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»Alte Frau auch Wyandot?«
»Es ist seine Mutter.«
»Denken, alte Frau wohnen bei toten Mann?«
»Ja, und der Sohn hat seine Mutter dort abgeholt.«
»Gehen zu Wyandot-Volk, wie?«
»Ich glaube nicht. Athoree wohnt im Süden am Muskegon und wird wohl wieder dorthin zurückkehren.«
»Er sehr fern wohnen seinem Volke,« bemerkte der Indianer noch, ohne die Unterredung weiter fortzusetzen.
Der übrige Teil der Gesellschaft verhielt sich schweigend.
Johnson hatte Michael eingeschärft, nichts über den Zweck ihrer Reise, über die Vorgänge im Fort oder die Ottawas zu äußern, da anzunehmen war, daß der schweigsame Krieger, welcher oftmals seine Stelle im Zuge wechselte, genügend Englisch verstand, um die Unterhaltungen zu belauschen. Weder er noch Athoree glaubten die Versicherung des andern, daß sein Gefährte nicht die Sprache der Weißen rede oder mindestens verstehe.
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Im Laufe ihres Marsches hatte sich das Elen auch zu Frau Sumach gesellt, was Athoree mit einem spöttischen Lächeln bemerkte.
Der Ottawa eröffnete in seiner Sprache eine Unterhaltung mit Athorees Mutter; doch diese antwortete ihm, ob sie ihn gleich ganz gut verstand und auch durch ihre Kenntnis des Saulteux-Dialektes wohl befähigt war, ihm in seiner Sprache zu antworten, nur in der ihm unverständlichen Zunge der Wyandots und endlich auf Englisch: daß sie ihn nicht verstehe.
Der Ottawa verließ sie hierauf, nahte sich nach einiger Zeit seinem Gefährten und flüsterte diesem, dem seinen Ohr Athorees aber doch vernehmbar, zu: »Wyandots aus den Kanadas,« worauf der andre befriedigt nickte.
Als dieser dann später in der Ottawasprache, welche Athorees Ohr gleichfalls nicht fremd war, eine Unterhaltung mit Sumachs Sohn anzuknüpfen versuchte, erklärte auch dieser schließlich, ihn nicht zu verstehen, sann aber darüber nach, welches Interesse es wohl für die Ottawas haben konnte, zu erfahren, ob er den Wyandot-stämmen im nördlichen Michigan oder den in den Kanadas heimischen angehöre.
Genau zu der Zeit, welche das »wilde Wasser« angegeben hatte, erreichten sie die Niederlassung der Ottawas.
Sie gewahrten die im hellen Sonnenschein den See entlang sich ausbreitenden Hütten mit den wenigen Blockhäusern, welche sich dazwischen erhoben, und empfingen einen freundlichen Eindruck von dieser Residenz Kitates.
Als sie aus dem Walde traten, stürzte ihnen eine Schar halbnackter Knaben und Mädchen entgegen, welche die Fremden neugierig anstarrten, aber sofort ehrfurchtsvoll Raum gaben, als der Begleiter Edgars ihnen einige Worte zurief, obgleich die dunklen Augen mit nicht freundlichem Ausdruck auf den Weißen ruhten.
Am Eingang des Dorfes empfing sie Amaqua und leitete sie nach dem Blockhause Peschewas, in welchem die Weißen übernachten sollten, während für Athoree und seine Mutter eine leerstehende Hütte zur Wohnung ausersehen ward.
Der Indianerhäuptling begrüßte den Grafen mit großer Höflichkeit und dankte ihm für die Ehre, welche er den Ottawas durch seinen Besuch erweise.
Die einstige Wohnung Peschewas, ein gewiß von den Händen Weißer aufgerichtetes Blockhaus, entbehrte nicht eines gewissen europäischen Komforts. Tische, Stühle, Schränke bildeten das Mobiliar, und Trophäen europäischer und indianischer Waffen, kostbare Felle
[354] den Schmuck, auch den seltenen Luxus wohlerhaltener Glasfenster wies die Häuptlingsbehausung auf, welche, da Peschewa nicht Weib, nicht Kinder hinterlassen hatte, verwaist war.
Unsre Reisenden richteten sich rasch ein. Die Gastfreundschaft der Indianer sandte alsbald den Gästen Stücke gebratenen Fleisches und Maiskuchen.
Nach einiger Zeit erschien Amaqua wieder, begleitet von den ältesten Häuptlingen der Niederlassung, und machte dem Grafen mit ihnen seinen Besuch.
Die ernsten Indianer nahmen Platz auf den Stühlen, und nach schicklicher Pause begann Amaqua: »Der Häuptling der Dutchmen ist willkommen bei den Ottawas.«
Es zeigte sich bei diesen Begegnungen, daß auch er recht gut englisch sprach.
Edgar dankte ihm.
»Der Häuptling hat den weiten Weg nicht gescheut, mit seinen Begleitern hierher zu kommen, die Ottawas sind stolz auf seinen Besuch.«
»Viel, ihr Häuptlinge,« begann da Edgar, welcher seine Rede der Ausdrucksweise der Indianer anzupassen suchte, »habe ich in meiner fernen Heimat von dem großen Volke der Ottawas gehört, welches hier oben an den Seen wohne, und mein Herz trieb mich, es aufzusuchen und seine weisen Männer, seine tapferen Krieger kennen zu lernen.«
Die Indianer ließen ein beifälliges Gemurmel hören.
