158681.fb2 Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 37

Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 37

Selbst die wilde Jugend des Dorfes, welche oftmals den nahe gelegenen Wald von ihrem Geheule widerhallen ließ, war heute verstummt, und bewegte sich in ehrfurchtsvoller Stille im weiten Umkreise des Dorfes oder barg sich in den Wigwams, mitunter neugierig durch deren Spalten lugend.

Es war klar, im Hauptdorfe der Ottawas bereitete sich etwas Besonderes vor.

Peschewa hatte man seit Tagen nicht gesehen, er hatte seine Blockhütte nicht verlassen, und nur die angesehensten Häupter hatten Zutritt zu ihm während dieser Tage gehabt.

Ueber dem Ganzen lag eine Stimmung, welche gerade wegen

[144] ihrer Ruhe und der ernsten Gehaltenheit im Benehmen aller etwas Unheimliches hatte.

Die Sonne hatte den Zenith schon weit überschritten, als zwei neue Gäste anlangten, welche die Aufmerksamkeit der zerstreuten Gruppen erregten. In beschmutzten und zerrissenen Kleidern erschienen Morris und Tyron an den ersten Hütten des Dorfes und schritten ungehindert auf dessen Mitte und das dort lodernde Feuer los, an welchem die Gäste bewillkommnet wurden. Morris trug eine Soldatenflinte in der Hand. In einigen der Gruppen, an welchen die wüst und verkommen aussehenden Gestalten vorüberschritten, flüsterte man: »Die rote Hand.« Als die beiden an dem großen Feuer angelangt waren, wo einige Morris bekannte Ottawahäuptlinge weilten, rief er einem derselben zu: »Ah, Kitate, ich freue mich, dein ehrliches Spitzbubenantlitz zu sehen. Wie befindet sich mein Freund Peschewa?«

Mit keineswegs freundlichem Gesicht entgegnete der Angeredete: »Was führt die rote Hand zu den Wigwams der Ottawas?«

»Das Bedürfnis, meine alten lieben Freunde zu sehen. Gib mir deine tapfere Rechte.« Dabei streckte er die seinige dem Indianer entgegen.

Dieser war durchaus nicht bereit, sie zu nehmen.

»Wie? Alter Freund, heißest du mich nicht willkommen, mich, der so manche Flasche Rum für dich bezahlt hat?«

»Denke, Peschewa, Rothand sagen, er nicht mehr zu Ottawa kommen.«

»Das ist ganz richtig, aber das kam dem ehrlichen Peschewa durchaus nicht aus dem Herzen; du weißt so gut als ich, daß die verd- Schurken in Lansing mich von hier vertrieben haben. Sie hassen mich, diese Hunde, wie sie euch hassen. Wo ist denn der große Häuptling der Ottawas?«

»Peschewa in sein Wigwam.«

»So? Nun, so will ich Seiner Hoheit doch sogleich meine Aufwartung machen.« Er wandte sich nach der Blockhütte Peschewas zu, die er von seinem früheren Aufenthalt her recht gut kannte, als der Indianer vor ihn trat und ihm zurückwinkte.

»Was bedeutet das, Kitate?«

»Peschewa nicht sprechen.«

»Das ist stark. Meinen alten lieben Freund Peschewa, die Perle aller roten Leute, nicht sprechen! Ja, wozu bin ich denn hierher gekommen, als um seine ehrliche Hand zu schütteln.« [145]

»Denke, du gekommen weil Sheriff auf deiner Fährte, du bergen gern dein Haupt vor ihm in den Wigwams der Ottawas.«

Morris lachte gezwungen. »Unsinn, alter Bursche, ich stehe mit dem Sheriff und allen weißen Leuten auf dem besten Fuße, sie lieben mich außerordentlich. Aber ich habe schon unten am Muskegon ein Vöglein pfeifen hören, es könnte sich am Ende ereignen, daß man hier zwei gute Büchsen, wie die meine und die meines Freundes, brauchen könnte. Was sagst du dazu, Kitate?«

Der Ottawahäuptling, dessen Auge alle Aeußerlichkeiten der beiden bereits prüfend überflogen hatte, entgegnete trocken: »Zwei Büchsen? Sehe - nur Flinte von Langmesser hier - eine.«

