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»Heute abend essen, he?«
»Ja, Amaqua hat mich eingeladen.«
»Essen, viel trinken. Alle Nebel um Augen, Nebel in Kopf.«
»Du glaubst, sie werden alle betrunken sein?«
»Denke so. Du auch betrunken -«
»Ich?«
»Du nur so tun, Athoree so tun. Nicht betrunken, nur so tun. Wenn Häuptling schlafen, gehen zu Miskutake.«
»Ich verstehe. Aber wenn nun der Wyandothäuptling auch Nebel, vor den Augen hat und den Weg nicht findet?«
»Athoree nicht Nebel, das versprechen. Trinken, doch nicht Nebel.«
»Nun, sei es so.« [362]
»Nicht reden, nicht fragen, nicht gehen, du überall bewacht von Ottawas, alle bewacht.«
»Meinst du?«
»Es wissen.«
In peinlicher Aufregung vergingen die Stunden.
Endlich, die Sonne war längst vergangen, erschienen zwei Indianer, um im Auftrage Amaquas die Bleichgesichter zum Festmahl abzuholen.
Alle gingen, auch Michael, obgleich widerwillig und mißtrauisch: »Ich möchte mit den roten Burschen so wenig wie möglich zu tun haben,« brummte er, »sie gaffen mich fortwährend an und das ist unheimlich.«
Sie wurden zu einer offenen Hütte geführt, welche dem Stamm zu Ratsversammlungen diente.
In deren Mitte brannte ein Feuer, an welchem verschiedenes Wildbret schmorte.
Amaqua war da und um ihn ein Dutzend der älteren und angeseheneren Ottawas. Auch Athoree war schon dort.
Der wilde Häuptling begrüßte seine Gäste mit viel Anstand, machte sie mit den andern Indianern bekannt in einer Form, welche jeder europäischen Gesellschaft Ehre gemacht hätte.
Zwei alte Frauen beschäftigten sich mit Zubereitung der Speisen.
Alle nahmen dann um das Feuer Platz und auf ganz hübsch geschnitzten Holztellern wurden ihnen Stücke Fleisches überreicht, ebenso Fisch, welcher trefflich in einer Blätterlage gebraten worden war.
Jeder zog sein Messer und alle griffen munter zu.
Während des Mahles herrschte Schweigen. Michael schaute sich zwar oft mit einer bemerkbaren Scheu im Kreise dieser grimmigen, dunklen Gesichter um, entwickelte aber trotzdem einen beneidenswerten Appetit.
Die Indianer verschlangen erstaunenswerte Mengen Fleisches.
Bald begann auch der Becher, mit Rum gefüllt, zu kreisen, das Fäßchen Edgars lagerte in der Nähe des Häuptlings.
Endlich war der Hunger der Roten gestillt. Edgar, der sehr aufgeregt war, aber dies so gut als möglich zu verbergen suchte, hatte nur wenig essen können.
Die Männer nahmen jetzt die Pfeifen hervor, Edgar bediente sich einer seiner Zigarren, die Indianer streckten sich äußerst zwanglos aus, und der gefüllte Rumbecher kreiste fleißiger.
»Wie es dir gefallen bei Ottawas, Dutchman?« [363]
»Gut, die Ottawas sind freundlich und gastfrei. Besser noch würde es mir gefallen, wenn ich meinem Zwecke etwas näher gekommen wäre.«
»Gerne Dutchman helfen, er Freund. Nicht können, alle hier fragen, alle dasselbe sagen, nichts wissen. Vergnügt sein, trinken, trinken.«
Edgar trank mit vorsichtiger Mäßigkeit, während die Indianer große Quantitäten des starken Trankes hinuntergossen.
Nach und nach geriet auch eine Art Unterhaltung in Gang, denn sämtliche Anwesende sprachen etwas Englisch.
Hie und da stieß auch einer der Ottawas einen wilden Ruf aus oder begann ein eintöniges Lied zu singen.
Zu seiner Freude bemerkte der Graf, daß Athoree Maß im Trinken beobachtete und ihm öfters einen verständnisinnigen Blick zuwarf. Der Graf bewunderte diese Enthaltsamkeit aufrichtig.
Johnson, der allein saß, sprach dem Rum auch nur wenig zu, ebenso Heinrich, Michael aber zechte wacker mit, was bald seine schwere Zunge verriet. Edgar gewahrte es nicht ohne Besorgnis.
Athoree, der mit Meisterschaft den Durstigen zu spielen mußte, stellte bald mit gleicher Vollendung den Betrunkenen dar, und der Graf folgte ihm hierin so gut er konnte.
Bei Amaqua wie auch bei allen andern Roten machte sich die Wirkung des Rums geltend, stierer wurden die Augen, schwerfälliger die Rede.
Bald herrschte ein wildes Durcheinander von Stimmen, untermischt mit gellenden Rufen.
Draußen lungerten einige Dutzend Ottawas und sahen dem Gelage zu. Amaqua ließ ihnen einige Kannen Rum reichen, und bald kreiste der Becher auch draußen.
Der Häuptling, welcher immer betrunkener wurde, klopfte Edgar auf die Schulter und schrie: »Du Dutchman, ich dich lieb. Dutchman gut. Inglis und Langmesser seien verdammt. Würde dir gerne helfen, Bruder,« lallte er, »geht nicht, geschworen bei Manitou, alle geschworen, geht nicht. Verdammt sei die weiße Frau.«
Edgar spielte den Betrunkenen hinreichend gut, um wenigstens die schon stark angezechte Gesellschaft zu täuschen.
Es gelang ihm auch jetzt, obgleich ihn die Aeußerung des berauschten Wilden sehr aufregte, in lallendem Tone zu erwidern: »Amaqua, Bruder, er würde helfen, weiß ich, er kann nicht.«
»Nein, kann nicht, Bruder,« und wieder stürzte er einen Becher Rum hinunter.
[364]
Michael hatte bereits genug und schlief.
Athoree wankte hin und her und lallte vor sich hin.
Amaqua bemerkte es und lachte wie besessen: »Der Wyandot kann nicht trinken, nur Krieger können trinken. Wyandots Weiber.«
Schon streckten sich einige nieder und schliefen ein.