158681.fb2 Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 58

Verwehte Spuren. Eine Erz?hlung f?r die reifere Jugend. - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 58

Der Sohn Sumachs war in weitem Bogen mit größter Vorsicht, einer am Boden sich windenden Schlange gleich, nach dem Maultier hingekrochen. Er kannte den Beutel, in welchem die Patronen verwahrt wurden, und wußte, wo er zu finden war.

Schon berührte er den Kadaver des Tieres, als er auf dessen andrer Seite ein leises Geräusch vernahm. Er zog das Messer und horchte. Dann tastete er nach dem Packen, in welchem die Patronen stecken mußten, aber der war vollständig ausgeraubt. Johnson hatte recht gehabt, daß die Ottawas sich die Gelegenheit, das Maultier im Schutze der Dunkelheit seiner Last zu entledigen, nicht entgehen lassen würden. Die Packen waren leer.

Wiederum hörte Athoree das Geräusch auf der andern Seite des Tieres. Vorsichtig hob er das Haupt und sah vor sich die funkelnden Augen eines Ottawa. Nicht mit der Wimper zuckte Athoree bei dem Anblick.

»Was suchst du?« fragte sein Gegenüber ruhig.

Obgleich der Wyandot im stande war, sich mit einem Ottawa zu verständigen, denn er sprach den Dialekt der Saulteux, eines andern Zweiges des Chippewayvolkes, so begnügte er sich doch, leise etwas Unverständliches zu murmeln.

»Hier ist ein Beutel,« klang die Stimme des Ottawas, »meine jungen Männer haben ihn übersehen, trage ihn zu den Häuptlingen.«

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»Gut,« murmelte Athoree.

Er nahm den ihm gereichten Beutel; - er enthielt zu seiner Freude die Patronen, -und hob sich langsam empor. Kaum war er auf den Knieen, als seine linke Hand mit einem blitzschnellen Griff des Ottawa Kehle faßte und seine Rechte ihm gleichzeitig das Messer durch den Hals zog. Dumpf röchelnd sank der Indianer um, als Atho-rees Hand seinen Hals losließ. Eilig kroch Athoree dann dem Fort zu. Nicht zwanzig Schritt von diesem entfernt berührte sein Ohr das leise Stöhnen, welches bis zum Wall hinaufgedrungen war.

Athoree hielt einen Augenblick inne, horchte nach allen Richtungen hin und versuchte mit dem scharfen Auge das Dunkel zu durchdringen. Wiederum vernahm er die Schmerzenslaute. Unhörbar bewegte sich Athoree nach dem Geräusch hin. Da seufzte es deutlich neben ihm. Während er das Messer in der Rechten zum Stoß bereit hielt, tastete seine Linke vorsichtig umher. Er berührte einen Rock und Metallknöpfe. Er hob das Haupt aus dem Grafe und sah deutlich vor sich einen Soldaten liegen, der augenscheinlich verwundet und in Ohnmacht gefallen war. Seiner Lage nach schien es, als ob er den Versuch gemacht habe, das Tor zu erreichen und hierbei niedergesunken sei. Der ebenso kluge als entschlossene Indianer kroch hierauf nach den das Tor deckenden Pallisaden und schob den Patronenbeutel hinter diese. Dann zischte er leise. Vom Wall herab erwiderte Johnson den Laut.

»Hört der tote Mann?«

»Ja,« klang es kaum vernehmbar zurück.

»Hier verwundeter Soldat, ihn holen, wenn Athoree rufen, Feuer geben. He?«

»Gut, habe verstanden.«

Sumachs Sohn kroch zurück nach dem ohnmächtigen Mann. Er faßte seinen Arm und versuchte es, ihn vorwärts zu ziehen, aber ein lauteres Schmerzensstöhnen war die Folge davon.

Hierauf richtete er den Oberkörper des Mannes langsam auf, legte dessen Kopf über seine Schulter, umfaßte seine Brust unterhalb der Arme und hob ihn empor. Kaum hatte er ihn aufgerichtet, als er schattenhaft die Gestalt eines Mannes in gebückter Stellung auf sich zukommen sah.

