158681.fb2 Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 56

Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 56

»Aber was ist hier geschehen? Die Türe offen und das Schweigen des Todes über dieser Stätte?«

Ringsum lagen die Leichen der Soldaten zerstreut, aber die tiefe Dunkelheit, verstärkt durch aufgezogene Wolken, verbarg den schaudervollen Anblick und hüllte die Toten in den Schleier der Nacht.

Heinrich kam vom Wall zurück und stolperte über einen in seinem Weg liegenden Gegenstand, er bückte sich, um nach dem Hindernisse in seinem Weg zu sehen, und fuhr zurück, als er zwei Soldatenleichen vor sich sah.

»Hier liegen Tote, Herr Graf.«

Edgar und Johnson traten näher.

»Was ist hier geschehen?« fragte der Graf, von dem Anblick erschüttert.

»Das Fort ist überfallen, ich fürchte, wir werden noch mehr zu sehen bekommen.«

»Sind wir hier vor einem Uebelfall gesichert, Johnson?«

Dieser, der durch seine öfteren Besuche das Fort gut kannte, entgegnete: »Es befindet sich noch eine Pforte am See.« Und rasch schritt er dorthin, der Graf und Heinrich folgten ihm. Sie fanden schon Athoree dort, welcher rasch und vorsichtig den Wall umschritten hatte.

»Tür offen, kommen Ottawas hier herein.«

Trotz des schwachen Lichtes nahmen sie doch die Leichen wahr, welche in wilder Zerstreuung dort übereinander lagen. Auf dem Wasser sahen sie die Boote des Forts und die Kanoes der Indianer schimmern.

»Kommen im Kanoe,« sagte der Indianer, auf die dunklen Punkte im Wasser deutend.

»Wir müssen die Bucht und die Türe verschließen.« Und Johnson begab sich auf der schmalen von Pallisaden eingefaßten Plattform nach dem See zu. Hier war, und Johnson wußte das, ein Verschluß angebracht, welcher den kleinen Hafen von dem See trennte. Dieser Verschluß bestand in einem schwimmenden dicken Balken, dessen obere Seite mit starken und hohen Eisenstacheln versehen war. Als am Morgen dem Kanoe zu landen gestattet wurde, war er geöffnet [224] worden und seitdem nicht wieder verschlossen. Johnson gelang es trotz der Dunkelheit, den Balken in die Lage zu bringen, wo er den Hafen und die darin liegenden Boote sicherte. Er fügte ihn in die dafür bestimmten eisernen Krampen, und da an diesen noch das Schloß hing, bediente er sich desselben, den Balken vollständig fest zu legen.

Während dies geschah, hatte sich Athoree vorn auf die Plattform gekauert und die Mündung seiner Büchse, welche er wieder geladen hatte, auf das Wasser gerichtet.

Vor der Tür standen Edgar und Heinrich.

Ein leises, kaum vernehmbares Geräusch, ein Plätschern kam vom Wasser her. Ein roter Feuerstrahl brach aus Athorees Büchse, beleuchtete für einen Augenblick die grausige Scene und die Ufer hallten den Donner seines Schusses wider. Ein Gurgeln im Wasser, dann das Geräusch, welches entsteht, wenn kräftige Arme das Wasser schwimmend teilen.

Kaltblütig erhob sich Athoree: »Er wollen Kanoe holen. Nicht kriegen, er nicht wieder kommen.«

»Gehen wir zurück, die Boote liegen jetzt sicher, wenn wir die Tür befestigen, können wir ruhig den Morgen erwarten.«

»Sind die Wälle und Pallisaden nicht zu ersteigen?«

»Ohne lange Leitern nicht, Sir, solche haben die Wilden nicht, und außerdem greifen sie in der Nacht sehr selten an, die Morgendämmerung ist die gefährliche Zeit.«

Sie traten in das Innere des Forts und Johnson verschloß sorgfältig die Tür. »Ich glaube, wir dürfen uns hier hinreichend geschützt halten. Zu nehmen ist das Fort kaum, wenn es auch nur von wenigen Leuten verteidigt wird. Die Wilden haben es, Gott mag wissen durch welche List, am hellen Tage überrumpelt.«

»Ich möchte etwas Licht machen, Johnson.«

»Tun Sie das ruhig, wir sind hier keiner Kugel ausgesetzt.«

Der Graf nahm sein Feuerzeug aus der Tasche und zündete einen kleinen Wachsstock an.

