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»Zuverlässig.«
»Mein Gott, wie hat den der Kummer verändert. Ja, war eine schlimme Sache, Herr. Begreife es wohl, daß einem das Herz dabei brechen kann.«
»Ich sage Euch das nur, damit Ihr nicht zufällig seine Herzenswunden aufreißt, er leidet noch sehr darunter.«
»Werde es nicht tun, danke Euch, Fremder. Also das ist Johnson? Und der Mörder seiner Kinder ebenfalls in diesen Wäldern?«
»Pst! Johnson kennt ihn nicht. Nicht einmal seinen Namen. Ich habe angesichts des tiefen Schmerzes, mit welchem er von seinem Unglück erzählte, nicht gewagt, ihm zu sagen, daß der Mörder aller [258]
Wahrscheinlichkeit nach hier in der Nähe weilt. Es wird sich Gelegenheit dazu finden.«
»Bei Jove,« sagte Weller mit grimmiger Miene, »soll's zu rechter Zeit erfahren, Mann, und Abrechnung mit ihm halten. Möge uns der liebe Gott nur erst diese blutigen Indianer vom Halse schaffen. Ich gebe für unsre sämtlichen Skalpe nicht einen halben Dollar.« Er sah sich um. »Wie sollen ein paar Menschen dieses Fort halten, wenn derselbe etwa heranstürmt?«
»Nun, müssen's versuchen, Konstabel.«
»Well, werde mich wehren, Mann, mein Skalp ist mir sehr wertvoll,« sagte er mit einem Anflug von Humor. »Könnt Ihr mir nicht zu einem Imbiß verhelfen, Fremder? Seid ja hier zu Hause, he? Die tolle Jagd hat mir Appetit gemacht.«
Trotz seiner Sorgen und der gefährlichen Lage, in welcher sie sich befanden, mußte Edgar doch lächeln bei der kaltblütigen Ruhe des Mannes.
Er rief Michael herbei und beauftragte ihn, für die Bedürfnisse des Konstabels zu sorgen.
»Ja, kommt nur, Herr,« sagte dieser und führte ihn nach dem Offiziershause zu, »Essen und zu trinken gibt's genug hier, und wenn diese Teufelskerls mit ihrem Geschrei und ihrer tückischen Mordlust nicht draußen herumlungerten, wäre dies ein ganz guter Platz für meiner Mutter Sohn.«
Gleich darauf gab sich der an Gefahren aller Art gewöhnte Konstabel mit Behagen den Freuden des Mahles hin.
Der Oberst erschien in der Türe von Woods Wohnung und lud Edgar durch eine Gebärde ein, näher zu treten. »Wie befindet sich Miß Schuyler?« fragte dieser, eilig auf ihn zugehend.
»Besser, nur hat sich die Aufregung noch nicht ganz gelegt. Aber sie ist ein tapfres Mädchen und wird ihre Nerven bald gebändigt haben.«
»Darf ich Miß Schuyler begrüßen?«
»Ich soll Sie holen, damit Sie Ihnen danken kann.«
Er führte Edgar in das kleine Zimmer, in welchem seine Tochter weilte.
Frances trat ihm entgegen, als er eintrat, und streckte ihm die schmale weiße Hand entgegen, welche der Graf ehrerbietig an die Lippen führte.
»Da haben Sie die Königin der Ottawas, Sir,« sagte sie mit einem matten Lächeln, »aber meine künftigen Untertanen haben mich nicht gut empfangen.« [259]
Sie sah sehr blaß aus, zeigte aber doch äußerlich die vornehme Ruhe, welche ihr eigen war.
»Wie Sie dieser Gefahr glücklich entgangen sind, Miß Schuyler, werden auch noch andre, welche Sie etwa bedrohen könnten, besiegt werden.«
»Welch ein Wiedersehen, Herr Graf! Wie war ich erstaunt, als mein Vater mir sagte, wer uns so tapfer und geschickt verteidigt hatte. Und wie danke ich Ihnen!«
»Wir wollen uns den Dank erst noch verdienen, Miß Schuyler.«
»Halten Sie mich nicht für schwach und mutlos, das Unerwartete hatte mich erschreckt, denn ich bin nur ein Weib, aber - Sie sollen ferner meines Vaters Tochter in mir finden,« setzte sie mit einem Blick auf den Oberst hinzu, der ebensoviel Bewunderung als Liebe ausdrückte.
Ihre eigenartige Schönheit wurde durch die marmorartige Blässe, das durch den wilden Ritt in malerische Unordnung geratene Haar, das dunkle Reitkleid noch erhöht.