Die Büchse hatte er ebenfalls unter den Pallisaden gelassen, als hinderlich bei dem Hereinholen des Verwundeten.

Zweierlei blieb übrig: den Mann, den er im Arm hielt, fallen zu lassen und davon-zuspringen, um den Schutz des Tores zu gewinnen, oder Feuer zu kommandieren.

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Raschen Entschlusses rief er laut: »Schieß!«

Drei rote Feuerströme leuchteten an den Pallisaden auf, und mit aller Kraft schleppte der Indianer den stöhnenden Mann zu dem am Tor befindlichen Vorbau und gelangte ungefährdet hinter diesen. Draußen blieb alles still, Michael öffnete die Türe und der Indianer ließ seine Last sanft zur Erde gleiten.

Die Andern kamen vom Wall herunter und trugen gemeinschaftlich den Verwundeten nach dem Offiziershause, während Athoree noch die Patronen hineintrug, Michael schloß dann sorgfältig den Eingang.

Bei der Lampe Schein erkannte Johnson in dem Geretteten den Leutnant des Forts, Sounders. Man öffnete ihm die Kleider und sah nach seinen Wunden. Diese waren nicht erheblich, und sein Zustand mochte durch Blutverlust und Ueberanstrengung hervorgerufen sein. Man zerriß ein Betttuch und verband ihn. Dann legte man ihn auf die noch vorhandene Matratze.

»Gut gemacht, Athoree,« sagte der Graf und drückte herzlich dem Indianer die Hand. »Du bist ein Krieger, den ich bewundere. Gott sei vor allem Dank, daß wir die Patronen haben, von ihnen hängt vielleicht unser Leben ab.«

Während dieser Vorgänge, welche alle Aufmerksamkeit der Männer in Anspruch nahmen und die begreifliche Erregung nicht verminderten, hatte man kaum des gefangenen Indianers gedacht.

Athoree erinnerte an diesen, indem er sagte: »Gefangenen holen.«

Er hatte ihn so fest mit seinen Riemen umschnürt, daß an Entweichen nicht zu denken war. Man fand ihn auch fast an derselben Stelle, wo er gebunden worden war. Er hatte sich nur halb aufgerichtet und saß dort, den Rücken an einen Holzstoß gelehnt.

Athoree und Michael, welche hinausgegangen waren, richteten ihn ganz empor und forderten ihn auf, mit ihnen zu gehen.

Schweigend folgte ihnen der Ottawa nach dem Haufe.

Michael konnte es bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen, seinem Zorne auf die roten Leute Luft zu machen.

»So, Bursche, du ziehst ehrlichen Leuten die Kopfhaut herunter? Das sind also eure kannibalischen Teufelsstreiche? Nun, einige deinesgleichen habe ich bezahlt, Lump du. Was meinst du denn nun, wenn ich dir einen mit meinem gesegneten Shillalah geben wollte? Wie? Ich würde dir den Schädel zu Brei schlagen, du roter heimtückischer Mörder, der du bist. Und das wäre noch viel zu wenig Strafe für einen solchen im Dunkeln schleichenden Strolch. Gerädert mußt du werden, und das von unten auf.« [232]

Unter dergleichen Trostsprüchen, denen er hie und da einen gelinden Puff zugesellte, begleitete er mit Athoree den Gefangenen und führte ihn in das Zimmer, wo die andern saßen.

Beim Scheine der Lampe betrachtete man ihn nun genauer.

Es war ein Jüngling von achtzehn bis neunzehn Jahren, von schlanker Gestalt und nicht unfreundlichen Gesichtszügen. Er suchte großen Gleichmut zu zeigen, doch erschrak er bemerkbar, als er Johnson erblickte, und die dunklen, glänzenden Augen durchforschten unruhig das Zimmer.

