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»Miß Schuyler, der Oberst wartet auf seine Tochter, daß sie ihn zum Grabe geleite.«
Ein Zittern überflog des Mädchens Leib und ein Klagelaut hallte durch das Zimmer, dann saß sie wie vorher.
»Sich seinem Schmerz zu sehr hingeben, junge Dame, heißt mit Gott hadern.«
Nur ein leises Stöhnen war die Antwort.
Nach einer kurzen Weile, während man nur die Atemzüge der drei Menschen hörte, fuhr Johnson in einem Tone fort, der tiefe innere Erregung verriet: »Ich kannte einst einen Mann, der froh und glücklich der Heimat zueilte, um sein gutes Weib, seine teuren Kinder zu umarmen, die er am Morgen in der Fülle blühenden Lebens verlassen hatte - er fand sie in ihrem Blute - erschlagen von roher Mörderfaust.« -
Langsam hob Frances die Augen auf Johnson, der ruhig auf seine Büchse gelehnt, vor ihr stand. Die seltsame Erscheinung, das lange, weiße Haar, der Bart des Mannes, das für einen Hinterwäldler bleiche Antlitz, aus dem die guten blauen Augen trauernd auf sie blickten, machten ihr den Eindruck einer Prophetengestalt.
In der Aufregung der früheren Stunden hatte sie ihn nicht beachtet, kaum bemerkt, jetzt zum erstenmal wirkte sein absonderliches Aeußere, welches ihm von den Indianern den Namen »der tote Mann« verschafft hatte, mit um so größerer Gewalt auf sie, als er fast wie ein Bote aus einer andern Welt vor ihr stand.
Ihr Auge erweiterte sich, als es die ehrwürdige Erscheinung betrachtete.
Leiser fuhr dieser fort: »Der Mann, der das erduldet hat, steht vor Ihnen, Miß, ruhig und gottergeben.«
Sie sah ihn noch immer aufmerksam an.
Dann kam es schwach und vernehmbar von ihren Lippen: »Armer, armer Mann!«
»Soll der Oberst, der für uns gestorben ist, noch länger auf sein Kind warten? Oder soll er, ohne daß es ihm das letzte Geleit gibt, zu Grabe gehen?«
Sie strich mit der Hand über das Haar, über die Augen, erhob sich langsam und sagte dann: »Ich bin bereit, Sir, kommen Sie.«
Sie gingen. Draußen wartete Kapitän Blackwater und bot Frances schweigend seinen Arm. [311]
Sie schritten hinaus in den inneren Raum des Forts.
Die Truppen standen in Paradestellung, dem Kommandantenhause gegenüber, die Geschütze waren bemannt.
Blackwater gab ein Zeichen, und sechs Sergeanten begaben sich ins Haus.
Von ihnen getragen erschien der Sarg, der des Obersten sterbliche Hülle einschloß.
»Achtung! Präsentiert das Gewehr!«
Die Waffen rasselten unter gedämpftem Trommelwirbel, die Truppen präsentierten.
Kapitän Percy kommandierte die Leichenparade.
Eine Sektion schwenkte ab und marschierte mit dem Tambour, der leise das gedämpfte Spiel rührte, voran.
Dann kam, von den Sergeanten getragen, der Sarg, eingehüllt in das gestreifte Sternenbanner.
Obenauf lag des Obersten Degen und Hut, ein Gewinde von grünem Laub umschlang ihn.
Hinter ihm schritt Blackwater, die wankende Frances führend, einher. Es folgten die Offiziere und unsre Freunde.
Eine Sektion der Besatzung schloß den kleinen Leichenzug.
Langsam bewegte er sich nach dem offenen Grabe, welches von einer alten Eiche überschattet wurde, zu.
Langsam sank der Sarg hinab, der Staub zum Staube.
Kapitän Blackwater gab Frances' Arm an Edgar und trat ans offene Grab.
Aus einem Buche las er ein Gebet, einfach, ergreifend, der derbe Soldat war selbst ergriffen.
»Amen.«
Dann sagte er noch: »Kameraden, unser Oberst starb wie ein Held, vorangehend im Kampfe, opferte er sein Leben für andre, ein leuchtendes Beispiel jenes hohen Mutes, welcher in Erfüllung der Pflicht den Tod nicht fürchtet, ein leuchtendes Beispiel für die Armee, welcher er angehörte. Kameraden, nicht die Armee, nicht wir werden ihn vergessen, unser Oberst starb im Dienste des Landes.«
Kapitän Percy hob den Degen.
Dreimal entluden sich die Musketen, dreimal krachten von den Wällen die Geschütze über das Grab eines tapferen Soldaten hin.
Bald war der Hügel gehäuft, die Soldaten schmückten ihn mit Grün, und zurück ging der Zug zum Fort, Frances wiederum geführt von Blackwater. [312]
Stumm und bleich hatte das Mädchen der feierlichen Handlung beigewohnt, als sie jetzt langsam ihr Zimmer betrat, zu welchem der Kapitän sie geleitet hatte, brach sie in einen unaufhaltsamen Strom von Tränen aus.
Blackwater hörte es vor der Türe und sagte leise: »Das ist gut. >Gram, der nicht spricht, raunt leise zu dem Herzen, bis es bricht.< Weine, armes Mädchen, auch deine Tränen werden milder fließen.«
Den Offizieren, welche ihn unten erwarteten, sagte er: »In einer Stunde zum Kriegsgericht, ihr Herren, wir wollen heute auch noch mit Herrn Peschewa fertig werden.«
Auch Michael, Johnson, der Konstabel standen dort ernst beisammen. Michael war sichtlich gerührt von der einfachen Trauerfeier.
»Seine Gnaden der Herr Oberst waren ein vortrefflicher Mann, ich werde ihn nie vergessen.«
»Niemand, der ihn gekannt hat,« sagte der Konstabel, »einen Oberst Schuyler vergißt man nicht.«
»Gott hatte ihn lieb, er fand ein glückliches Ende, im edelsten Aufschwung der Seele, vorangehend im Kampfe, nahte ihm der Tod. Wohl dem, der ein gleiches findet,« ließ Johnson sich vernehmen.
»Ist recht, Alter, ist recht. Sterben müssen wir alle, aber beneidenswert ist solch ein Tod.«
Edgar trat zu ihnen.
»So wäre das Trauerspiel vollendet, der Held von Fort Jackson ruht im Grabe.«
»Wenn mich nicht alles täuscht, wird gleich noch ein andres Trauerspiel zu Ende gehen,« äußerte Weller und blickte nach dem Wall am Tor hin, wo ein Dutzend Soldaten im Begriffe waren, einige Balken aufzurichten.
Sie schauten der emsigen Tätigkeit der Soldaten einige Augenblicke zu, dann fragte Edgar: »Was gedenken Sie nun zu tun, Mister Weller?«
»Mich wieder auf die Suche nach meinen Burschen zu machen. Kann nur allein nicht fort, wäre sonst schon hinter ihnen her. Muß abwarten, was der Kapitän beschließt. Ist auch das arme Mädchen hier, kann ja auch nicht im Fort bleiben, wird uns Blackwater nach der Küste geleiten lassen müssen. Aber was gedenkt Ihr zu tun, Fremder?«
»Ich behalte meinen Zweck fest im Auge, Konstabel, und erwarte ebenfalls Kapitän Blackwaters Entschließungen.« [313]