Grausig war der Anblick, der sich ihnen im kleinen Umkreis bei dem Lichte der Kerze darbot. Fünf, sechs Tote lagen um sie her und deutlich war die gräßliche Verstümmelung der Köpfe zu bemerken.

»Das ist furchtbar,« sagte der Graf, und auch Heinrich, der wie sein Herr an den Anblick gefallener Soldaten gewöhnt war, schauderte vor diesem Anblick leicht zusammen.

Sumach hatte sich ruhig niedergesetzt und sah mit gleichgültigen Blicken vor sich hin. Nicht so Michael, der, als er die skalpierten Leichen erblickte, einen Schrei des Entsetzens ausstieß: »O, blutige Schurken! Das ist ja gräßlich, Euer Gnaden.«

»Ja, das ist es,« sagte traurig der Graf.

»Zwei habe ich heimgeschickt,« murmelte ingrimmig der Ire und faßte seinen Stock fester, »sie sollen nur kommen, ich will das bißchen Kopfhaut schon verteidigen.«

Der Graf leuchtete weiter umher, überall stieß das Auge auf gefallene Krieger.

Er blies das Licht aus. »Der Anblick ist nicht zu ertragen.«

»Erbarmungslose Tiger haben hier gehaust. Was sage ich? Die Tiere des Waldes sind milde gegen diese mitleidslosen Hunde, wenn ihre Leidenschaften entfacht sind. Der Engel der Barmherzigkeit muß sein Angesicht verhüllt haben. Das ist ein trauriger Ort, Herr.«

»Wir müssen alles untersuchen, Johnson, vielleicht ist noch einem oder dem andern Hilfe zu bringen.«

»Er alle tot, ganz tot,« sagte trocken Athoree, »Indianerkrieger lassen Feind nicht leben.«

»Eine entsetzliche, schaudervolle Weise der Kriegführung. Ich habe es für unmöglich gehalten, daß der Mensch, selbst der Wilde, zu solcher Bestialität herabsinken könne. Sie haben recht, Johnson, das ist ein trauriger Ort. Beklagenswerte Besatzung!«

»Wir müssen den Morgen abwarten, um das Elend ganz überschauen zu können, und uns für die Nacht so gut als möglich einzurichten suchen.«

Indem er so sprach, fiel sein Auge auf die schwach erkennbare Rauchsäule, welche friedlich aus dem Schornstein des dort im Winkel des Forts sich erhebenden kleinen Blockhauses gen Himmel stieg.

Johnson wies daraufhin: »Und doch ist noch Leben hier inmitten des Todes. Lassen Sie uns nachforschen.«

Sie gingen zu dem Häuschen hin. Deutlich bemerkten sie jetzt, daß durch die Spalten eines verrammelten Fensters schwacher Lichtschein fiel.

Johnson pochte an die Türe. »Ist jemand hier?«

Keine Antwort erfolgte.

Er pochte stärker: »Ist jemand hier, so sage er es und öffne, hier stehen Christenmenschen.«

Man hörte einen leichten Schritt, und eine schwache Stimme fragte: »Wer ist da?«

»Ich bin's, Johnson, der Weißhaarige, Frau. Die Wilden sind fort. Oeffnet, das Fort ist jetzt sicher.«

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Es verging eine Weile. Dann rasselten Riegel und Schlüssel und die Tür ging auf.

»Seid ihr Christenmenschen, so werdet ihr uns nichts zuleide tun.« »Nein, Frau, nein, wir sind Freunde, beruhigt Euch.«

Die Frau ließ sie ein, und sie traten in ein kleines Gemach, in welchem auf einem Tische eine Lampe brannte. Die Möbel standen wild durcheinander. Schränke und Tische waren vor die Fenster geschoben. Dort auf dem Bett lag ein alter Soldat, der schwer atmete.

»Um Gottes willen, was ist hier vorgegangen?«

»Ich weiß es nicht, Herr,« sagte die bleiche Frau fast tonlos. »Der Wilde war plötzlich da, ich habe meinen todwunden Mann hereingezogen, und sitze nun bei ihm und warte auf seine und meine letzte Stunde. Gott wird gnädig sein.«