Johnson richtete dann die Frage an ihn: »Warum haben die Ottawas die Streitaxt ausgegraben? Der junge Krieger möge mir das sagen!«

Der Wilde starrte ihn nun an, ohne indes zu antworten.

»Will der Ottawa meine Frage nicht beantworten? Vielleicht spricht er nicht die Sprache der Inglis?«

Er wiederholte seine Frage im Dialekte der Ottawas, von dem er einige Worte sprach, aber des jungen Gefangenen Augen wanderten nur von einem der Anwesenden zum andern, hafteten am längsten auf Athoree und richteten sich dann unter demselben trotzigen Schweigen wieder auf Johnson.

»Es ist vergeblich, ihn zu verhören,« sagte dieser, »wenn ein Indianer nicht sprechen will, bringt ihn keine Macht der Erde dazu. Wir müssen den Burschen verwahren, vielleicht daß er morgen gefügiger ist.« Man nahm ihm Messer und Tomahawk, die er noch am Gürtel trug, die Büchse hatte er fallen lassen, als ihn Johnson niederwarf, lockerte seine Bande, die ihn wohl, ob er gleich keinen Schmerz verriet, arg belästigen mußten, so weit, daß dieser gemindert wurde, ohne die Sicherheit seiner Gefangenhaltung zu beeinträchtigen, und führte ihn in ein kleines Nebengemach, wo man ihn einschloß.

Athoree begab sich hinaus, um Wache zu halten, er schien keine Müdigkeit zu kennen. Graf Edgar blieb mit seinen zwei Gefährten still im Zimmer des so jäh dahingeschiedenen Davis sitzen.

Johnson, dessen gewaltige Körperkraft alle bewundert hatten, zeigte seine gewöhnliche Ruhe, beim Grafen und Heinrich aber machte sich nach den Anstrengungen des Tages und den furchtbaren Scenen und Eindrücken der letzten Stunde Abspannung geltend.

Dennoch fühlten sie nicht das Bedürfnis, zu schlafen, die seelische Erregung war zu groß. Nur der brave Michael hatte sich in einer Ecke des Zimmers eine Schlafstätte hergerichtet und schlief bereits den Schlaf des Gerechten, seinen Shillalah im Arm. [233]

Es war ein trauriges Bild, welches das Zimmer bot. An den Wänden, Möbeln und Fenstern war die zerstörende Hand der Wilden zu bemerken, draußen herrschte dunkle Nacht und das Schweigen des Todes.

Der kleinen Lampe Schein fiel auf den verwundeten Offizier dort auf dem Bette, welcher seinen Atemzügen nach jetzt ruhig zu schlafen schien. Dann beleuchtete sie die drei ernsten Männer, welche in nachdenklichem Schweigen vor sich hinstarrten, unter ihnen die auffallende Erscheinung Johnsons.

»Welch ein Tag!« unterbrach der Graf endlich die Stille, »welch ein furchtbarer Tag! Im ganzen Kriege gegen Frankreich habe ich kein solch schauervolles Schlachtfeld gesehen, als dieses kleine Fort darbietet.«

»Ja, Herr, es ist grausig. Doch weisen unsre Grenzkriege mehr als ein solches Gemetzel auf. Ich begreife Euer Schaudern, doch ich - ich habe Dinge erlebt - die -mich ruhiger auf diese Zerstörung blühenden Lebens blicken lassen.«

»Wie wundersam, Heinrich,« wandte sich Graf Edgar an diesen, »spielt das Geschick mit uns! Wer hätte jemals im Vaterlande geträumt, daß mir eines Tages in diesen Urwäldern einsam sitzen würden, umheult von mordlustigen Wilden.«

»Ja, Herr Graf, es ist seltsam genug, und wer weiß, was uns noch für Dinge aufbehalten sind. Ich habe oftmals im stillen Wald darüber nachgedacht, wie wunderbar die Wege der Vorsehung sind. Ich weiß nicht, ob ich dem Herrn Grafen einmal mein Erlebnis von Chateaudun erzählt habe?«

»Nein, Heinrich.«

»Das war erstaunlich genug.