»Nie können Indianer ohne Skalp in glückliche Jagdgründe gehen - nie. Er bleiben in eisiger Nacht.«

»So ist mir schon erzählt worden. Doch, Athoree, willst du [120] uns nicht sagen, wie der große Geist diese Erde und den roten Mann geschaffen hat?«

Leise und nicht ohne Feierlichkeit begann der Wyandot: »Der große Geist einst vor vielen, vielen Sommern, schaffen die Erde mit dem Hauche seines Mundes, machen das große Licht, das kleine Licht und die Sterne. Setzen die Erde auf den Rücken der großen Schildkröte, daß sie sie trage vom Morgen nach Abend. Er schaffen Bäume, Gras, lassen Sonne scheinen und Regenwolke kommen. Geben viel Wild in den Wald. Dann er nehmen rote Erde, formen daraus roten Mann, lehren ihn Bogen machen und Pfeil, das Wild erlegen, Feuer anzünden und sich Kleider fertigen aus der Haut des Wildes. Alles Gute er geben, schützen Indianer auch vor bösem Geist, der unaufhörlich lauert, wo er dem roten Mann Leid zufügen kann,« setzte er noch leiser hinzu. »Indianer leben, jagen, kämpfen, sterben und gehen dann zu Manitou, der ihn geschaffen, er guter Geist, er ihm lieben.«

Während der Indianer so sprach, leise und eindringlich, hier auf dem Boden, dem er entsprossen, er, der Sohn einer fremden Rasse, unter dem leisen Rauschen des Urwaldes, dessen Tiefen wohl selten ein Menschenfuß betreten hatte, beschlich den Grafen ein eigenes Gefühl. Vor ihm saß der Repräsentant eines dem Untergang unwiderruflich geweihten Volkes, dessen Väter viele Geschlechter hindurch hier einherge-wandelt waren, und aus dem braunen ausdrucksvollen Gesichte des Indianers sprach zu ihm das herbe Schicksal eines der Vernichtung entgegeneilenden Stammes.

Es überkam ihn unwillkürlich ein Gefühl der Trauer darüber, daß ein nicht unbegabtes Geschlecht, wenn seine Entwickelung zur höheren Zivilisation auch noch so langsam sich vollzog, verschwinden mußte, ehe es auch nur eine Blüte treiben konnte.

Der Indianer schwieg und schaute vor sich nieder, ebenso der Graf.

Diese Gelegenheit aber benutzte Michael, um wiederum das Wort zu ergreifen und sich über einen Punkt zu vergewissern, welcher ihm einiges Bedenken verursachte.

»Euer Gnaden werden erlauben, die Frage an Euer Gnaden zu richten, ob es wahr ist, wie der rote Mann hier sagt, daß seinesgleichen den Menschen die Haut vom Kopfe abziehen.«

»Ja, Michael, das ist Gebrauch bei den roten Kriegern.«

»Das ist aber eine ganz grausame Art und Weise, seine Gegner zu behandeln, Euer Gnaden. Einem den Schädel einschlagen, nun, das ist eine ganz regelrechte Sache, und geht manchmal nicht anders, [121] aber so einem das Fell über die Ohren ziehen, das ist doch ganz unschicklich und unchristlich.«

»Die Kopfhaut des Feindes ist das höchste Siegeszeichen des indianischen Kriegers, nicht so, Athoree?«

Dieser nickte.

»Na, weißt du, mein roter Freund, schön ist das aber nicht, und ich hoffe, das nicht an dir zu erleben. Du hast dich heute zwar brav gegen mich benommen, das muß ich gestehen, aber solche Menschenschinderei könnte mich veranlassen, dir die junge Freundschaft zu kündigen. Du hast doch nicht schon etwa menschliche Kopfhäute abgezogen?«

Ein Ausdruck wilden Triumphes flog über des Indianers dunkle Züge, der aber gleich darauf einem Ausdruck der Trauer Platz machte.

»Athoree wird keine Skalpe mehr nehmen,« sagte er langsam.

»Na, das freut mich, es ist sonst eine unheimliche Sache, mit dir umzugehen. So ein richtiger Christ scheinst du auch nicht zu sein, wenn ich auch nicht alles verstanden habe, was du vorhin Seiner Gnaden auskramtest. Gehst du denn auch hie und da einmal in die Kirche?«

Der Indianer hob den Arm und deutete auf die grüne Wölbung über sich, durch welche die ewigen Sterne herniederblitzten, deutete auf die uralten Bäume, welche sich ringsum erhoben: »Dies Kirche für roten Mann, hier er beten zu Manitou.«

»Na ja, das ist ja ganz gut, aber so ein bißchen ordentliche Religion muß doch sein; was du da vorhin erzählt hast, das schmeckt doch ein wenig nach Aberglauben.«

»Ich glaube, Michael,« sagte der Graf, »mir beten alle zu demselben großen guten Geiste, jeder auf seine Weise.«

»Nun, Euer Gnaden werden das ja schon verstehen, obgleich der Athoree bei uns in Irland mit seiner Religion nicht weit kommen würde. Pater Anselmus würde ihm schon so lange einheizen, bis er einen regelrechten Glauben hätte, wie sich's auch schickt.«

»Was beginnen wir mit den Fellen der Bären?« fragte der Graf, um dieses nun genug behandelte Thema abzubrechen.

»Frisches Fell sehr schwer, wird Maultier nicht tragen können, wenn überhaupt tragen, ehe es ganz trocken.«

»Es wäre doch zu bedauern, wenn wir diese schönen Siegeszeichen zurücklassen müßten.«