»Ich bin kein Inglis, kein Langmesser, sondern ein Dutchman, dessen Volk jenseits des großen Meeres wohnt und nie die Streitaxt gegen den roten Mann ausgegraben hat. Ich bin ein Häuptling in meinem Volke, und führe Krieger in die Schlacht, und komme in Freundschaft, um den großen Häuptlingen der Ottawas meine Achtung zu bezeigen.«
Wiederum beifälliges Gemurmel der Indianer.
Auf einen Wink Edgars brachten nun Heinrich und Michael die Geschenke herbei, welche für die Häuptlinge bestimmt waren.
Da war ein Fäßchen mit Pulver, ein Fäßchen mit Rum, einige schön verzierte Messer, mehrere kleine Spiegel, wollene Decken, Pulverhörner und reichlich grünes Tuch zu Jagdhemden. Von hübsch gearbeiteten silbernen Bechern gab er jedem der Häuptlinge einen.
Mit großem Wohlgefallen wurden die Geschenke von den Indianern entgegengenommen. [355]
»Auch für die Ladies der Ottawahäuptlinge habe ich Dinge mitgebracht, welche ihnen wohl gefallen werden.« Und er entfaltete rotes Tuch, bunte Bänder, Ohrgehänge, Vorstecknadeln, Kattun.
Lächelnd sagte Amaqua: »Die Squaws der Ottawas werden den jungen Häuptling der Dutchmen in ihr Herz schließen. Doch die Ottawas sind arm, sie haben nichts, was sie dem weißen Bruder dagegen schenken könnten.«
»Ich bin zufrieden, Häuptling, wenn ich mir Eure Freundschaft gewinne, mehr begehre ich nicht.«
Die Indianer waren angenehm überrascht, und Amaqua stand auf, reichte Edgar die Hand und sagte: »Amaqua ist des jungen Dutchman Freund; was er tun kann, um sein Herz zu erfreuen, soll geschehen.«
Edgar hielt es für geraten, gerade auf sein Ziel loszugehen.
»Du hast schon im Fort Jackson gehört, Amaqua, was mich hierher führt. Sind deine Freundschaftsversicherungen nicht nur Worte ohne Inhalt, so hilf mir die Spur meiner Schwester und ihres Kindes aufzufinden, gib mir Gewißheit über ihr Schicksal, und wenn es auch noch so traurig war, ich werde deiner stets in Dankbarkeit gedenken und diese Geschenke reich vermehren. Ihr Ottawas habt von mir nichts zu fürchten, ich bin ein Deutscher und stehe amerikanischer Politik gänzlich fern. Ich gebe euch das Wort eines deutschen Häuptlings, daß nie mein Mund etwas mitteilen soll, was ihr verschwiegen wissen wollt. Nur Gewißheit will ich erlangen über meiner Schwester Schicksal.«
Ernst lauschten die Indianer seinen Worten. Dann sagte Amaqua in wohlwollendem Tone: »Der Häuptling der Deutschen ist ehrlich, er hat nur eine Zunge, er denkt, was er spricht. Die Langmesser sind seine Freunde, die Ottawas sind seine Freunde. Er sucht eine Schwester, welche die Ottawakrieger, als sie die Streitaxt gegen ihren großen Vater in Washington erhoben, geraubt haben sollen. Amaqua weiß nichts davon, diese Häuptlinge hier wissen nichts davon, niemand weiß etwas davon. Mein junger Bruder sage, wo wir ihre Spur suchen sollen, und die Ottawas werden sich aufmachen und ihm suchen helfen.«
Mit trauriger Miene entgegnete Edgar: »Da wären wir so weit wie bisher, Häuptling. Nicht daß ich in deine Worte Zweifel setze, ein Häuptling hat nur eine Zunge, und wenn er sagt: ich weiß nichts von der weißen Frau, so ist es so. Aber es leben gewiß noch Krieger, welche das Schicksal meiner Schwester kennen, wenn Amaqua diese befragen wollte, so wäre ich ihm sehr dankbar.« [356]
Mit immer gleicher Höflichkeit entgegnete der Indianer: »Sie sind befragt, doch niemand entsinnt sich der weißen Frau. Mein Bruder frage selbst, und es soll Amaqua freuen, wenn die Antwort erwünscht lautet.«
Mit schmerzlicher Betroffenheit sah Edgar ein, daß seine Mittel versagten, die Indianer wollten oder durften nicht reden.
Mit leichtem Schritte trat Athoree ins Zimmer und grüßte die Häuptlinge mit einer Neigung des Hauptes.
Amaqua faßte ihn scharf ins Auge und fragte in der Ottawasprache: »Mein Bruder ist ein Wyandot?«
Höflich entgegnete Athoree in englischer Sprache: »Der Häuptling muß mit mir die Sprache der Inglis reden, wenn ich seine Worte vernehmen soll, oder in der Zunge der Wyandots, Athoree versteht nicht die Laute der Ottawas.«
Amaqua sagte freundlich in der Zunge der Engländer: »O, die Wyandots jenseits des Michigan sprechen oder verstehen gemeinhin die Sprache unsrer Brüder, der Saulteux, welche nahe bei ihren Dörfern wohnen. Sollte mein Bruder diese nicht verstehen?«
»Die Wyandots wohnen in den Kanadas, Häuptling, und weitab von den Saulteux. Zwar wissen wir, daß Männer unsres Volkes im Gebiete des großen Vaters in Washington leben, aber ich kenne sie nicht und nicht deine Brüder, die Saulteux, ich kann ihre Sprache nicht sprechen, sie nicht verstehen.«