»Ja, denke dir, wir sind von Raubgesindel angehalten worden da am Chippeway-see, haben uns alles abgenommen, waren in eine Falle gegangen. Kommen todmüde und halbverhungert hier an. Wollt Ihr mir, einem alten Freunde, in dieser Lage Gastfreundschaft verweigern?«

Der Indianer hatte aus dem Zustande, in welchem Morris und Tyron vor ihm standen, bereits seine Schlüsse gezogen. Er sagte jetzt: »Kitate wird zu Peschewa sprechen, ihm sagen, die rote Hand sei da.«

Damit ging er zu des Oberhauptes Hütte.

Morris und Tyron sahen sich an.

»Der Empfang war ja recht erbaulich, Bill, was meinst du?«

»Kalkuliere, sind sehr erfreut uns zu sehen.«

»Nun vielleicht geruhen Seine rothäutige Majestät uns nach geschehener Anmeldung zu empfangen. Uebrigens, Bill, ich müßte mich schlecht auf Indianer verstehen oder hier wird etwas Absonderliches vorbereitet. Der Iltis hat doch ganz recht gehabt, als er erzählte, die Bursche steckten die Köpfe zusammen. Wenn uns der rote Spitzbube übrigens ein Haus weiter schickt, so hoffe ich, daß er uns wenigstens Gewehre und Munition geben wird. Wir müssen dann sehen, wie wir uns durch die Wirrsale dieser Welt möglichst glimpflich durchschlagen.«

»Wäre alles schon gut,« knurrte Tyron, »wenn ich nur etwas zu essen hätte, ich bin krank vor Hunger.«

Und er warf einen sehnsuchtsvollen Blick nach dem Feuer, wo Stücke Hirschfleisches schmorten.

In kurzer Frist erschien Kitate, der Otter, wieder und sagte: »Die rote Hand und sein Freund können an den Feuern der Ottawas bleiben. Am Abend wird entschieden werden, ob sie weiter gehen müssen.« [146]

»Und will mich Freund Peschewa nicht sprechen?«

»Ihn jetzt nicht sprechen. Am Abend sprechen.«

Er wies auf das nahe Feuer, wo ein altes Weib beschäftigt war, den Bratspieß zu drehen; einige Krieger lagen daneben ausgestreckt.

Morris ließ sich nicht lange nötigen, er und sein Genosse setzten sich an der bezeichneten Stelle nieder. »Gebt ein wenig Raum, Freunde,« sagte er zu den dort liegenden Indianern, zog ungeniert sein Messer und schnitt sich ein gehöriges Stück Fleisch ab. Ein gleiches tat Tyron. Ihre indianischen Nachbarn erhoben sich schweigend und setzten sich an ein andres Feuer.

Ingrimmig aber leise stieß Morris einen Fluch aus, als das geschah, doch ließ er sich nicht in Befriedigung seines Heißhungers stören. Mit gleich wölfischer Gier schlang Tyron die Fleischstücke hinunter.

Endlich mußten sie nun doch ihre Mahlzeit schließen und Morris sagte mit einem Ausdruck tiefer Befriedigung: »Ha, das traf sich gut, es schmeckt doch nicht besser, als wenn man gefastet hat wie wir. Verd- sei der uniformierte Schuft, der uns seine Musketenkugeln um die Ohren sausen ließ. Wenn er mir im Walde begegnet, soll er es bereuen, zwei ehrenwerte Bürger so behandelt zu haben. Haha! Tyron,« lachte er roh auf, »schickt er uns noch den Esel von Pottawatomie nach - der wie ein hungriger Wolf auf der Fährte herlief. Muß meine Kugel ordentlich gesessen haben, daß der Bursche seine Jagd einstellte.«

»War 'ne unangenehme Geschichte da am See - meine Büchse zum Teufel. Ohne Büchse in den Wäldern komme ich mir vor wie ein Fisch auf dem Trockenen! Habe die Notion, wird dem Herrn Offizier auch nicht gut ergehen, wenn er Bill Tyron schußgerecht in den Weg kommt.«