»Wir alle werden uns bemühen, jede Gefahr von Ihnen fern zu halten.«
»Wir müssen in Gemeinschaft tragen, was das Geschick über uns verhängt, und ich will mich bemühen, es mit Würde zu tun.«
Der Oberst fuhr zärtlich mit der Hand über ihr Haar: »Meine Frances wird ein tapferes Mädchen sein. Auch ist die Gefahr nicht so groß, hier im Fort sind wir sicher,« setzte er beruhigend hinzu, »und wir haben unter andern zwei Helden von 1870 unter unsern Verteidigern. Sollten wir genötigt sein, zu kämpfen, ehe Ersatz heranrückt, so geschieht es Schulter an Schulter mit tapferen Männern.«
»Mir scheint die letzte Stunde,« sie schauderte leicht zusammen, »gleich einem wilden Traume, aus dem ich noch nicht ganz erwacht bin.«
»Mein Kind wird sich wiederfinden. Die Gefahr ist beseitigt. Die Sergeantin mag für deine Bedürfnisse sorgen, Frances, auch will ich dir durch den Pottawatomie deinen Mantelsack schicken.«
»Aber wo sind deine Soldaten, Vater?«
»Wie ich hoffe, bereits dabei, den Indianern eine Lektion zu erteilen, sie werden wohl im Laufe des Tages eintreffen.«
Frances war über die Vorgänge im Fort noch nicht unterrichtet und der Oberst brach das Gespräch ab, um nicht veranlaßt zu werden, ihr Mitteilungen zu machen, welche ihre Aufregung zum Entsetzen steigern mußten. »Ich will dem braven Sergeanten einen Besuch machen, Kind, und dann wollen wir dir ein behagliches Unterkommen [269] herrichten, du sollst wenigstens die Königin des Forts sein, wenn deine roten Untertanen draußen rebellieren.«
Sie verabschiedeten sich und gingen hinaus. Draußen schärfte der Oberst der Frau Wood noch ein, seiner Tochter die entsetzlichen Vorgänge im Fort zu verschweigen, und betrat dann das kleine Zimmer, in welchem der Sergeant lag.
»Nun, mein alter, wackerer Kamerad,« redete er ihn freundlich an und reichte ihm die Hand, »wir sehen uns unter traurigen Umständen wieder.«
»Leider, Herr Oberst. Ich wollte, ich wäre wo die andern sind.«
»Geschehenes ist nicht zu ändern, Wood, wir müssen als besonnene Männer die Sache nehmen, wie sie liegt. Wir haben schon andre Abenteuer erlebt, Alter. Wißt Ihr Euch noch unsrer Kämpfe mit den Blackfeet zu entsinnen?«
Ein Lächeln fuhr über das Gesicht des Sergeanten: »Die haben wir heimgeschickt, Herr Oberst!«
»Und Sergeant Wood war einer der Tapfersten unter uns. Wie ich ja höre, sind Eure Wunden nicht gefährlich, Mann, haltet Euch ruhig, damit Ihr bald wieder Dienst tun könnt.«
»Als ich die Kanonen hörte, hat mich meine Frau mit Gewalt festhalten müssen, weil ich glaubte, die Roten kämen.«
»Nein, Ihr müßt still liegen, Mann. Sollten die Bursche wirklich einen Angriff wagen, so werden wir mit Gottes Hilfe ihnen heimleuchten.«
»Der Peschewa ist gefährlich, Herr, er ist der schlaueste Teufel, der je in Menschengestalt herumgelaufen ist.«
»Habt Ihr denn eine Ahnung, Sergeant, ich bin von allen andern Vorgängen genügend unterrichtet, wie stark die Angreifer waren?«
»Als ich meine Besinnung wieder hatte, habe ich mir alle Vorgänge zurückzurufen versucht. Wäre die Ueberraschung nicht so furchtbar gewesen, hätten wir sie mit dem Bajonett hinausgeworfen, denn die in den Kanoes, die fünf, welche wir eingelassen hatten, und die, welche dann noch vom Walde her gekommen sein können, alles in allem glaube ich nicht, daß sie mehr als über achtzig zählen.«
»Offen das Fort anzugreifen werden die schmerlich wagen.«
»Desto mehr müssen der Herr Oberst mit der List der Rothäute rechnen.«
»Nun, Wood, wir kennen die indianische Kriegsweise nicht seit gestern. Pflege er seine Wunden, Alter, wir wollen uns schon wehren.« [261]
Er gab ihm wieder die Hand, der Sergeant sagte: »Gott segne Sie, Herr,« und Schuy-ler verließ das kleine Zimmer.