»Bin neugierig genug zu erfahren, was die roten Halunken vorhaben. Ich sehe Pottawatomie hier und sogar Saulteux. Die werden doch nicht etwa Onkel Sam über den Haufen rennen wollen? Wenn ich nur erst den braven Peschewa gesprochen hätte. Der Mann ist für allerlei kleine Pläne zugänglich.«

»Seine Freundschaft für dich scheint doch nicht allzugroß zu sein.«

»Ja, bei großen Herren ist man nie sicher, wie man aufgenommen wird, wenn man nach längerer Zeit wiederkommt und zwar wie wir mit leerer Hand.«

»Möchte doch wissen, was aus Burton und dem Iltis geworden [147] ist,« äußerte Tyron nach einer Weile, »war eine ganz verteufelte Idee der beiden, sich noch Süden zu wenden statt mit uns nach Norden zu gehen.«

»Kalkuliere, Burton fühlt sich nicht wohl in der Wildnis, ist ein Gentleman, eignet sich mehr für die Stadt. Kommt nur zu uns, wenn es ihm dort zu heiß wird. Versteht mehr wie wir, Bill, kann dir Kartenkunststücke machen, daß einem die Augen übergehen. Ist auch ein saures Leben im Walde. Kalkuliere, tut recht der Burton, in die Städte zu gehen, ist ein gewandter Mann. Freilich ist er dem Strick dort viel näher als hier - aber - ist ein gewandter Mann. Habe es eigentlich satt, Bill. Wenn ich auf irgend eine Weise ein paar Tausend Dollar ergattern könnte, ging ich nach dem Westen und würde ein solider ruhiger Bürger.«

»Würden bald zu Ende sein, die paar Tausend Dollar.«

»Denke nicht, habe große Lust ein anständiger Kerl zu werden, bin der ewigen Hetzerei müde. Wie jagten die Hunde am Muskegon hinter uns her? Fehlt nicht viel, waren wir am Ende. Wenn ich der schuftigen Rothaut noch einmal begegne - dann - aber haha - 's war doch ein Hauptspaß, als das Feuer ihnen im Nacken brannte. Gloriose Idee vom Iltis. Möchte wohl wissen, ob sie entkommen sind, oder ihre Knochen in der Prairie gelassen haben. Haha! Gaben die Schufte Fersengeld. Tröstete mich einigermaßen für die schönen Pferde. Hoffe, die Hunde sind Staub und Asche geworden.«

Tyron schloß sich diesem so christlichen Wunsche an.

»Bin nicht ohne Besorgnis, Bill,« äußerte er nach einiger Zeit, »weiß nicht, was hier vorgeht, was der Peschewa vorhat. Helfen uns die roten Hunde nicht, ist die Sache schlimm. Müssen dann auf etwas andres sinnen, was uns heraushilft. Indessen warten wir zunächst die Sache ruhig ab, bin schon in schlimmeren Lagen gewesen.«

Die Zahl der von allen Seiten eintreffenden Indianer hatte sich noch gemehrt, und obgleich alle dieselbe ruhige Haltung beobachteten wie bisher, richtete sich doch manch fragender Blick auf die Hütte Peschewas.

Drei langgezogene Muscheltöne, die weit umher die Wälder wiederhallen machten, ließen sich jetzt von der Behausung des Häuptlings her hören. Hierauf erhoben sich die, welche lagerten, und alle zogen sich in einem weiten Umkreis zurück, den Platz in der Mitte des Dorfes vollständig freigebend. Auch Morris und Tyron hielten es für geraten, sich möglichst weit vom Mittelpunkte zu entfernen. Weiber und Kinder verschwanden gänzlich. Zwei Jünglinge richteten von vorbereiteten Scheiten einen Holzstoß inmitten des ausgedehnten Kreises auf und entfernten sich dann wieder. Aus Peschewas Hütte trat Kitate hervor, einen Feuerbrand in der Hand tragend, mit welchem er, leise und eintönig singend, den Holzstoß anzündete.

Als die Flamme des trockenen Holzes hoch aufschlug, winkte er mit der Hand und rief: »Das große Ratsfeuer der Chippeways brennt!«

Aus den in weiter Runde umherstehenden Männern traten die vierzig angesehensten Häuptlinge hervor und umgaben in kleinerem Kreise das Feuer.